Gesammelte Werke. Ernst Wichert

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Gesammelte Werke - Ernst Wichert


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ist erstanden!«

      Aber zu früh jubelten die tapferen Streiter; noch war des Feindes Übermacht nicht gebrochen. Zindram erkannte zur rechten Zeit die Gefahr. Er hatte seine Kerntruppen: Söldner, Kriegsgäste und tatarische Reiterei, im Rückhalt. Die rief er nun eiligst heran: ein neues Heer schien aus dem Boden zu wachsen.

      Auch Witowd zögerte nicht, ihn zu unterstützen. Sobald er die Russen und einige zersprengte Häuflein seiner Litauer glücklich dem Verderben entrissen hatte, sprengte er über das Feld, den König zu suchen. Er fand ihn hinter der Reserve und beschwor ihn, sich endlich den Seinigen zu zeigen. Mein Heer ist vernichtet, rief er ihm zu, und das Reichspanier in der übermütigen Feinde Hand, hörst du ihren Siegesgesang? Schon treiben sie deine Scharen zurück. Aber noch ist nichts verloren, wenn du mir mutig folgst, Vetter. Der linke Flügel des Ordensheeres ist weitab vom Marensefluß, beutegierig, meinen Litauern nachzusetzen, und kann in die Schlacht nicht eingreifen, wie er sollte. Zeigst du dich deinen Scharen, so wird ihre Mutlosigkeit schwinden, unter ihres Königs Augen werden sie löwenkühn fechten. Bei der Asche unserer Väter, bei unserem Racheschwur flehe ich dich an: folge mir!

      Da schämte Jagello sich seiner Feigheit und ritt eine Strecke vor, doch immer in der Mitte seiner Leibwache. Als nun die Polen ihren König sahen, wie er sich im Bügel erhob und mit der Hand winkte, wuchs ihnen der Mut. Sie warfen sich von neuem auf die Deutschen und entrissen ihnen das eroberte Reichspanier. Der König aber teilte seine dritte Schlachtreihe, verstärkte mit einem Teil derselben die beiden vorderen und gab den Rest Witowd, damit er mit seinen Russen und Litauern den rechten Flügel wiederherstelle. Und nun führte Zindram auch die Söldner und Kriegsgäste von der Seite heran, während die Tataren auf flüchtigen Pferden den rechten Flügel des Ordensheeres umschwärmten.

      Jetzt erst schien der Kampf zu beginnen. Gegen die mittlere Stellung des Ordensheeres drängte eine gewaltige Übermacht, der trotz heldenhafter Tapferkeit jedes einzelnen Streiters erfolgreich Widerstand zu leisten von Minute zu Minute schwieriger wurde. Gegen die Flügel warfen sich aber die noch frischen Streithaufen und brachten sie langsam zum Weichen. Es nützte jetzt wenig, daß die von der Verfolgung der Litauer Zurückkehrenden die Beute fortwarfen und mit dem Schwert einhieben. Witowd wehrte sie mit Riesenstärke ab und drang weiter vor. Das Dorf Tannenberg wurde nach heftigem Kampfe von ihm genommen; die darüber hinausgeschobenen Haufen mußten sich zurückziehen. Auf der andern Seite aber hatten sich Zindrams Soldtruppen im Wäldchen beim Seemen festgesetzt und bedrängten von hier aus den schon geschwächten rechten Flügel, so daß er aus der Schlachtlinie auszubiegen genötigt war. In dieser Gefahr, von zwei Seiten umgangen zu werden, versuchte die Mitte noch einmal mit einem mächtigen Vorstoß den Kern des königlichen Heeres zu sprengen. Einen Augenblick schien das Wagnis zu gelingen. Rechts und links sanken unter den wuchtigen Schwerthieben der Kreuzritter die Polen in den Staub; ihre Reihen waren so aufgelöst, daß des Königs glänzende Rüstung mitten in seinem Streithaufen sichtbar wurde und die Blicke der Angreifer zu seinem eigenen Schrecken auf sich zog. Da meinte der tapfere Ritter Leopold von Kötteritz den Augenblick gekommen, den übermächtigen Feind in seinem Haupt zu schlagen. Ohne Besinnen legte er die Lanze ein und stürmte gegen Jagello vor, ihn vom Pferde zu stechen. Aber dessen Begleiter waren wachsam; sein wackerer Schreiber Sbigneus von Oleßnitz warf den Ritter aus dem Sattel, und die anderen machten ihm nun mit Schwert und Kolben den Garaus. Schnell schlossen sich wieder die durchbrochenen Reihen, und so gewaltig war nun der Ansturm der Wütenden gegen die Mitte des Ordensheeres, daß auch sie ins Wanken kam und Schritt für Schritt den Plan räumte.

      So hatte sich das Kriegsglück nun ganz vom Orden abgewandt. Seine Schlachtreihen waren gebrochen, viele Tausende tapferer Streiter lagen am Boden, ohne Führer kämpften die einzelnen Haufen, die noch standhielten. Aber bald war alles Unordnung und Auflösung. Der Komtur von Graudenz, Wilhelm von Helfenstein, wollte nicht weichen; er kämpfte, solange seine Hand das Schwert halten konnte, und starb den Heldentod; seine Tapferen verteidigten das Banner bis auf den letzten Mann. Auch um den gefallenen Arnold von Baden, Komtur von Schlochau, türmte sich ein gewaltiger Haufe von Leichen. Und dort weiter lagen die Komture von Althaus, von Engelsburg, von Nessau, von Straßburg, von Mewe und von Thorn, die Vögte von Roggenhausen und Dirschau mit allen den Ihrigen. Mehr als fünfhundert aus dem Elbinger Mayen waren erschlagen, und von den zwölfhundert Danziger Streitern stand nicht viel mehr als der vierte Teil noch aufrecht um den Fahnenträger. Die Schlacht mußte als verloren gelten.

      Da hielten die Gebietiger und Hauptleute, die um den Meister waren, Rat und ritten zu ihm heran und sagten ihm: Weiterer Kampf ist vergeblich. Unsere Reihen sind gelichtet, zerrissen, aufgelöst. Auf diesem Felde kann uns der Sieg nicht mehr werden. Schützen wir das Land! Noch kann der Rückzug in aller Ordnung erfolgen. Werfen wir uns mit der geretteten Mannschaft in die Burgen, sie gegen den König zu verteidigen.

      Ulrich von Jungingen aber legte die Hand mit dem Eisenhandschuh aufs Herz und schüttelte unwillig das schöne Haupt. Das soll, so Gott will, nicht geschehen, antwortete er mit bewegter und doch fester Stimme; denn wo so mancher brave Ritter neben mir gefallen ist, will ich nicht aus dem Felde reiten.

      Da erkannten sie alle wohl, daß keine Überredung seinen Entschluß wenden werde, und machten sich bereit, mit ihm zu sterben.

      Noch standen unweit des Dorfes Grünfelde sechzehn Fähnlein, die bisher am Kampfe nicht teilgenommen hatten. An deren Spitze stellte sich der Meister und führte sie selbst gegen den Feind. Es waren darunter auch die Kulmer Landesritter mit ihren Leuten, denen er, gewarnt durch Briefe, nicht sonderlich vertraut und die er deshalb im Rückhalte gelassen hatte. Nun rief er auch sie zu tapferem Beistand auf. Nicht mehr der Feldherr wollte er sein, der aus der Ferne die Schlacht leitete, der Ritter hatte um seine Ritterehre zu kämpfen, und die ihm folgten, sollten seine Getreuen sein bis in den Tod. Das sagte er den Fahnenträgern, die er zu einer Ansprache um sich sammelte, hoffend, daß er so ihr Herz am festesten stähle zu diesem letzten, schweren Kampf.

      Wenn jeder, wie er, entschlossen sei, lieber den Tod als eine schmachvolle Niederlage zu erleiden, meinte er in seinem Innersten, sei vielleicht doch noch der Sieg zu erkämpfen.

      Und so zog er, auf seinem schneeweißen Schlachtrosse in prächtiger Rüstung, die Lanze auf den Steigbügel gestützt, mitten in einer glänzenden Schar von Gebietigern und Rittern, den auserlesensten des Ordens, den Fähnlein voran gegen den weiter und weiter vordringenden Feind. Die Polen stutzten. Anfangs glaubten sie, daß eine Schar Litauer dem Ordensheer, so viel davon noch auf dem Kampfplatze, in den Rücken fiele, es ganz zu vernichten, die Lanzen schienen ihnen von der Art, wie die Litauer sie zu gebrauchen pflegten. Bald aber erkannten sie ihren Irrtum, da sie nun des Hochmeisters ansichtig wurden, und scharten sich dichter um das große Reichspanier mit dem weißen Adler, gegen das er anrückte.

      Da schien Nikolaus von Renys, dem Bannerführer vom Kulmer Land, die Zeit gekommen, seine Feindschaft gegen den Orden zu betätigen und dem König von Polen einen Dienst zu erweisen, dessen er den Eidechsen noch in spätester Zeit gedenken sollte. Er sprach heimlich mit einigen vom Bunde, die in seiner Nähe waren, und schickte sie zu den Fahnenträgern der anderen Haufen, in denen die Bürger der kleinen Städte zogen, daß sie ihnen das Zeichen bekanntmachten. Dem Ritter Arnold von der Buche aber flüsterte er zu: Sollen wir unnütz in den Tod reiten? Der Meister hat es darauf abgesehen, die Eidechsen mit einem Schlage zu vernichten – dazu hat er uns solange aufgespart.

      Aber er soll sich verrechnet haben.

      Was gedenkt Ihr zu tun? fragte der Ritter besorgt.

      Was ich dem Bunde schuldig bin, entgegnete Nikolaus, als dessen Ältester. Gebt acht auf mein Banner. Wenn es sich neigt, werft Euren Gaul herum und drückt ihm die Sporen ein.

      Hans von der Buche ritt dicht neben seinem Vater. Er fing einen Teil dieser Worte auf und erriet ihre Bedeutung. Vater, rief er, das geschehe nimmermehr! Unsere Ehre steht auf dem Spiel!

      Was versteht der Kiekindiewelt von diesen Händeln? wies Nikolaus von Renys ihn mit höhnischem Lachen ab.

      Arnold von der Buche aber schüttelte den Kopf und sagte: Niklas, es geht wahrhaftig nicht. Wir reiten in Waffen unter des Hochmeisters Befehl. Er darf uns nicht Verräter und Schelme schelten.

      Die Schlacht ist verloren. Wir reiten in den gewissen Tod.


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