Deutsche Geschichte. Ricarda Huch

Читать онлайн книгу.

Deutsche Geschichte - Ricarda Huch


Скачать книгу
scheint als Grund für sol­chen Ab­fall nicht zu ge­nü­gen. War in Hein­rich, der nun Schwie­ger­sohn des Kö­nigs von Eng­land und Va­ter meh­re­rer Söh­ne war, das Be­wusst­sein der Macht so an­ge­wach­sen, dass er nicht mehr er­tra­gen konn­te, einen Herrn über sich zu ha­ben? Vi­el­leicht war es wirk­lich nur das, dass er als Preis für sei­ne Hil­fe die Stadt Gos­lar ver­lang­te, die dem Kai­ser ge­hör­te, und dass die­ser sie ihm ver­sag­te. Auf die­se Stadt mit ih­rem Reich­tum an Sil­ber und Er­zen glaub­te er ein An­recht zu ha­ben, weil sie am Ran­de des Har­zes, auf säch­si­schem Ge­biet lag. Sie war ein Ge­gen­stand, der die Rau­blust ent­flam­men und einen Mann von so star­rem Cha­rak­ter so ver­blen­den konn­te, dass er selbst den Ab­grund auf­riss, der ihn ver­schlang.

      Es steht nicht fest, wo die ver­häng­nis­vol­le Be­geg­nung zwi­schen den Vet­tern statt­fand, ob in Chia­ven­na oder in Par­ten­kir­chen; der Kai­ser kam aus Ita­li­en über die Ber­ge, um die Hil­fe vom Her­zog zu er­lan­gen, die den Aus­schlag zum Sie­ge ge­ben soll­te. Man er­zählt sich, dass Fried­rich dem Her­zog zu Fü­ßen ge­fal­len sei, um ihn zum Nach­ge­ben zu be­we­gen; es er­schi­en den da­ma­li­gen Men­schen fast grau­en­voll, dass der Herr der Welt vor sei­nem Va­sal­len das Knie beug­te.

      Der Sieg der Lom­bar­den bei Le­gna­no be­deu­te­te für Fried­rich das Hin­der­nis des Schick­sals, das den ins Le­ben Stür­men­den zum An­hal­ten zwingt und zur Be­sin­nung bringt. Er war groß ge­nug, um zu ler­nen, dass er, wie hoch er auch stand, an­de­re Mäch­te müs­se gel­ten las­sen, dass er sich ver­tra­gen müs­se, wo er nicht herr­schen konn­te, und er han­del­te nach der ge­won­ne­nen Ein­sicht, ohne sei­ner Wür­de zu ver­ge­ben. Nach ei­ner furcht­ba­ren Nie­der­la­ge er­litt er kei­ne er­heb­li­che Min­de­rung sei­ner Macht, wenn er auch den lom­bar­di­schen Städ­ten die Selbst­wahl ih­rer Be­am­ten zu­ge­ste­hen muss­te, und gar kei­ne des An­se­hens. In Ve­ne­dig, wo der Frie­den im Jah­re 1177 ab­ge­schlos­sen wur­de, war er der Mit­tel­punkt der Be­wun­de­rung. Die bei­den großen Kir­chen­fürs­ten, Chris­ti­an von Mainz und Wich­mann von Mag­de­burg, hat­ten er­reicht, dass der Kon­gress nicht in Bo­lo­gna statt­fand, das dem Papst ge­hör­te, son­dern in der Re­pu­blik, zu der der Kai­ser in gu­ten Be­zie­hun­gen stand. Er un­ter­zog sich in der Mar­kus­kir­che al­len Förm­lich­kei­ten, die die Ge­le­gen­heit ver­lang­te, um dann im Palast des Pa­tri­ar­chen in deut­scher Spra­che zu er­klä­ren, dass er ge­irrt habe, in­dem er in An­ge­le­gen­hei­ten der Kir­che mehr kraft sei­ner Macht als nach den Grund­sät­zen des Rech­tes habe re­gie­ren wol­len. Chris­ti­an von Mainz, der sie­ben Spra­chen flie­ßend spre­chen konn­te, näm­lich Grie­chisch, La­tei­nisch, Apu­lisch, Lom­bar­disch, Rö­misch, Fran­zö­sisch, Bra­ban­tisch, ver­dol­metsch­te die Rede des Kai­sers. Den Schluss der Fest­lich­kei­ten bil­de­te eine Ver­samm­lung in der Mar­kus­kir­che, wo der Papst den Bann über alle die­je­ni­gen aus­sprach, die den zwi­schen der Kir­che und dem Kai­ser, dem Kai­ser und dem Kö­nig­reich Si­zi­li­en und den Lom­bar­den ge­schlos­se­nen Frie­den und Waf­fen­still­stand stö­ren soll­ten. Als er den Fluch aus­ge­spro­chen hat­te: »Und wie die­se Ker­zen aus­ge­löscht wer­den, so sol­len ihre See­len der ewi­gen An­schau­ung Got­tes be­raubt wer­den«, war­fen der Kai­ser und alle An­we­sen­den die bren­nen­den Ker­zen, die ih­nen über­reicht wor­den wa­ren, zu Bo­den, dass sie er­lo­schen. So­lan­ge Alex­an­der leb­te, blieb der Frie­de er­hal­ten. Er starb im Jah­re 1181, ein Jahr spä­ter Chris­ti­an, der große Erz­bi­schof von Mainz, der nach wie vor den Kai­ser in Ita­li­en ver­trat. Die Ent­wick­lung der Ver­hält­nis­se brach­te es mit sich, dass der schnei­di­ge Be­kämp­fer des Paps­tes als sein Be­schüt­zer en­de­te. Als die Rö­mer im Auf­stan­de ge­gen den Papst Tus­cu­lum be­la­ger­ten, wo er einst sei­nen be­rühm­ten Sieg er­foch­ten hat­te, eil­te er auf den Hil­fe­ruf des­sel­ben so­fort her­bei, und sein Name ge­nüg­te, um die An­grei­fer zu­rück­zu­schre­cken. Von ei­nem Fie­ber er­grif­fen starb er bald dar­auf, nach­dem ihn der Papst, es war Lu­ci­us III., mit den Ster­be­sa­kra­men­ten ver­se­hen hat­te. So hoch schätz­te Lu­ci­us sei­nen Ret­ter, dass er ein Rund­schrei­ben an die deut­schen Kir­chen über sei­ne Ver­diens­te und sei­nen Tod er­ließ und Be­stim­mun­gen für die Fei­er sei­nes Ge­dächt­nis­ses traf.

      Wie er einst nach ei­nem Sie­ge Ita­li­en gleich ei­nem Flüch­ten­den hat­te ver­las­sen müs­sen, so kehr­te Fried­rich nach ei­ner furcht­ba­ren Nie­der­la­ge wie ein Sie­ger nach Deutsch­land zu­rück. Er hat­te auf eine un­mit­tel­ba­re Be­herr­schung der lom­bar­di­schen Kom­mu­nen ver­zich­ten müs­sen, aber die kai­ser­li­che Ober­ho­heit und an­sehn­li­che ihr zu­ste­hen­de Ein­künf­te ge­si­chert. Sei­ne nächs­te Sor­ge be­traf das Ver­hält­nis zu Hein­rich dem Lö­wen, und zwar hat­te er durch­aus nicht im Sinn, Ra­che zu neh­men für die Un­treue sei­nes Vet­ters, die ihn so teu­er zu ste­hen ge­kom­men war, son­dern wo­mög­lich die frü­he­re Ge­mein­schaft wie­der­her­zu­stel­len. Wahr­schein­lich war er nicht frei von Er­bit­te­rung; aber er war ge­wöhnt, sei­nen per­sön­li­chen Ge­füh­len das In­ter­es­se des Reichs vor­an­zu­stel­len, viel­leicht war un­will­kür­lich in sei­ner Brust schon bei­des eins ge­wor­den. Ein ge­de­mü­tig­ter, aber im­mer noch mäch­ti­ger Her­zog von Sach­sen blieb für ihn der er­wünsch­tes­te Bun­des­ge­nos­se, die Stüt­ze des Reichs, wenn er sich als Reichs­fürst er­wei­sen woll­te. Was man von den stei­ner­nen Her­zen der Sach­sen sag­te, ließ sich auf Hein­rich an­wen­den: sein Trotz wich der Ver­stän­di­gung, die der Kai­ser such­te, aus und zwang ihn da­durch, den For­de­run­gen des Fürs­ten­bun­des nach­zu­ge­ben, der den Her­zog ver­nich­ten woll­te. Fried­rich hat­te es aus­ge­zeich­net ver­stan­den, die hoch­mü­ti­ge Adels­fa­mi­lie, die im Kai­ser den von ihr er­wähl­ten Ver­tre­ter ih­rer In­ter­es­sen sah, zu­gleich zu eh­ren und zu be­herr­schen; umso we­ni­ger konn­te er die of­fe­ne Wi­der­setz­lich­keit ei­nes der Ihren un­be­straft las­sen. Oft hat­ten sei­ne vie­len Fein­de sich ge­gen ihn lahm ge­wü­tet, so, dach­te der Her­zog, wür­de es wie­der ein­mal ge­hen; aber er muss­te er­le­ben, dass den Ge­äch­te­ten fast alle sei­ne An­hän­ger ver­lie­ßen. Un­ter den we­ni­gen, die bei ihm aus­harr­ten, war der tap­fe­re Graf Bern­hard zur Lip­pe. Als der Her­zog sich nach ver­zwei­fel­ter Ge­gen­wehr un­ter­wer­fen muss­te und un­ter kai­ser­li­chem Ge­leit nach Lü­ne­burg kam, wo der Kai­ser sich auf­hielt, sag­te er zu den Rit­tern, die ihm ent­ge­gen­ka­men: »Sonst pfleg­te ich hier­zu­lan­de von nie­man­dem Ge­leit zu er­hal­ten, son­dern an­de­ren zu ge­ben!« Nur die­ser kar­ge Aus­druck des Schmer­zes ist von dem ge­stürz­ten Lö­wen über­lie­fert. Am meis­ten ge­wann durch sei­nen Un­ter­gang der Erz­bi­schof von Köln, Phil­ipp von Hains­berg, der, kaum dass er sei­ne Beu­te in Si­cher­heit ge­bracht hat­te, zum Papst über­ging und des Kai­sers Feind wur­de. Er er­hielt die west­li­che Hälf­te Sach­sens mit al­len her­zog­li­chen Rech­ten, mit der klei­ne­ren öst­li­chen wur­de ei­ner der Söh­ne Al­brechts des Bä­ren be­lehnt.

      Bay­ern be­kam Otto von Wit­tels­bach, nach­dem die Stei­er­mark da­von ab­ge­trennt wor­den war, Hein­rich be­hielt sei­ne Ei­gen­gü­ter, Braun­schweig und Lü­ne­burg, die spä­ter Fried­rich II. mit der ehe­ma­li­gen Graf­schaft Sta­de ver­ei­nigt und zum Her­zog­tum er­ho­ben ei­nem En­kel Hein­richs übergab. Als der Kai­ser den Kreuz­zug an­trat und die säch­si­schen Fürs­ten mit Recht fürch­te­ten, Hein­rich wer­de des­sen Ab­we­sen­heit nüt­zen, um sie zu über­fal­len, schlug Fried­rich sei­nem Vet­ter vor, sich


Скачать книгу