Deutsche Geschichte. Ricarda Huch

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Deutsche Geschichte - Ricarda Huch


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nicht ei­gent­lich ein Recht, son­dern ein per­sön­li­ches Zu­ge­ständ­nis des Paps­tes sein soll­te. Da­durch war der Ein­fluss des Kai­sers auf die Be­set­zung des Päpst­li­chen Stuh­les aus­ge­schal­tet. Die Kir­che zu be­frei­en war ein großes und gu­tes Ziel; aber Hil­de­brand kam es nicht mehr nur auf Frei­heit, son­dern auf Herr­schaft an. Es scheint in der mensch­li­chen Na­tur be­grün­det zu sein, dass Frei­heit un­ter den Men­schen sich sel­ten ver­wirk­li­chen lässt, was Goe­the in den furcht­ba­ren Wor­ten aus­ge­drückt hat, man müs­se Am­boss oder Ham­mer sein. Die einen Druck ab­wer­fen wol­len, trach­ten ge­wöhn­lich da­nach, ihn selbst aus­zuü­ben; wer die an­de­ren nicht un­ter­wirft, muss fürch­ten, un­ter­wor­fen zu wer­den. Hil­de­brand, als Papst Gre­gor VII., er­klär­te förm­lich den An­spruch der Kir­che, den Staat zu be­herr­schen; er be­grün­de­te das mit der Stell­ver­tre­tung des all­mäch­ti­gen Got­tes durch den Papst. Es kam nun dar­auf an, den kai­ser­li­chen Ein­fluss auch auf die Wahl der Bi­schö­fe ab­zu­stel­len; das wur­de vor­be­rei­tet durch die Aus­deh­nung des Be­grif­fes der Si­mo­nie auf je­den Ein­griff von welt­li­cher Sei­te in die Be­set­zung kirch­li­cher Stel­len. Wä­ren die Bi­schö­fe nichts als Pries­ter ge­we­sen, hät­te man die­se Auf­fas­sung bil­li­gen müs­sen; da sie welt­li­che Fürs­ten wa­ren, konn­te der Kö­nig auf das Recht, sie zu er­nen­nen oder bei ih­rer Er­nen­nung mit­zu­wir­ken, nicht ver­zich­ten. Die Bi­schö­fe wa­ren seit der Zeit Ot­tos des Gro­ßen die Stüt­ze des Thro­nes ge­we­sen; ge­schick­ter und ge­fähr­li­cher konn­te der Papst den Kai­ser nicht an­grei­fen, als in­dem er sie ihm ent­zog, sie ihm im Zwei­fels­fal­le zu Geg­nern mach­te.

      In dem Kamp­fe, den Hil­de­brand ent­zün­de­te, wa­ren zu­nächst für den Kai­ser die Aus­sich­ten nicht schlecht. Die Neue­run­gen, die der Papst ein­füh­ren woll­te, wa­ren zu ein­schnei­dend, zu um­wäl­zend, als dass sie nicht hät­ten er­schre­cken und ver­wir­ren sol­len. Der rö­mi­sche Adel, der durch die neu­en Be­stim­mun­gen von der Papst­wahl aus­ge­schlos­sen war, der nie­de­re Kle­rus, der sich der re­for­ma­to­ri­schen Stren­ge, be­son­ders dem Zö­li­bat wi­der­setz­te, vor al­len Din­gen die Bi­schö­fe selbst, so­wohl in Deutsch­land wie in der Lom­bar­dei, wa­ren na­tür­li­che Geg­ner des Paps­tes. Denn sei­ne Ab­sicht war, in der Kir­che, die bis­her ari­sto­kra­tisch ver­fasst war, ein mon­ar­chi­sches, wenn nicht des­po­ti­sches Re­gi­ment ein­zu­füh­ren, wo­durch die Bi­schö­fe päpst­li­che Be­am­te wür­den. Von der Na­tur schi­en der häss­li­che klei­ne Mönch nicht aus­ge­stat­tet, um an­zie­hend zu wir­ken; sei­ne fa­na­ti­sche Wut hat­te et­was zu­gleich so Im­po­nie­ren­des und Ab­sto­ßen­des, dass man ihn den hei­li­gen Sa­tan nann­te. Von sei­nem Na­men schlie­ßend, hat man ihm ger­ma­ni­sche Ab­kunft zu­ge­schrie­ben, auch die Mög­lich­keit, dass er jü­di­sches Blut ge­habt habe, ist er­wo­gen wor­den.

      Zwei Um­stän­de aber gab es, die dem Papst zu­stat­ten ka­men: der Auf­stand der Sach­sen ge­gen den Kai­ser und des Kai­sers Per­sön­lich­keit. Zum ers­ten Male trat jetzt ver­häng­nis­voll her­vor, was so oft noch zu bit­te­ren Kämp­fen füh­ren soll­te, dass ein Riss durch das Reich ging, der den Nor­den vom Sü­den trenn­te. Es zeig­te sich, dass die Sach­sen nicht so mit den üb­ri­gen Stäm­men ver­schmol­zen wa­ren, wie man be­son­ders zu der Zeit hat­te glau­ben kön­nen, als Sach­sen un­ter den Ot­to­nen als Stamm­land der herr­schen­den Dy­nas­tie be­vor­zugt war. Auch die Sa­lier hiel­ten sich mit Vor­lie­be in Sach­sen auf; das wur­de nicht als will­kom­me­ne Gunst auf­ge­fasst, son­dern als Be­stre­ben, die säch­si­sche Frei­heit zu be­schrän­ken. Dem lag die Tat­sa­che zu­grun­de, dass die Sa­lier die Ver­min­de­rung des Kö­nigs­gu­tes durch Er­wer­bun­gen in Sach­sen aus­glei­chen woll­ten, ein be­rech­tig­tes Be­stre­ben, das aber die Sach­sen zum Wi­der­stand reiz­te. Zur­zeit Ot­tos des Gro­ßen wa­ren die Erz­gru­ben am Ra­ben­ber­ge bei Gos­lar ent­deckt wor­den; da al­les Berg­werk Re­gal war, den Kö­ni­gen zu­stand, be­kam die­ser Ort für sie eine be­son­de­re Wich­tig­keit. Hein­rich III. mach­te Gos­lar ge­ra­de­zu zum Mit­tel­punk­te sei­nes Rei­ches und gab ihm einen Teil des Reich­tums, den er sei­nem Ber­ge ver­dank­te, in Bau­ten von un­ver­gleich­li­cher Pracht wie­der. Er er­rich­te­te am Fuße des Ra­ben­ber­ges einen Palast, der das Vor­bild vie­ler kö­nig­li­cher und fürst­li­cher Pfal­zen wur­de, und nahe da­bei den viel­be­wun­der­ten Dom, von dem ein ein­zi­ges Por­tal üb­rig­ge­blie­ben ist. Hing Gos­lar den Kö­ni­gen treu an, so wur­den im All­ge­mei­nen ihre häu­fi­gen Be­su­che un­gern ge­se­hen, die, da die Herr­scher mit­samt ih­rem Ge­fol­ge von der Be­völ­ke­rung er­hal­ten wer­den muss­ten, teu­er zu ste­hen ka­men. Man emp­fand die Dy­nas­tie als Frem­de, und vollends als Ein­dring­lin­ge be­trach­te­te man die Süd­deut­schen, die sie mit­brach­ten. Hein­rich IV. wur­de vor­ge­wor­fen, dass er die Leu­te von nied­ri­ger Ge­burt und dass er Schwa­ben be­vor­zu­ge; da­mals kam die Rede auf, dass ein Sach­se sie­ben Schwa­ben wert sei. Das ge­bie­te­ri­sche Auf­tre­ten der Sa­lier, na­ment­lich das et­was hoch­tra­ben­de fei­er­li­che We­sen Hein­richs III., sein kirch­li­cher Ei­fer stie­ßen ab; im­mer­hin wird von ei­nem sehr stol­zen und un­ge­bär­di­gen Vol­ke eher noch ein stren­ger Ge­bie­ter er­tra­gen, der fol­ge­rich­tig kla­re Zie­le ver­folgt, als ein Un­be­re­chen­ba­rer, der bald des­po­ti­schen Ge­lüs­ten, bald sinn­li­chen An­trie­ben oder be­que­men Ratschlä­gen nach­gibt.

      Es war ein Un­glück für Hein­rich IV., dass er sei­nen Va­ter mit sechs Jah­ren ver­lor, dass sei­ne Mut­ter ihn, wie es scheint, nicht lieb­te, dass man ihn mit ei­ner un­ge­lieb­ten Frau ver­hei­ra­te­te und bei ihr aus­zu­har­ren zwang; aber al­les das, wie auch der wech­seln­de Ein­fluss des bar­schen Anno von Köln und des ver­wöh­nen­den Adal­bert von Bre­men auf den Kna­ben, hät­te auf einen an­de­ren ganz an­ders wir­ken kön­nen. Es war au­gen­schein­lich et­was Zer­set­zen­des in sei­ne See­le ein­ge­bo­ren, was den Keim der Grö­ße sich nicht rein ent­fal­ten ließ. Es gibt eine merk­wür­di­ge Sage vom Gra­fen Wi­precht von Groitzsch, ei­nem Kriegs­hel­den, der in Hein­richs Schlach­ten kämpf­te und ihm na­ment­lich zu sei­nem letz­ten Sie­ge über Rom ver­half. Als einst in Ve­ro­na Wi­precht der tap­fers­te al­ler Re­cken ge­nannt wur­de, ge­bot der Kö­nig ihn her­bei­zu­ru­fen, er wol­le ihn auf die Pro­be stel­len. Wi­precht kam und wur­de in einen Hof ge­führt, wo den Ah­nungs­lo­sen ein Löwe an­fiel, den der Kö­nig vor­her dort­hin hat­te brin­gen las­sen. Der Held er­schrak nicht, son­dern pack­te das Tier und zwang es, sich zu sei­nen Fü­ßen nie­der­zu­le­gen; dann frag­te er den Kö­nig, warum er ihn ge­ru­fen und was das al­les zu be­deu­ten habe. Da der Kö­nig schließ­lich ge­stand, dass er sei­ne Mann­haf­tig­keit habe prü­fen wol­len, wur­de Wi­precht zor­nig und sag­te: »Ich habe als ers­ter die Al­pen über­schrit­ten, ich habe die Ehren und Sie­ge er­strit­ten, konn­te der An­blick mei­ner Ta­ten dir nicht ge­nü­gen? Du hast mich zu eit­ler Au­gen­wei­de ei­nem wil­den Ge­tier preis­ge­ge­ben; nun will ich dir nicht län­ger die­nen.« Da fing der Kö­nig an, sich zu fürch­ten, be­reu­te, was er ge­tan hat­te und ruh­te nicht, bis der Graf wie­der ver­söhnt war. Wie Hein­richs Cha­rak­ter in die­ser Sage sich dar­stellt, so war er viel­leicht wirk­lich: Man­gel an Re­spekt vor den Men­schen, Schwan­ken zwi­schen Über­mut und Furcht, Un­fä­hig­keit, die Gren­ze zwi­schen Zu­rück­hal­tung und Ver­trau­lich­keit zu be­ob­ach­ten, mö­gen ihm man­chen An­hän­ger ent­frem­det ha­ben. Eine edle Gabe je­doch wog vie­le Feh­ler auf, dass er im Le­ben lern­te, dass er Schwä­chen über­wand und sei­ne Kraft an


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