Gesammelte Werke (Über 150 Titel in einem Band). Rosa Luxemburg

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Gesammelte Werke (Über 150 Titel in einem Band) - Rosa Luxemburg


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Wo sind nur die Anstalten, z.B. auf dem laufenden gehaltene statistische Büros, um ihnen dabei behilflich zu sein? Aber was schlimmer ist, der einzige Fühler des Marktes ist der Preis, sein Steigen und Fallen. Aber er ist nicht wie ein Barometer, das die Temperatur des Marktes vorhersagt, sondern wie ein Thermometer, das sie nur mißt. Fällt der Preis, so ist schon die Grenze überschritten und das Übel bereits da."115 Diese zweifellos gegen Sismondi gerichtete Polemik zeigt, daß zwischen beiden in der Auffassung der Krisen sehr wesentliche Unterschiede lagen; wenn deshalb Engels im "Anti-Dühring" sagt, die Erklärung der Krisen aus Unterkonsumtion rühre von Sismondi her und von diesem habe sie Rodbertus entlehnt, so ist das, streng genommen, nicht genau. Gemeinsam ist Rodbertus wie Sismondi nur die Opposition gegen die klassische Schule sowie die Erklärung der Krisen im allgemeinen aus der Verteilung des Einkommens. Aber auch hier folgt Rodbertus seiner eigenen Privatschrulle. Nicht die Niedrigkeit des Einkommens der Arbeitermasse bewirke die Überproduktionen und auch nicht die beschränkte Konsumtionsfähigkeit der Kapitalisten, wie bei Sismondi, sondern lediglich die Tatsache, daß das Einkommen der Arbeiter mit dem Fortschritt der Produktivität einen immer geringeren Teil des Produktenwertes darstellt. Rodbertus weist seinem Widerpart ausdrücklich nach, daß nicht aus der Geringfügigkeit der Anteile der arbeitenden Klassen Absatzstockungen entspringen: "Stellen Sie sich", belehrt er v. Kirchmann, "diese Anteile so klein vor, daß die Berechtigten nur das nackte Leben dabei haben, halten Sie die Anteile aber nur in der Quote, die sie am Nationalprodukt einnehmen, fest, und lassen Sie dann die Produktivität zunehmen, so haben Sie auch das feste Wertgefäß, das einen immer größeren Inhalt aufzunehmen imstande ist, so haben Sie den immer zunehmenden Wohlstand auch der arbeitenden Klassen ... Umgekehrt stellen Sie sich die Anteile der arbeitenden Klassen so groß vor, wie Sie wollen, lassen Sie sie aber unter der Zunahme der Produktivität zu einer immer kleineren Quote des Nationalprodukts herabsinken, so werden diese Anteile zwar bis dahin, daß sie auf ihre heutige Geringfügigkeit zurückgebracht sind, immer noch vor übergroßer Entbehrung schützen, denn ihr Produktinhalt wird noch immer bedeutend größer als heute sein, aber sie werden dennoch sofort, als sie zu sinken beginnen, jene zu unsern Handelskrisen sich steigernde Unbefriedigung nach sich ziehen, die ohne Verschulden der Kapitalisten ja nur deshalb eintritt, weil die Kapitalisten den Umfang ihrer Produktion nach der gegebenen Größe der Anteile einrichteten."116

      Also die "fallende Lohnquote" ist die eigentliche Ursache der Krisen und das einzig wirksame Mittel gegen sie - die gesetzliche Bestimmung, wonach der Anteil der Arbeiter am Nationalprodukt eine feste und unabänderliche Quote darstellt. Man muß sich in diesen bizarren Einfall gut hineindenken, um seinen ökonomischen Inhalt nach Gebühr zu würdigen.

      Siebzehntes Kapitel.

       Rodbertus' Analyse der Reproduktion

       Inhaltsverzeichnis

      Demnach haben wir uns die Krisen folgendermaßen zu erklären: Das Nationalprodukt besteht aus einer Anzahl "ordinärer Waren", wie v. Kirchmann sagt, für die Arbeiter und feinerer Waren für die Kapitalisten. Die Menge jener wird durch die Summe der Löhne, dieser durch den Gesamtmehrwert dargestellt. Richten sich die Kapitalisten bei ihrer Produktion danach ein und schreitet dabei die Produktivität fort, so muß sich schon im nächsten Augenblick ein Mißverhältnis herausstellen. Denn der Anteil der Arbeiter von heute ist nicht mehr der von gestern, sondern geringer; bildete gestern die Nachfrage nach "ordinären Waren", sagen wir, sechs Siebentel des Nationalprodukts, so bildet sie heute nur noch fünf Siebentel, und die Unternehmer, die sich auf sechs Siebentel "ordinärer Waren" eingerichtet haben, werden zu ihrer schmerzlichen Überraschung konstatieren müssen, daß sie um ein Siebentel deren zuviel hergestellt haben. Wollen sie aber, durch diese Erfahrung gewitzigt, morgen ihre Produktion so einrichten, daß sie nur fünf Siebentel des gesamten Wertes des Nationalprodukts in ordinären Waren herstellen, so laufen sie damit nur einer neuen Enttäuschung in die Arme, denn übermorgen wird der Lohnanteil am Nationalprodukt sicher nur noch vier Siebentel darstellen usw.


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