Gesammelte Werke (Über 150 Titel in einem Band). Rosa Luxemburg

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Gesammelte Werke (Über 150 Titel in einem Band) - Rosa Luxemburg


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Columbias, Brasiliens, Rio de la Platas, Chiles und Perus zu tragen. Ehe das Ministerium sich schlüssig gemacht hatte, diese neuen Staaten anzuerkennen, hatte es schon Vorsorge getroffen, den englischen Handel durch Schiffsstationen, die dauernd mit Linienschiffen besetzt waren, zu schützen, deren Befehlshaber mehr diplomatische als militärische Befugnisse hatten. Es hat dem Geschrei der Heiligen Allianz getrotzt und die neuen Republiken anerkannt in demselben Augenblick, als ganz Europa ihre Vernichtung beschloß. Aber wie groß auch die Absatzquellen waren, die das freie Amerika darbot, sie hätten doch nicht zugereicht, um alle Waren, die England über die Bedürfnisse des Verbrauchs produziert hatte, aufzunehmen, wenn die Anleihen der neuen Republiken nicht plötzlich ohne Maß ihre Mittel, englische Waren zu kaufen, vermehrt hätten. Jeder Staat Amerikas entlieh von den Engländern eine Summe, um seine Regierung zu befestigen, und obgleich dies ein Kapital war, verausgabte er sie unmittelbar in demselben Jahre wie ein Einkommen, d.h., er verbrauchte sie gänzlich, um englische Waren für öffentliche Rechnung zu kaufen oder die zu bezahlen, die für Rechnung von Privatleuten abgesandt worden waren. Zahlreiche Gesellschaften wurden zu gleicher Zeit gegründet mit ungeheueren Kapitalien, um alle amerikanischen Minen auszubeuten, aber alles Geld, das sie ausgegeben haben, wurde zugleich in England Einnahme, um die Maschinen zu bezahlen, die sie unmittelbar gebrauchten, oder die Waren, die nach den Orten gesandt waren, an denen die Maschinen arbeiten sollten. Solange dieser seltsame Handel angedauert hat, in dem die Engländer von den Amerikanern nur verlangten, daß sie mit dem englischen Kapital englische Waren kauften, schien der Gang der englischen Manufakturen glänzend zu sein. Nicht mehr das Einkommen, sondern das englische Kapital hat den Verbrauch bewirkt, die Engländer, die ihre eigenen Waren, die sie nach Amerika schickten, selbst kauften und bezahlten, haben sich nur das Vergnügen entzogen, sie selbst zu genießen."245 Sismondi zieht daraus den ihm eigenen Schluß, daß nur das Einkommen, d.h. die persönliche Konsumtion, die wirkliche Schranke für den kapitalistischen Absatz bilde, und benutzt auch dieses Beispiel, um ein übriges Mal vor der Akkumulation zu warnen.

      In Wirklichkeit ist der Vorgang, der der Krise des Jahres 1825 voraufgegangen war, typisch geblieben für die Aufschwungsperiode und Expansion des Kapitals bis auf den heutigen Tag, und das "seltsame" Verhältnis bildet eine der wichtigsten Grundlagen der Kapitalakkumulation. Speziell in der Geschichte des englischen Kapitals wiederholt sich das Verhältnis regelmäßig vor jeder Krise, wie Tugan-Baranowski dies selbst durch folgende Zahlen und Tatsachen belegt. Die unmittelbare Ursache der Krise von 1836 war die Überfüllung der Märkte in den Vereinigten Staaten mit englischen Waren. Aber auch hier wurden diese Waren mit englischem Geld bezahlt. 1834 übertraf die Wareneinfuhr der Vereinigten Staaten ihre Ausfuhr um 6 Millionen Dollar, zugleich aber übertraf die Einfuhr der Edelmetalle nach den Vereinigten Staaten die Ausfuhr fast um 16 Millionen Dollar. Noch im Krisenjahr selbst, 1836, belief sich der Überschuß der Wareneinfuhr auf 52 Millionen Dollar, und doch betrug der Überschuß der Einfuhr an Edelmetall noch 9 Millionen Dollar. Dieser Geldstrom kam, so wie der Warenstrom auch, in der Hauptsache aus England, wo Eisenbahnaktien der Vereinigten Staaten massenhaft gekauft wurden. 1835-1836 wurden in den Vereinigten Staaten 61 neue Banken mit 52 Millionen Dollar Kapital - vorwiegend englischen Ursprungs - gegründet. Also bezahlten die Engländer auch diesmal ihre Ausfuhr selbst. Genauso wurde der beispiellose industrielle Aufschwung im Norden der Vereinigten Staaten Ende der 50er Jahre, der in seinem Schlußergebnis zum Bürgerkrieg führte, mit englischem Kapital bestritten. Dieses Kapital schuf wieder in den Vereinigten Staaten den erweiterten Markt für die englische Industrie.

      Und nicht nur das englische, auch das übrige europäische Kapital beteiligte sich nach Kräften an dem "seltsamen Handel"; nach einer Äußerung Schäffles waren in den 5 Jahren 1849-1854 mindestens eine Milliarde Gulden an den verschiedenen europäischen Börsen in amerikanischen Wertpapieren angelegt. Die gleichzeitig hervorgerufene Belebung der Weltindustrie mündete auch in den Weltkrach 1857. In den 60er Jahren beeilt sich das englische Kapital, außer in den Vereinigten Staaten dasselbe Verhältnis in Asien zu schaffen. Es fließt massenhaft nach Kleinasien und nach Ostindien, unternimmt hier großartige Eisenbahnbauten - das Eisenbahnnetz Britisch-Indiens betrug 1860 1.350, 1870 7.683, 1880 14.977, 1890 27.000 Kilometer -, daraus ergibt sich sofort eine gesteigerte Nachfrage nach englischen Waten. Aber gleichzeitig strömt das englische Kapital, kaum daß der Sezessionskrieg beendet war, wieder nach den Vereinigten Staaten. Der enorme Eisenbahnbau der amerikanischen Union in den 60er und 70er Jahren - das Eisenbahnnetz betrug 1850 14.151, 1860 49.292, 1870 85.139, 1880 150.717, 1890 268.409 Kilometer - wurde wiederum in der Hauptsache mit englischem Kapital bestritten. Zugleich bezogen aber diese Eisenbahnen ihr Material gleichfalls aus England, was eine der Hauptursachen der sprunghaften Entwicklung der englischen Kohlen- und Eisenindustrie und der Erschütterung dieser Zweige durch die amerikanischen Krisen 1866, 1873, 1884 war. Hier stimmte es also wörtlich, was Sismondi als ein augenscheinlicher Wahnwitz erschien: Die Engländer errichteten in den Vereinigten Staaten mit eigenem Eisen und sonstigem Material die Eisenbahnen, zahlten sich mit eigenem Kapital dafür und enthielten sich nur des "Genusses" dieser Eisenbahnen. Dieser Wahnwitz mundete jedoch dem europäischen Kapital trotz aller periodischen Krisen so gut, daß um die Mitte der 70er Jahre die Londoner Börse von einem förmlichen Fieber nach ausländischen Anleihen erfaßt wurde. 1870-1875 wurden in London solcher Anleihen für 260 Millionen Pfund Sterling aufgenommen - ihre unmittelbare Folge war eine rasch steigende Ausfuhr englischer Waren nach den exotischen Ländern; das Kapital floß massenhaft dahin, obgleich diese exotischen Staaten zeitweise bankrott wurden. Ende der 70er Jahre haben die Zinsenzahlung ganz oder teilweise eingestellt: die Türkei, Ägypten, Griechenland, Bolivien, Costa Rica, Ecuador, Honduras, Mexiko, Paraguay, Peru, St. Domingo, Uruguay, Venezuela. Trotzdem wiederholt sich Ende der 80er Jahre das Fieber nach exotischen Staatsanleihen: südamerikanische Staaten, südafrikanische Kolonien nehmen gewaltige Quantitäten europäischen Kapitals auf. Die Anleihen der argentinischen Republik z.B. betrugen 1874 10 Millionen Pfund Sterling, 1890 59,1 Millionen Pfund Sterling.

      Auch hier baut England Eisenbahnen mit eigenem Eisen und eigener Kohle und bezahlt dafür mit eigenem Kapital. Das argentinische Eisenbahnnetz betrug 1883 3.123 Kilometer, 1893 13.691 Kilometer.

      Zugleich stieg die englische Ausfuhr in

1886 1890
Eisen 21,8 Mill. Pfd.Sterl. 31,6 Mill. Pfd.Sterl.
Maschinen 10,1 Mill. Pfd.Sterl. 16,4 Mill. Pfd.Sterl.
Kohle 9,8 Mill. Pfd.Sterl. 19,0 Mill. Pfd.Sterl.

      Speziell nach Argentinien belief sich die englische Gesamtausfuhr 1885 auf 4,7 Millionen Pfund Sterling, vier Jahre später schon auf 10,7 Millionen Pfund Sterling.

      Gleichzeitig fließt das englische Kapital vermittelst Staatsanleihen nach Australien. Die Anleihen der 3 Kolonien Victoria, Neusüdwales und Tasmania betrugen Ende der 80er Jahre 112 Millionen Pfund Sterling, davon wurden 81 Millionen im Eisenbahnbau angelegt. Die Eisenbahnen Australiens umfaßten 1880 4.900 Meilen, 1895 15.600 Meilen.

      Auch hier lieferte England zugleich das Kapital und die Materialien zum Bau der Eisenbahnen. Deshalb wurde es auch mitgerissen in den Strudel durch die Krisen 1890 in Argentinien, Transvaal, Mexiko, Uruguay wie 1893 in Australien.

      In den letzten zwei Jahrzehnten ist in dieser Beziehung nur der Unterschied eingetreten, daß neben englischem sich in hervorragendem Maße deutsches, französisches und belgisches Kapital in auswärtigen Anlagen und insbesondere in Anleihen betätigt. Der Eisenbahnbau in Kleinasien wurde seit den 50er und bis Ende der 80er Jahre vom englischen Kapital ausgeführt. Seitdem hat sich das deutsche Kapital Kleinasiens bemächtigt und führt den großen Plan der Anatolischen und der Bagdadbahn aus.

      Die Anlage des deutschen Kapitals in der Türkei ruft eine gesteigerte Ausfuhr deutscher Waren nach diesem Lande hervor.

      Die deutsche Ausfuhr nach der Türkei betrug 1896 28 Millionen Mark, 1911 113 Millionen Mark, speziell nach der asiatischen Türkei 1901 12 Millionen, 1911 37 Millionen


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