Deutsche Geschichte. Ricarda Huch

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Deutsche Geschichte - Ricarda Huch


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zu un­ter­hal­ten, so­dass er von sei­nen Le­hens­leu­ten un­ab­hän­gig wür­de. Das Bei­spiel für eine sol­che Ein­rich­tung fand er in Un­ter­ita­li­en, wo ähn­li­che Ein­rich­tun­gen aus der rö­mi­schen Zeit sich er­hal­ten hat­ten. Kaum hät­te ein der­ar­ti­ger Vor­schlag in Deutsch­land un­ter Deut­schen ge­macht wer­den kön­nen, die jede Auf­la­ge von Steu­ern als einen un­er­träg­li­chen An­griff auf die Rech­te des frei­en Man­nes be­trach­te­ten. Vi­el­leicht er­klärt sich auch dar­aus, dass die Idee des zen­tra­li­sier­ten Staa­tes sich in Ita­li­en er­hal­ten hat­te, die An­häng­lich­keit der ita­lie­ni­schen Bi­schö­fe an den Kai­ser.

      Ei­ner der nam­haf­tes­ten Ver­fech­ter des Kai­ser­rech­tes in Deutsch­land, Wal­ram von Naum­burg, such­te auch dem Papst ge­recht zu wer­den. Ei­nig­keit zwi­schen Kai­ser und Papst müs­se herr­schen, sag­te er, da bei­de über das Reich ge­setzt wä­ren, in die welt­li­che Herr­schaft aber habe der Papst sich nicht zu mi­schen. Der Kai­ser sei un­ab­setz­bar, dem Papst be­stritt er das Recht, die Un­ter­ta­nen vom Treu­eid zu lö­sen und da­durch eine Spal­tung her­bei­zu­füh­ren. Die Be­stim­mung des Paps­tes, der Nach­fol­ger Chris­ti zu sein, wur­de her­an­ge­zo­gen, um ihm das Ent­zün­den von Krie­gen zum Vor­wurf zu ma­chen.

      Die An­hän­ger des Paps­tes be­rie­fen sich auf das Recht des Vol­kes, den Kö­nig zu wäh­len, was das Recht, ihn ab­zu­set­zen, in sich schlie­ße. Der Chor­herr Ma­ne­gold von Lau­ten­bach be­leuch­te­te das Ver­nunft­ge­mä­ße die­ses Rech­tes, in­dem er dar­auf hin­wies, dass je­der Ver­stän­di­ge einen Schwei­ne­hir­ten, der die Her­de nicht hü­te­te, son­dern ver­kom­men lie­ße, mit Schimpf und Schan­de da­von­ja­gen wür­de; wie viel mehr müs­se man mit ei­nem un­taug­li­chen Kö­nig auf­räu­men. Gera­de für das Kö­nig­reich dür­fe man nicht einen be­lie­bi­gen Ty­ran­nen oder Schuft be­stel­len, son­dern einen, der durch Adel und in­ne­ren Wert her­vor­ra­ge. Durch Ty­ran­nei bre­che der Kö­nig den Ver­trag, der für sei­ne Ein­set­zung maß­ge­bend ge­we­sen sei, das Volk sei ihm kei­ne Treue mehr schul­dig.

      Ty­ran­nei und Will­kür war­fen an­de­re Bi­schö­fe dem Papst vor, wenn auch die meis­ten nicht so weit gin­gen, den Pri­mat des Paps­tes zu leug­nen. Sie hiel­ten es aber für eine un­er­hör­te Neue­rung, dass der Papst sich in die bi­schöf­li­chen Di­öze­s­an­rech­te ein­mi­schen und sie wie Knech­te ein- und ab­set­zen wol­le, wie sie über­haupt Gre­gors Theo­rie, dass der Papst durch sein Amt hei­lig und un­fehl­bar wer­de, ab­lehn­ten. In ei­ner von Hein­richs Schlach­ten kämpf­ten sech­zehn Bi­schö­fe auf sei­ner Sei­te.

      Das Selt­sa­me und Ent­schei­den­de ist nun aber, dass auch die treu­en An­hän­ger des Kai­sers vor ih­rem Tode den Frie­den mit der Kir­che such­ten, so­weit sie sich nicht schon frü­her be­kehrt hat­ten. Gera­de über die Deut­schen hat­te die Kir­che mehr Macht als der Staat. Wohl war auch die Per­son des Kö­nigs in mys­ti­sche Vor­stel­lun­gen ein­ge­taucht und über die Ebe­ne des Ir­di­schen er­ho­ben; aber sein Wal­ten ver­knüpf­te sich doch nicht so mit dem See­len­le­ben der Men­schen wie das der Kir­che, die das Kind tauf­te, dem Er­wach­se­nen das Abend­mahl, dem Ster­ben­den die letz­te Weg­zeh­rung reich­te und mit ihm be­te­te. Alle Ge­dan­ken und Ge­füh­le, die über das Ir­di­sche und All­täg­li­che hin­weg der ewi­gen Hei­mat zu­streb­ten, wa­ren mit der Kir­che ver­bun­den; die blieb un­an­ge­tas­tet, was für Vor­wür­fe auch ge­gen die Pfaf­fen er­ho­ben wer­den moch­ten. Dach­te doch der Kai­ser selbst nie­mals dar­an, das Papst­tum als sol­ches an­zu­grei­fen, war er doch viel­mehr im­mer ge­neigt, wo sich die Mög­lich­keit der Ver­söh­nung zeig­te, die Hand dazu zu bie­ten, und nie war er zu stolz, um sich vor dem rö­mi­schen Bi­schof wie vor Gott in den Staub zu wer­fen. Ob­wohl die Kai­ser sich im ein­zel­nen Fal­le das Recht nah­men, den Papst ab­zu­set­zen, strit­ten sie ihm grund­sätz­lich nie das Recht ab, von ih­nen die Ehr­furcht zu ver­lan­gen, die der Sohn dem Va­ter schul­dig ist.

      Der Tod Gre­gors VII., der fern von Rom im Schutz der Nor­man­nen starb, be­deu­te­te für Hein­rich IV. kei­ne Er­leich­te­rung; denn Gre­gors Nach­fol­ger tra­ten in sei­nen Ide­en­kreis ein, und die Bi­schof­sein­set­zung blieb eine un­lös­ba­re Streit­fra­ge. Dass es der Ku­rie ge­lang, die bei­den Söh­ne des Kö­nigs, Kon­rad und Hein­rich, nach­ein­an­der ge­gen den al­tern­den Va­ter auf­zu­het­zen, of­fen­bart die Zer­rüt­tung des sa­li­schen Hau­ses, das sei­nem Ende zu­ging. Von sei­nem Soh­ne be­kämpft und ent­thront starb der erst 55­jäh­ri­ge Kai­ser in Lüt­tich, vom dor­ti­gen Bi­schof und dem Her­zog von Loth­rin­gen mit Lie­be auf­ge­nom­men.

      Als Hein­rich IV. im Jah­re 1073 vor den Sach­sen flie­hen muss­te, als der Papst ihn ge­bannt, der Erz­bi­schof von Mainz ihn ab­ge­setzt hat­te, als er krank und ver­las­sen in La­den­burg sich auf­hielt, ka­men Bür­ger von Worms zu ihm, um ihn fei­er­lich in ihre Stadt ein­zu­ho­len. Sie ka­men in Wehr und Waf­fen, um ihm zu zei­gen, dass eine Mann­schaft vor­han­den sei, die es mit vie­len Fein­den auf­neh­men kön­ne. Hat­ten sie doch schon die bi­schöf­li­chen Krie­ger aus der Stadt ver­jagt und hät­ten sie doch auch den Bi­schof selbst ge­fan­gen­ge­nom­men, wenn er nicht ent­flo­hen wäre. Sie ge­lob­ten dem Kai­ser Treue, sie be­steu­er­ten sich selbst, um die Kriegs­kos­ten zu de­cken; ohne sein Zu­tun ge­wann er eine um­mau­er­te Stadt als Zuf­luchts­ort, ein zu­ver­läs­si­ges Heer, das Gut und Blut für ihn zu op­fern be­reit war.

      Die­sel­be Stim­mung wie in Worms herrsch­te in Köln, der Stadt des Erz­bi­schofs Anno, der eine Zeit lang wäh­rend der Min­der­jäh­rig­keit Hein­richs das Reich re­giert und den kö­nig­li­chen Kna­ben all­zu rück­sichts­los be­vor­mun­det hat­te. Jen­seits der al­ten Rö­mer­mau­er im Os­ten der Stadt, in der Rich­tung auf den Rhein, war in Köln der Markt ent­stan­den; denn zur Be­för­de­rung der Gü­ter be­nutz­te man wo mög­lich die Was­ser­stra­ßen, und na­ment­lich der Fern­ver­kehr muss­te sich in der Nähe des Stro­mes ab­spie­len. Dort war seit al­ters die Ju­den­stra­ße. Zwi­schen ihr und der Kir­che und dem Klos­ter Groß-Sankt-Mar­tin be­fand sich der Alte Markt, auf dem Le­bens­mit­tel und ge­werb­li­che Er­zeug­nis­se zum Ver­kauf aus­ge­stellt wa­ren, und wo die Hand­wer­ker wohn­ten; wei­ter süd­lich ge­gen Sankt Ma­ria im Ka­pi­tol er­streck­te sich die grö­ße­re Hälf­te des Mark­tes, den die statt­li­chen Häu­ser der rei­chen Kauf­leu­te um­ga­ben. Wäh­rend der ers­te Dom bis ins neun­te Jahr­hun­dert im Wes­ten der al­ten Rö­mer­stadt ge­stan­den hat­te, be­fand sich nun, im elf­ten, ein neu­er in ih­rer nord­öst­li­chen Ecke, nicht weit vom Markt, da­ne­ben eine kö­nig­li­che Pfalz und die erz­bi­schöf­li­chen Wohn­ge­bäu­de. Am Os­ter­fes­te des Jah­res 1074 hat­te der Erz­bi­schof Be­such von sei­nem Freun­de, dem Bi­schof von Müns­ter. Als die­ser heim­zu­fah­ren wünsch­te, schick­te Anno Die­ner in die Rhein­vor­stadt mit dem Auf­tra­ge, das Schiff ei­nes Kauf­man­nes zu die­sem Zwe­cke be­reitz­u­ma­chen. Das Recht, Schif­fe der Kauf­leu­te für ihre per­sön­li­chen Zwe­cke zu be­schlag­nah­men, stand den Stadt­her­ren in der Re­gel zu, und es ist mög­lich, dass man ei­nem be­lieb­ten Herrn, der in freund­li­cher­wei­se um ein Schiff ge­be­ten hät­te, will­fäh­rig ent­ge­gen­ge­kom­men wäre; wahr­schein­lich aber ist, dass das Recht zu den be­ste­hen­den Ver­hält­nis­sen nicht mehr pass­te, dass es lan­ge nicht in An­spruch ge­nom­men war, dass An­nos Be­to­nung der Herr­schaft über­haupt un­wil­lig er­tra­gen wur­de und dass es


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