Deutsche Geschichte. Ricarda Huch

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Deutsche Geschichte - Ricarda Huch


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und des­sen Nach­fol­ger Ho­no­ri­us gut zu stel­len, in­dem er förm­lich ver­sprach, ers­tens sein Kö­nig­reich Si­zi­li­en nicht mit dem Rei­che zu ver­ei­ni­gen, son­dern es, so­wie er Kai­ser ge­wor­den wäre, sei­nem Soh­ne Hein­rich zu über­ge­ben, zwei­tens einen Kreuz­zug zu un­ter­neh­men. Nach­dem er im Jah­re 1219 zum Kai­ser ge­krönt war, blie­ben bei­de Ver­spre­chun­gen un­er­füllt. Die Vor­wür­fe des Paps­tes gab er zu­rück, in­dem er sag­te, dass Ho­no­ri­us schlecht qua­li­fi­zier­te nie­de­re Leu­te als Kreuz­zugs­pre­di­ger nach Deutsch­land schi­cke. Als Gre­gor Papst wur­de, ver­fin­gen die Aus­flüch­te nicht mehr. Fried­rich sol­le, sag­te er, sich von den Lüs­ten der Welt ab­keh­ren, dem Himm­li­schen zu. Ihm sei eine drei­fa­che Kro­ne ver­lie­hen: von Deutsch­land, der Mut­ter, er­hal­te er die Gna­den­kro­ne durch die freie Wahl der Fürs­ten, von der Lom­bar­dei, der Stief­mut­ter, die Kro­ne der Ge­rech­tig­keit, vom Paps­te, dem Va­ter, die Kro­ne des Ruh­mes, die ihm den Vor­rang vor al­len Ge­wal­ten der Welt gebe und das Reich mit Chris­tus, der eben­falls mit ei­nem drei­fa­chen Dia­dem ge­krönt sei. Kei­nen ge­rin­gen Rang ge­stand Gre­gor sei­nem Geg­ner mit die­sem pracht­vol­len Bil­de zu; er dach­te groß ge­nug, sich mit ei­nem Eben­bür­ti­gen mes­sen zu wol­len. Im Spät­som­mer des­sel­ben Jah­res schiff­te sich Fried­rich, um den Kreuz­zug an­zu­tre­ten, in Brin­di­si ein; aber plötz­lich wur­de er krank, wie er sag­te, und muss­te zu­rück­blei­ben. Das ent­fach­te den Streit von Neu­em. Ohne Un­ter­su­chung setz­te Gre­gor vor­aus, dass die Krank­heit des Kai­sers vor­ge­täuscht sei, und ex­kom­mu­ni­zier­te ihn, sich dar­auf stüt­zend, dass der Kai­ser selbst sich dem Bann ver­fal­len er­klärt hät­te, wenn er sein Ver­spre­chen nicht er­fül­len soll­te. Fried­rich be­ant­wor­te­te den An­griff da­mit, dass er al­len Kle­ri­kern, Or­dens- und Welt­geist­li­chen in Si­zi­li­en be­fahl, den Got­tes­dienst wie im­mer ab­zu­hal­ten, wid­ri­gen­falls er ihre Gü­ter ein­zie­hen wür­de, und dass er die an­ge­se­hens­ten rö­mi­schen Fa­mi­li­en zu sei­nen Va­sal­len mach­te, in­dem er ih­nen ihre Gü­ter ab­kauf­te und sie da­mit be­lehn­te. Dann un­ter­nahm er die Kreuz­fahrt und er­rang einen über alle Er­war­tung glän­zen­den Er­folg. Ohne Kampf, durch per­sön­li­ches Ver­han­deln und klu­ges Ein­ge­hen auf die Ei­gen­art der Sa­ra­ze­nen be­wirk­te Fried­rich, dass der Sul­tan ihm Je­ru­sa­lem, Beth­le­hem, Na­za­reth, die hoch­hei­li­gen Orte Pa­läs­tinas, dazu Ty­rus und Si­don über­ließ; ein­zig der Tem­pel des Herrn in Je­ru­sa­lem soll­te un­ter sa­ra­ze­ni­scher Be­wa­chung blei­ben, weil die Sa­ra­ze­nen dort zu be­ten pfleg­ten, aber den Chris­ten soll­te frei­er Zu­tritt zur Ver­rich­tung ih­rer An­dacht ge­währt sein. Ver­schie­de­ne an­de­re Ver­güns­ti­gun­gen ka­men dazu. Es war ein Er­folg, der ei­nem Wun­der glich und wie ein Got­tes­ur­teil zu­guns­ten des Kai­sers er­schi­en. Trotz­dem be­herrsch­te Fried­rich sich so weit, dass er sich zwar die Kro­ne in Je­ru­sa­lem auf­setz­te, aber einen Got­tes­dienst, weil er ge­bannt war, nicht ab­hal­ten ließ. Dass gleich dar­auf Ge­sand­te des Paps­tes er­schie­nen und in sei­nem Na­men die hei­li­gen Stät­ten mit dem In­ter­dikt be­leg­ten, hob das An­se­hen des Kai­sers; denn wäh­rend die­ser den Chris­ten des Hei­li­gen Lan­des Frie­den und Recht brach­te, stör­te je­ner den Frie­den und das Ge­bet. Die Tat­sa­che, dass der Kai­ser, der das Hei­li­ge Land ge­wann, vom Papst ge­bannt war, ließ nicht nur in Deutsch­land, son­dern auch in ei­nem Teil des Aus­lan­des den Kai­ser als einen Gläu­bi­gen, den Papst als einen Frie­dens­bre­cher er­schei­nen.

      Dass Fried­rich eine so maß­vol­le Hal­tung be­wahr­te, war Ver­dienst des Deutschor­dens­meis­ters Her­mann von Salza, dem dar­an lag, die bei­den Häup­ter der Chris­ten­heit in ein gu­tes Ver­hält­nis zu brin­gen. Auf sei­nen Rat hör­te der Kai­ser wie sonst auf we­nig Men­schen, weil er ihn ach­te­te und fühl­te, dass er im­mer das je­weils Bes­te woll­te. Von dem nicht größ­ten, aber in­ter­essan­tes­ten al­ler Kai­ser ist wie vom Ze­bra schwer zu sa­gen, wel­ches die Grund­far­be sei­nes Cha­rak­ters war. Er war nicht, wie sein Groß­va­ter Fried­rich Bar­ba­ros­sa, der al­lem und al­len ge­gen­über un­er­schüt­ter­lich der glei­che war, aus Hei­ter­keit und Zorn im­mer wie­der in das Gleich­ge­wicht ru­hi­gen Erns­tes über­ge­hend. Fried­rich II. lieb­te es, mit den Din­gen zu spie­len, es gab nichts, was sei­ne ita­lie­ni­sche Skep­sis nicht be­nag­te; aber er selbst woll­te sehr ernst ge­nom­men sein, und das ge­hei­lig­te Fun­da­ment, auf das er sich stell­te, durf­te nicht an­ge­tas­tet wer­den. Er er­laub­te sich ke­cke Scher­ze über christ­li­che Glau­bens­sät­ze, be­ton­te aber zu­gleich sei­ne Recht­gläu­big­keit, ver­folg­te die Ket­zer und führ­te die Spra­che des bi­bel­fes­ten Be­ken­ners im wit­zi­gen Mun­de. Sein schar­fer Ver­stand durch­drang Din­ge und Men­schen, durch­schau­te alle Falsch­hei­ten und sah hin­ter hoch­tra­ben­den An­kün­di­gun­gen die nied­ri­gen Ab­sich­ten; das gab ihm ein Ge­fühl der Über­le­gen­heit und ließ ihn die Men­schen ver­ach­ten. Vor nichts hat­te er Ehr­furcht au­ßer vor sei­ner kai­ser­li­chen Wür­de. Er er­mahn­te sei­nen Sohn Kon­rad, eif­rig zu stu­die­ren, da­mit er tüch­tig und wei­se wer­de. Denn die Kö­ni­ge, schrieb er ihm, wer­den ge­bo­ren wie die üb­ri­gen Men­schen und ster­ben auch wie sie. Sie hör­ten auf, Kö­ni­ge zu sein, wenn sie die kö­nig­li­che Weis­heit ver­gä­ßen und sich von Pri­vat­in­ter­es­sen be­herr­schen lie­ßen. Dann aber sprach er von dem ed­len Blut der Fürs­ten, dem ein fei­ner und ed­ler Geist ein­ge­gos­sen sei, und er pfleg­te vom Blut der Stau­fer als vom Reichs­ge­blüt oder dem Blut der Gött­li­chen zu spre­chen. Sol­che Aus­füh­run­gen wa­ren zu­wei­len ein Re­de­prunk, den er für an­ge­mes­sen hielt und über den er in man­chen Au­gen­bli­cken viel­leicht lach­te, da er wirk­lich über­zeugt war, dass Kö­ni­ge Men­schen wä­ren wie alle Men­schen; zu­gleich aber fühl­te er sich hoch über al­len Men­schen so­wohl durch sei­ne Ab­kunft wie durch sei­ne Be­ga­bung und Per­sön­lich­keit. Er hat­te zu sei­nem küh­len Ver­stan­de und nüch­ter­nen Scharf­blick die Ve­he­menz des Ge­nies und das schmerz­lich se­li­ge Selbst­be­wusst­sein des Letz­ten ei­ner be­deu­ten­den Fa­mi­lie. Auch sei­ne äu­ßer­li­che Er­schei­nung war nicht ein­fach: man rühm­te sein schö­nes Ge­sicht und sein kö­nig­li­ches Auf­tre­ten, aber sei­ne Kurz­sich­tig­keit und früh ein­tre­ten­de Kahl­köp­fig­keit ver­an­lass­ten einen Ara­ber zu der Be­mer­kung, als Skla­ve wür­de er nicht viel ge­gol­ten ha­ben. Da er das Schil­lern­de sei­nes We­sens und das Viel­fach­ge­schlif­fe­ne sei­nes Geis­tes emp­fand, lieb­te er die schlich­ten, fest­ge­grün­de­ten, ein­fa­chen Men­schen wie Her­mann von Salza und Land­graf Lud­wig den Hei­li­gen von Thü­rin­gen; die­sen hat­te er durch Her­manns Ver­mitt­lung ken­nen­ge­lernt. Auch dar­in war er ita­lie­nisch, dass ihm Freund­schaft der Män­ner mehr galt als Lie­be der Frau­en. Er war vier­mal ver­hei­ra­tet und hat­te Lie­bes­ver­hält­nis­se mit meh­re­ren Frau­en, ohne dass eine je­mals Ein­fluss auf ihn ge­habt zu ha­ben scheint. Die Söh­ne, die aus den flüch­ti­gen Ver­bin­dun­gen her­vor­gin­gen, lieb­te er mehr als die recht­mä­ßi­gen. Auch die Na­he­ste­hen­den sah er zu­wei­len mit den Schlan­gen­au­gen an, die sei­ne Fein­de ihm zu­schrie­ben, voll bö­ser Käl­te, und doch konn­te er rück­halt­los ver­trau­en und warm­her­zi­ge edle Män­ner an sich fes­seln.

      Her­mann von Salza ver­stand den schwer zu durch­drin­gen­den ita­lie­ni­sier­ten Stau­fer in sei­ner Grö­ße und wuss­te ihn an­de­ren ver­ständ­lich zu ma­chen. Ihm haupt­säch­lich mag es zu ver­dan­ken ge­we­sen sein, dass eine Ver­söh­nung zwi­schen Papst und Kai­ser statt­fand


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