Deutsche Geschichte. Ricarda Huch

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Deutsche Geschichte - Ricarda Huch


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Als der er­schöpf­te Kai­ser sich zu­rück­zie­hen und spei­sen woll­te, über­fie­len die Rö­mer den Papst, und er muss­te den gan­zen Tag durch kämp­fen. Am an­de­ren Mor­gen ver­ließ er, den Papst und die Kar­dinäle mit sich neh­mend, Rom, und der Papst er­teil­te de­nen, die im Kamp­fe Blut ver­gos­sen hat­ten, Ablass. Da­bei be­rief er sich auf ge­wis­se kirch­li­che Zeug­nis­se, wo­nach der Krie­ger, der, im Ge­hor­sam ge­gen sei­nen Fürs­ten, kämp­fend Blut ver­gießt, nach ir­di­schem und himm­li­schem Ge­setz kein Mör­der, son­dern ein Straf­voll­stre­cker sei.

      Eine merk­wür­di­ge Schi­ckung woll­te, dass die­ser selbst­be­wuss­te und den­noch, ob­wohl zu­wei­len hart und zu­wei­len durch Zorn und das Ge­fühl ge­kränk­ter Ma­je­stät zu grau­sa­men Hand­lun­gen be­wo­gen, maß­vol­le Kö­nig, sich dem Ein­fluss ei­nes Man­nes er­gab, der ihn auf eine ge­fähr­li­che Bahn und in dra­ma­ti­sche Ver­wick­lun­gen riss, wie sein ei­ge­ner Cha­rak­ter sie wo­mög­lich ver­mie­den hät­te. Die­ser Mann war der Kanz­ler des Reichs, Rainald, aus dem Ge­schlecht der an der We­ser be­gü­ter­ten Gra­fen von Das­sel. Be­herrsch­te er den Kai­ser, weil er so sehr von ihm ver­schie­den war? In ganz an­de­rer Art wie Fried­rich war auch er zum Herr­scher ge­bo­ren, so wie ein heid­nischer Wi­kin­ger­füh­rer, dem die Welt ge­hört, so­weit er sie er­obern kann. Fried­rich war ganz und gar Im­pe­ra­tor, sich im­mer der furcht­ba­ren Verant­wor­tung be­wusst, mit der die Kro­ne des großen Karl ihn be­las­te­te, und die nur ein streng zu­sam­men­ge­fas­s­ter Geist er­tra­gen konn­te. Rainald von Das­sel fühl­te sich nur sei­nem Ge­nie ver­ant­wort­lich. Sein Ge­nie schuf ihm ein Reich, in dem er auch das Aben­teu­er­li­che wa­gen konn­te, wenn es he­ro­isch war. Er er­kann­te die Mäch­te sei­ner Zeit wohl an, die Kir­che, den Kai­ser und sei­ne Ge­nos­sen, die Fürs­ten; aber sie ban­den sei­nen Geist nicht und kaum sei­ne Hän­de. In sei­nem Ge­fol­ge be­fand sich häu­fig ein Dich­ter, der der Nach­welt un­ter dem Na­men des Erz­poe­ten be­kannt ist. Die­sem Na­men­lo­sen, der nichts be­saß als sei­ne klang­vol­len Ver­se, mag der Kanz­ler sich mehr ver­wandt ge­fühlt ha­ben als dem Kai­ser oder ir­gend­ei­nem an­de­ren Men­schen. Der Dich­ter spiel­te ihm eine Mu­sik jen­seits al­ler Din­ge, jen­seits auch al­les des­sen, was die Kir­che lehr­te. In sei­nem per­sön­li­chen Le­ben war Rainald ta­del­los, ent­halt­sam, un­an­greif­bar; man weiß nichts von Frau­en­lie­be in sei­nem Le­ben. Er war ge­bil­det, las gern die al­ten Schrift­stel­ler, aber sein Ele­ment war das tä­ti­ge Le­ben als Staats­mann und Kriegs­mann. Wie von den Kö­ni­gen ha­ben die Zeit­ge­nos­sen von ihm über­lie­fert, dass wei­ches Blond­haar sein schö­nes ge­bräun­tes Ge­sicht um­gab; das Jahr sei­ner Ge­burt hin­ge­gen ha­ben sie nicht auf­ge­zeich­net. Man kann an­neh­men, dass er etwa 35 Jah­re alt war, als er zum ers­ten Male maß­ge­bend in der Öf­fent­lich­keit her­vor­trat.

      Das sieg­haf­te Auf­tre­ten des Kai­sers in Rom nahm den Papst mehr ge­gen als für ihn ein. Bald ent­stand ge­gen­sei­ti­ge Ver­stim­mung: Fried­rich war ent­rüs­tet, dass der Papst das Kö­nig­reich Si­zi­li­en und das Her­zog­tum Apu­li­en nebst Nea­pel, Amal­fi und Sa­ler­no ohne ihn zu fra­gen dem Nor­man­nen­her­zog Ro­ger zu Le­hen gab; der Papst nahm es übel, dass Fried­rich nichts zur Be­frei­ung des dä­ni­schen Erz­bi­schofs Es­kil von Lund tat, der in Deutsch­land ge­fan­gen­ge­nom­men war. Un­ver­se­hens kam der von bei­den Sei­ten noch zu­rück­ge­hal­te­ne Un­wil­le zu er­schre­cken­dem Aus­bruch. Der Kai­ser hat­te in zwei­ter Ehe Bea­trix von Bur­gund ge­hei­ra­tet und da­durch, dass ihr Va­ter ohne Hin­ter­las­sung von Söh­nen starb, Bur­gund und die Pro­vence er­wor­ben, ein Ge­biet, das zwar zum Reich ge­hör­te, aber mit sei­ner über­wie­gend ro­ma­ni­schen Be­völ­ke­rung sich mehr und mehr los­ge­löst hat­te. Sei­ne Ab­sicht war, es dem Rei­che wie­der en­ger an­zu­schlie­ßen, und er hielt im Jah­re 1157 in der al­ten Bi­schofs­stadt Be­sançon einen Reichs­tag ab, um die dor­ti­gen Ver­hält­nis­se zu ord­nen. Die an­ge­se­hens­ten Her­ren von Bur­gund, der Erz­bi­schof von Vi­enne, der zu­gleich Erz­kanz­ler von Bur­gund war, der Pri­mas von Lyon und an­de­re leis­te­ten be­reit­wil­lig die Hul­di­gung, wie sich über­haupt zeig­te, dass der jun­ge Kö­nig sich be­reits im gan­zen Abend­lan­de An­se­hen er­wor­ben hat­te. Auf die­ser Ta­gung er­schie­nen zwei Ab­ge­ord­ne­te des Paps­tes, Ro­land, Kar­di­nal­pries­ter von San Mar­co, und der Kar­di­nal­pries­ter von San Cle­men­te, und über­brach­ten ein Schrei­ben des Paps­tes an den Kai­ser mit Vor­wür­fen we­gen der Ge­fan­gen­nah­me des Erz­bi­schofs von Lund, die als eine schänd­li­che Un­tat von vie­hi­scher Wild­heit be­zeich­net wur­de, an der der Kai­ser da­durch, dass er sie nicht be­stra­fe, mit­schul­dig sei. Rainald las als Kanz­ler den Brief vor und ver­deutsch­te ihn. Nach­dem der Papst die Lie­bes­be­wei­se auf­ge­zählt hat­te, durch die er den Kai­ser sei­ner vä­ter­li­chen Ge­sin­nung ver­si­chert habe, kam die fol­gen­de Stel­le: »Und es reut uns auch nicht im min­des­ten, in al­lem dei­nen Wunsch und Wil­len er­füllt zu ha­ben, ja, bei dem Ge­dan­ken, was die Kir­che Got­tes und wir selbst durch dich an Vor­tei­len ge­win­nen könn­ten, wür­den wir uns mit Recht freu­en, wenn es mög­lich ge­we­sen wäre, dass dei­ne Herr­lich­keit aus un­se­rer Hand noch grö­ße­re Be­ne­fi­cia emp­fan­gen hät­te.« Das Wort Be­ne­fi­cia hät­te Rainald mit Wohl­ta­ten über­set­zen kön­nen; aber er wähl­te das Wort Le­hen. Als Fried­rich das ers­te Mal in Rom war, sah er im La­te­ran ein Bild des Kai­sers Lo­thar, wie er dem Papst den Steig­bü­gel hält, und dar­un­ter einen Vers, der be­sag­te, dass der Kai­ser Le­hens­mann des Paps­tes ge­wor­den sei und die Kro­ne von ihm emp­fan­gen habe. Er hat­te vom Papst die Zu­sa­ge ver­langt und er­hal­ten, dass das Bild mit der In­schrift ent­fernt wür­de. Dass trotz­dem in man­chen Krei­sen Roms, na­ment­lich in der Um­ge­bung des Paps­tes, die Auf­fas­sung be­stand, der Kai­ser emp­fan­ge in Rom Kai­ser­tum und Kro­ne als ein päpst­li­ches Ge­schenk, wuss­te der Kai­ser. In die­sem Sin­ne klang das Wort Be­ne­fi­cia oder Le­hen wie eine Her­aus­for­de­rung, und in den Rei­hen der an­we­sen­den Fürs­ten äu­ßer­te sich laut und hef­tig der Zorn. An­statt den Text des Brie­fes ge­schickt aus­zu­le­gen, rief ei­ner der Le­ga­ten frech in den Lärm hin­ein: »Von wem hat denn der Kai­ser sein Kai­ser­tum, wenn nicht vom Herrn Papst!«, da­mit die Be­deu­tung, die Rainald von Das­sel in das Wort ge­legt hat­te, als rich­tig zu­ge­ste­hend. Der Pfalz­graf von Bay­ern, Otto von Wit­tels­bach, ein be­son­ders treu­er und ver­dien­ter An­hän­ger des Kai­sers, zog sein Schwert, um die Be­schimp­fung des Rei­ches zu rä­chen; der Kai­ser trat so­fort schüt­zend vor die Be­droh­ten und sorg­te da­für, dass sie un­ver­letzt in ihre Her­ber­ge ge­bracht wur­den, be­fahl ih­nen aber, un­ver­züg­lich nach Rom zu­rück­zu­rei­sen. Den gan­zen Vor­gang schil­der­te der Kö­nig den Fürs­ten in ei­nem Rund­schrei­ben, das mit den Wor­ten schloss, er hof­fe, ihre Treue wer­de nicht zu­las­sen, dass die Ehre des Rei­ches, das seit der Grün­dung Roms und Ein­füh­rung des christ­li­chen Glau­bens bis auf die ge­gen­wär­ti­ge Zeit ruhm­voll be­stan­den habe, durch eine so un­er­hör­te Neue­rung und an­ma­ßen­de Über­he­bung ge­min­dert wer­de. »Ich selbst wer­de ohne Wan­ken eher in den Tod ge­hen, als un­ter un­se­rer Re­gie­rung solch einen schmach­vol­len Um­sturz dul­den.« Der Papst hoff­te, we­nigs­tens die geist­li­chen Reichs­fürs­ten auf sei­ne Sei­te zie­hen zu kön­nen; aber er muss­te er­le­ben, dass sie ein­mü­tig zum Kai­ser hiel­ten. Sie teil­ten Ha­dri­an in ei­nem ge­mein­sa­men Schrei­ben mit, der Kai­ser habe ih­nen auf ihr Er­su­chen in ge­zie­men­der Wei­se sei­nen Stand­punkt er­klärt. Zwei Rechts­quel­len gebe es für die


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