Gesammelte Werke (Über 150 Titel in einem Band). Rosa Luxemburg

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Gesammelte Werke (Über 150 Titel in einem Band) - Rosa Luxemburg


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Dollar gewachsen.240 Die allgemeine Steigerung der Preise für Bodenprodukte hätte dem Farmer anscheinend auf einen grünen Zweig verhelfen sollen. Trotzdem sehen wir, daß die Zahl der Pächter unter den Farmern noch rascher wächst als die Zahl der Farmer im ganzen. Die Pächter bildeten im Verhältnis zur Gesamtzahl der Farmer der Union

1880 25,5%
1890 28,4%
1900 35,3%
1910 37,2%

      Trotz der Steigerung der Preise für Bodenprodukte machen die Farmereigentümer relativ immer mehr den Pächtern Platz. Diese aber, die jetzt schon weit über ein Drittel aller Farmer der Union darstellen, sind in den Vereinigten Staaten die unseren europäischen Landarbeitern entsprechende Schicht, die richtigen Lohnsklaven des Kapitals, das beständig fluktuierende Element, das unter äußerster Anspannung der Kräfte für das Kapital Reichtümer schafft, ohne für sich selbst etwas anderes als eine elende und unsichere Existenz herausschlagen zu können.

      Derselbe Prozeß in einem ganz anderen historischen Rahmen - in Südafrika - zeigt noch deutlicher die "friedlichen Methoden" des kapitalistischen Wettbewerbs mit dem kleinen Warenproduzenten.

      Bis zu den 60er Jahren des vorigen Jahrhunderts herrschten in der Kapkolonie und in den Burenrepubliken rein bäuerliche Verhältnisse. Die Buren führten lange Zeit das Leben nomadisierender Viehzüchter, indem sie den Hottentotten und Kaffern die besten Weideplätze wegnahmen, sie selbst nach Kräften ausrotteten oder verdrängten. Im 18. Jahrhundert leistete ihnen die von den Schiffen der Ostindischen Kompanie verschleppte Pest treffliche Dienste, indem sie wiederholt ganze Hottentottenstämme dahinraffte und so für die holländischen Einwanderer den Boden frei machte. Durch ihre Ausbreitung nach dem Osten prallten sie mit den Bantustämmen zusammen und eröffneten die lange Periode der furchtbaren Kaffernkriege. Die frommen und bibelfesten Holländer, die sich auf ihre altmodische puritanische Sittenstrenge und ihre Kenntnis des Alten Testaments als "auserwähltes Volk" nicht wenig zugute taten, begnügten sich jedoch nicht mit dem Raub der Ländereien der Eingeborenen, sondern sie richteten ihre bäuerliche Wirtschaft wie Parasiten auf eiern Rücken der Neger ein, die sie zur Sklavenarbeit für sich zwangen und zu diesem Behufe systematisch und zielbewußt korrumpierten und entnervten. Der Branntwein spielte dabei eine so wesentliche Rolle, daß das Branntweinverbot der englischen Regierung in der Kapkolonie an dem Widerstand der Puritaner scheiterte. Im allgemeinen blieb die Wirtschaft der Buren bis in die 60er Jahre vorwiegend patriarchalisch und naturalwirtschaftlich. Wurde doch erst 1859 die erste Eisenbahn in Südafrika gebaut. Der patriarchalische Charakter verhinderte freilich keineswegs die äußerste Härte und Roheit der Buren. Livingstone beklagte sich bekanntlich viel mehr über die Buren als über die Kaffern. Die Neger schienen ihnen ein so von Gott und Natur zur Sklavenarbeit für sie bestimmtes Objekt, eine so unentbehrliche Grundlage der Bauernwirtschaft zu sein, daß sie die Aufhebung der Sklaverei in den englischen Kolonien im Jahre 1836, trotz der Abfindung der Eigentümer hier mit 3 Millionen Pfund Sterling, mit dem "großen Treck" beantworteten. Die Buren wanderten aus der Kapkolonie über den Oranje und Vaal aus, trieben dabei die Matabeles nach Norden über den Limpopo und hetzten sie den Makalakas auf den Hals. Wie der amerikanische Farmer unter den Streichen der Kapitalswirtschaft die Indianer vor sich her nach dem Westen, so trieb der Bur die Neger nach dem Norden. Die "freien Republiken" zwischen Oranje und Limpopo entstanden so als Protest gegen den Anschlag der englischen Bourgeoisie auf das geheiligte Recht der Sklaverei. Die winzigen Bauernrepubliken lagen im ständigen Guerillakrieg mit den Bantunegern. Auf dem Rücken der Neger wurde nun der jahrzehntelange Kampf zwischen den Buren und der englischen Regierung ausgefochten. Als Vorwand zum Konflikt zwischen England und den Republiken diente die Negerfrage, nämlich die angeblich von der englischen Bourgeoisie angestrebte Emanzipation der Neger. In Wirklichkeit traten hier die Bauernwirtschaft und die großkapitalistische Kolonialpolitik in Konkurrenzkampf miteinander um die Hottentotten und Kaffern, d.h. um ihr Land und ihre Arbeitskraft. Das Ziel beider Konkurrenten war genau dasselbe: Niederwerfung, Verdrängung oder Ausrottung der Farbigen, Zerstörung ihrer sozialen Organisation, Aneignung ihres Grund und Bodens und Erzwingung ihrer Arbeit im Dienste der Ausbeutung. Nur die Methoden waren grundverschieden. Die Buren vertraten die veraltete Sklaverei im kleinen als Grundlage einer patriarchalischen Bauernwirtschaft, die englische Bourgeoisie - die moderne großangelegte kapitalistische Ausbeutung des Landes und der Eingeborenen. Das Grundgesetz der Transvaalrepublik erklärte mit bornierter Schroffheit: "Das Volk duldet keine Gleichheit zwischen Weißen und Schwarzen weder im Staat noch in der Kirche." In Oranje und in Transvaal durfte kein Neger Land besitzen und ohne Paß reisen oder sich bei Dunkelheit auf der Straße sehen lassen. Bryce erzählt einen Fall, wo ein Bauer (und zwar ein Engländer) im östlichen Kapland seinen Kaffer zu Tode gepeitscht hatte. Als der Bauer, vor Gericht gestellt, freigesprochen wurde, brachten ihn seine Nachbarn mit Musik nach Haus. Häufig suchten sich die Weißen auch der Löhnung an freie eingeborene Arbeiter dadurch zu entziehen, daß sie sie nach getaner Arbeit durch Mißhandlungen zur Flucht zwangen.

      Die englische Regierung befolgte die gerade entgegengesetzte Taktik. Sie trat lange Zeit als die Beschützerin der Eingeborenen auf, umschmeichelte namentlich die Häuptlinge, stützte ihre Autorität und suchte ihnen das Recht der Disposition über Ländereien zu oktroyieren. Ja, sie machte die Häuptlinge, soweit es ging, nach bewährter Methode zu Eigentümern des Stammlandes, obwohl dies dem Herkommen und den tatsächlichen sozialen Verhältnissen der Neger ins Gesicht schlug. Das Land war nämlich bei sämtlichen Stämmen Gemeineigentum, und selbst die grausamsten, despotischsten Herrscher, wie der Matabelehäuptling Lobengula, hatten nur das Recht und die Pflicht, jeder Familie eine Parzelle zum Anbau anzuweisen, die auch nur so lange im Besitze der Familie blieb, wie sie tatsächlich bearbeitet wurde. Der Endzweck der englischen Politik war klar: Sie bereitete von langer Hand den Landraub im großen Stil vor, wobei sie die Häuptlinge der Eingeborenen selbst zu ihren Werkzeugen machte. Vorerst beschränkte sie sich auf die "Pazifizierung" der Neger durch große militärische Aktionen. Neun blutige Kaffernkriege wurden bis 1879 durchgeführt, um den Widerstand der Bantus zu brechen.

      Offen und mit aller Energie rückte das englische Kapital mit seinen eigentlichen Absichten erst heraus, als zwei wichtige Ereignisse: die Entdeckung der Diamantfelder Kimberleys 1867/70 und die Entdeckung der Goldminen Transvaals 1882/83 eine neue Epoche in der Geschichte Südafrikas eröffneten. Bald trat die Britisch-Südafrikanische Gesellschaft, d.h. Cecil Rhodes in Aktion. In der öffentlichen Meinung Englands vollzog sich ein rapider Umschwung. Die Gier nach den südafrikanischen Schätzen trieb die englische Regierung zu energischen Schritten an. Keine Kosten und keine Blutopfer schienen der englischen Bourgeoisie zu groß, um sich der Länder in Südafrika zu bemächtigen. Hierher ergoß sich plötzlich ein gewaltiger Strom der Einwanderung. Bis dahin war sie gering; die Vereinigten Staaten lenkten die europäische Emigration von Afrika ab. Seit den Entdeckungen der Diamant- und Goldfelder wuchs die Anzahl der Weißen in den südafrikanischen Kolonien sprunghaft: 1885-1895 waren 100.000 Engländer am Witwatersrand allein eingewandert. Die bescheidene Bauernwirtschaft wurde nun in den Hintergrund geschoben, der Bergbau rückte an die erste Stelle und mit ihm das Grubenkapital.


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