Deutsche Geschichte. Ricarda Huch

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Deutsche Geschichte - Ricarda Huch


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etwa gar der Stra­fe für be­gan­ge­ne Ver­bre­chen zu ent­zie­hen; nur we­ni­ge, mei­nen sie, sei­en er­füllt von dem Dran­ge, ihr Le­ben für die Be­frei­ung des Hei­li­gen Gra­bes ein­zu­set­zen. Den­noch ist ge­wiss, dass die Be­frei­ung und Erobe­rung des Gra­bes Chris­ti ein mäch­ti­ger Im­puls für vie­le war. Wie wer es ir­gend ver­moch­te, nach Je­ru­sa­lem pil­ger­te, um die Orte zu se­hen und die Erde zu be­rüh­ren, wo des Hei­lands Füße ge­stan­den, in der Mei­nung, sich durch sol­che Wall­fahrt zu ent­sün­di­gen, sich dem Him­mel um ei­ni­ge Stu­fen zu nä­hern, so emp­fand man auch die Schmach, das höchs­te christ­li­che Hei­lig­tum im Be­sitz der Hei­den zu wis­sen. Ließ man doch die Fah­ne nicht in der Hand des Fein­des; wie viel we­ni­ger woll­te man ihm die Hei­mat und das Grab des­je­ni­gen über­las­sen, zu dem je­der als zu sei­nem Herrn und Hei­land die le­ben­digs­te Be­zie­hung hat­te. Wenn sich dies Mo­tiv auch mit der un­ge­mei­nen Rei­se­lust des Mit­tel­al­ters und an­de­ren Ab­sich­ten ver­schie­de­ner Art ver­misch­te, so war es doch im­mer ein all­ver­ständ­li­cher, an seit der Kind­heit ge­heg­te An­schau­un­gen rüh­ren­der An­klang.

      Von den Päps­ten, zu­erst von Ur­ban II., ging die Idee der Kreuz­zü­ge aus, wie ih­nen ja auch die Auf­ga­be, das Chris­ten­tum über die gan­ze Erde zu ver­brei­ten, haupt­säch­lich zu­stand; gra­de das Hei­li­ge Land, der Chris­ten­heit so denk­wür­dig, den Ungläu­bi­gen zu ent­rei­ßen, muss­te ih­nen am Her­zen lie­gen. Die Kai­ser, die das Schwert für den Papst führ­ten und sei­nen Wel­t­herr­schafts­ge­dan­ken teil­ten, wä­ren vor al­len be­ru­fen ge­we­sen, sich an die Spit­ze der gott­ge­weih­ten Heer­fahrt zu stel­len; al­lein erst Fried­rich Bar­ba­ros­sa hat das er­fasst und groß­ar­tig, wie es sei­ne Art war, ins Werk ge­setzt.

      Als Sala­din in­fol­ge sei­nes Sie­ges bei Hit­tim Je­ru­sa­lem er­obert hat­te, und Papst Gre­gor VIII. zur Wie­de­r­er­obe­rung des Hei­li­gen Lan­des auf­for­der­te, mach­te das Wort des päpst­li­chen Ge­sand­ten auf dem Hof­ta­ge zu Straß­burg all­ge­mein tie­fen Ein­druck, der Kai­ser selbst aber nahm das Kreuz erst, nach­dem sein Streit mit dem Erz­bi­schof von Köln bei­ge­legt war, und die Aner­ken­nung sei­nes Soh­nes Hein­rich durch den Papst ihm die Ge­währ bot, dass die Re­gie­rung des Rei­ches wäh­rend sei­ner Ab­we­sen­heit in star­ken Hän­den ruh­te; dann un­ter­nahm er den Kreuz­zug mit sei­ner gan­zen Ener­gie, Um­sicht und Be­son­nen­heit. Mit Un­garn wur­den Verab­re­dun­gen über die Durch­rei­se, die Er­näh­rung, die Lie­fe­rung und Prei­se von Le­bens­mit­teln ge­trof­fen, auch nach Grie­chen­land wur­den vor­be­rei­ten­de Bo­ten ge­schickt. Die Ver­sor­gung such­te er auch durch die Be­stim­mung si­cher­zu­stel­len, dass, ab­ge­se­hen von Hand­wer­kern und Knech­ten, den Zug nur mit­ma­chen soll­te, wer Geld zum An­kauf von Le­bens­mit­teln für zwei Jah­re mit­neh­men kön­ne. Für die Ord­nung im Heer wur­de durch stren­ge Vor­schrif­ten Sor­ge ge­tra­gen. Auch dar­an dach­te der Kai­ser, durch be­son­de­re Maß­nah­men die Ju­den zu schüt­zen, die ge­wöhn­lich das Op­fer der Kreuz­zugs­be­geis­te­rung wur­den.

      Die Fürs­ten­ver­samm­lung zu Mainz im März 1188, auf der der Kreuz­zug end­gül­tig be­schlos­sen wur­de, stand nach dem Wil­len des Kai­sers un­ter dem Vor­sitz des Er­lö­sers und wur­de der Reichs­tag Jesu Chris­ti ge­nannt; ein Thron­ses­sel war für den un­sicht­ba­ren Her­ren des Rei­ches, das sich so förm­lich als Got­tes­reich dar­stell­te, auf­ge­rich­tet. Der fast sieb­zig­jäh­ri­ge Kai­ser hat­te das Be­wusst­sein, mit der Er­fül­lung der höchs­ten kai­ser­li­chen Auf­ga­be sein Le­ben zu krö­nen. So viel an ihm war, tat er, da­mit die Heer­fahrt wür­dig und er­folg­reich ver­lau­fe. Die na­ment­lich in Grie­chen­land durch das Übel­wol­len von Re­gie­rung und Be­völ­ke­rung ihm be­rei­te­ten Schwie­rig­kei­ten über­wand er durch klu­ge Selbst­be­herr­schung. Die Müh­sal der Rei­se über raue Ge­bir­ge bei fort­wäh­ren­den An­grif­fen der Tür­ken be­stand sei­ne Wil­lens­kraft und sein ge­sun­der Kör­per; als er beim Ba­den im Flus­se Sa­leph er­trank, war es, wie wenn ein hö­he­rer Wil­le ihn auf dem Gip­fel sei­nes Da­seins ent­rück­te, be­vor un­ver­meid­li­che Ent­täu­schun­gen und Ver­wick­lun­gen ihn trä­fen. So wie es kam, nach­dem auch des Kai­sers Sohn, Her­zog Fried­rich von Schwa­ben, vor Ak­kon ge­stor­ben war, fiel ein tra­gi­scher Glanz auf ihn, der das Bild des al­ten Hel­den rühm­lich vollen­de­te. Al­ler­dings nicht nur Fried­richs per­sön­li­che Exis­tenz, auch der Fort­gang der ers­ten großen Un­ter­neh­mung der Deut­schen im Ori­ent, die sich so aus­sichts­reich an­ge­las­sen hat­te, war ab­ge­schnit­ten. Ein fol­gen­rei­ches Er­eig­nis je­doch knüpf­te sich an den Kreuz­zug, das war die Grün­dung des Deut­schen Or­dens un­ter den Mau­ern von Ak­kon, zu der sich deut­sche Rit­ter mit Kauf­leu­ten aus Lü­beck und Bre­men ver­ei­nig­ten. Auch in der Or­dens­grün­dung sind die Fran­zo­sen den Deut­schen vor­an­ge­gan­gen. Die spä­te­re Ver­le­gung des Deut­schen Or­dens nach Deutsch­land und sei­ne Tä­tig­keit im Os­ten stimmt in das Schick­sal und die Nei­gung der Deut­schen ein, sich Ko­lo­ni­en an den Gren­zen der Hei­mat zu schaf­fen. Die ori­en­ta­li­schen Ko­lo­ni­en: Je­ru­sa­lem, Odes­sa, An­tio­chia, Tri­po­lis sind von West­fran­ken und Nor­man­nen ge­grün­det, die Deut­schen hat­ten kei­nen Teil dar­an. Die Wir­kung, die die Be­kannt­schaft mit den Sa­ra­ze­nen und die wirt­schaft­li­chen Be­zie­hun­gen zur Le­van­te auf den Wes­ten aus­üb­te, be­traf denn auch haupt­säch­lich Frank­reich und Ita­li­en. Mit­tel­bar in­des­sen mach­te sich der wirt­schaft­li­che Auf­schwung der ita­lie­ni­schen Han­dels­städ­te, na­ment­lich durch Ve­ne­dig und Ge­nua, auch für die Süd­deut­schen gel­tend, und die Er­wei­te­rung des Ge­sichts­krei­ses, die Schär­fung des Ur­teils und die Selbs­t­er­kennt­nis, die jede Be­kannt­schaft mit frem­den Län­dern und Völ­kern zur Fol­ge hat, er­streck­te sich be­le­bend, lö­send und lo­ckernd auch auf Deutsch­land.

      Ein­zel­ne, die der Glau­bensei­fer in die sla­wi­schen Län­der trieb, wur­den meist er­schla­gen und ihr Mär­ty­rer­tum blieb wir­kungs­los, nur mit mi­li­tä­ri­scher Un­ter­stüt­zung ließ sich et­was aus­rich­ten. Drei Na­tio­nen wa­ren es, die durch Erobe­rung der sla­wi­schen Küs­ten­län­der die Ost­see er­rei­chen, wo­mög­lich be­herr­schen woll­ten: au­ßer den Dä­nen und den Deut­schen die Po­len. Durch ihre An­re­gung wur­de ei­ner der edels­ten Kir­chen­män­ner sei­ner Zeit, Bi­schof Otto von Bam­berg, zum Apos­tel der Sla­wen. Er war von Adel, aber arm, von sei­nen El­tern für den geist­li­chen Stand be­stimmt; um sei­nem Bru­der nicht zur Last zu fal­len, ging er nach Po­len, wo er we­gen Man­gels an Ge­lehr­ten bald eine Stel­lung als Leh­rer fand und sehr ge­schätzt wur­de. Doch war er, wenn er auch gern die Wer­ke der an­ti­ken Dich­ter und Phi­lo­so­phen las, nicht ei­gent­lich ein Mann der Wis­sen­schaft, aber ge­wandt in der Rede und ein gu­ter Pre­di­ger, der die sel­te­ne Kunst ver­stand, dem ein­fa­chen Vol­ke die Heils­wahr­hei­ten zu ver­mit­teln. Das An­zie­hen­de, Vor­neh­me und Wür­di­ge sei­ner Er­schei­nung wirk­te mit dazu, dass er Ge­sandt­schaf­ten bei­ge­ord­net und da­durch mit dem Kö­nig von Po­len, Wla­dis­law Her­mann, be­kannt wur­de. Sein An­teil am Zu­stan­de­kom­men der Hei­rat des­sel­ben mit Hein­richs IV. Schwes­ter Ju­dith, der Wit­we des Kö­nigs von Un­garn, mach­te sei­ne Be­zie­hun­gen zur kö­nig­li­chen Fa­mi­lie zu freund­schaft­li­chen, und sie dau­er­ten fort, nach­dem er auf den Wunsch Hein­richs IV. nach Deutsch­land zu­rück­ge­kehrt war. Hein­rich mach­te ihn erst zu sei­nem Kanz­ler, dann


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