Deutsche Geschichte. Ricarda Huch

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Deutsche Geschichte - Ricarda Huch


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der Hei­den führ­te nicht etwa zur Her­ab­set­zung des Chris­ten­tums, son­dern zu dem ver­stärk­ten Wun­sche, die­se Hei­den zu Chris­ten zu ma­chen, da­mit sie das ein­zi­ge er­wür­ben, was ih­nen fehl­te. Denn erst als Chris­ten wa­ren sie Glie­der des Rei­ches, tra­ten sie ein in den got­t­er­füll­ten Raum des Him­mels und der Erde, des Le­bens in der Ewig­keit. Es war ein Zau­ber, der die Men­schen ver­klär­te, auch wenn er ihr In­ne­res nicht ver­wan­del­te.

      In ei­nem Punk­te nur fand man die Nord­leu­te zu ta­deln, in der Maß­lo­sig­keit näm­lich, mit der sie sich sinn­li­chen Genüs­sen hin­ga­ben. Sie be­rausch­ten sich im Trunk und in der Lie­be, und we­der das Trin­ken noch die Frau­en woll­ten sie sich neh­men las­sen. Kö­nig Sven wur­de vom Vol­ke we­gen der großen Zahl sei­ner na­tür­li­chen Kin­der Kö­nig Va­ter ge­nannt. Die Men­ge der Be­zie­hun­gen hin­der­te nicht, dass sie ei­ner ein­zel­nen Frau mit be­harr­li­cher Lei­den­schaft an­hin­gen. Sven hat­te nach dem Tode sei­nes Vor­gän­gers auf dem schwe­di­schen Thro­ne des­sen Wit­we Gun­hild ge­hei­ra­tet, die nach der An­sicht der Kir­che in ei­nem ver­bo­te­nen Gra­de mit ihm ver­wandt war. Da die dä­ni­schen Bi­schö­fe ihn bei Adal­bert des­we­gen an­klag­ten und Adal­bert, in die­sem Punk­te un­er­bitt­lich, ihm riet, sich von sei­ner Frau zu schei­den, wei­ger­te er sich, muss­te schließ­lich aber doch nach­ge­ben. Adal­bert hat­te Mühe, den Er­bit­ter­ten zu ver­söh­nen. Die Frau, die er dann hei­ra­te­te, wur­de von sei­ner Ge­lieb­ten ver­gif­tet. Adal­bert, der selbst, au­gen­schein­lich mehr in­fol­ge na­tür­li­cher Ver­an­la­gung als aus As­ke­se, keusch war, ver­ach­te­te die, wel­che ihre sinn­li­chen Ge­lüs­te nicht be­herr­schen konn­ten. Da­von ab­ge­se­hen moch­te er sich dem Aus­schwei­fen­den und Fan­tas­ti­schen der nor­di­schen Men­schen ver­wandt füh­len. Mön­chi­sche Dür­re war ihm fremd; es war, als bre­che die ver­hal­te­ne Sinn­lich­keit mit dop­pel­tem Über­schwang aus sei­nem Geis­te her­vor. Er war ein Ver­schwen­der, der nur in der Fül­le at­men konn­te. Nach ei­nem großen Bran­de bau­te er den Dom von Bre­men nach dem Mus­ter des Doms von Be­ne­vent fremd­ar­tig und über alle Ge­wohn­heit präch­tig. Er lieb­te das Alte Te­sta­ment, wo der Herr sich in sei­ner Ma­je­stät of­fen­bart. Ob­wohl er an gu­ten Ta­gen ohne Ge­sel­lig­keit nicht le­ben konn­te, emp­fand er leicht Ver­ach­tung für die Men­schen. Frei­ge­big­keit, sag­te er, sei ein Merk­mal des Adels; das Über­wie­gen von Klein­lich­keit, Dumm­heit und Hab­gier an den Men­schen er­reg­te sei­nen Hohn. Sei­ne Plä­ne wa­ren Vi­sio­nen, die auf die Wirk­lich­keit we­nig Rück­sicht nah­men; das galt be­son­ders von sei­nem größ­ten, sei­nem ei­gent­li­chen Plan, den ge­heim­nis­vol­len, ur­ge­wal­ti­gen Nor­den zu sei­ner Di­öze­se zu ma­chen. Eine Zeit lang schi­en es, als soll­te die­ser mäch­ti­ge Traum, der dem deut­schen Ein­fluss ein neu­es, aus­ge­dehn­tes Ge­biet er­öff­ne­te, Ge­stalt ge­win­nen, als der deut­sche Bru­no von Toul den Hei­li­gen Stuhl in­ne­hat­te. Sei­ne Re­gie­rung war zu kurz, als dass ein so we­nig vor­be­rei­te­tes Un­ter­neh­men vom Papst hät­te an Hand ge­nom­men wer­den kön­nen. Das nor­di­sche Pa­tri­ar­chat soll­te nach Adal­berts Mei­nung zwölf Bi­stü­mer um­fas­sen, von de­nen noch kei­nes vor­han­den war. Die Be­keh­rung mach­te kei­ne nen­nens­wer­ten Fort­schrit­te. Es ge­hör­te zu Adal­berts Plä­nen, dass er selbst den Nor­den be­rei­sen und den Hei­den pre­di­gen wür­de; aber als Kö­nig Sven ihm riet, die Auf­ga­be ei­nem Ein­hei­mi­schen zu über­las­sen, der der Spra­che mäch­tig sei, ließ er sich leicht über­re­den. Als ein großer Träu­mer ba­de­te er sei­ne Stirn in Ruhm, ohne dar­an zu den­ken, dass der vor­ge­fühl­te Glanz durch Ar­beit und müh­se­li­ge Tage in die Wirk­lich­keit ge­lei­tet wer­den müs­se. Al­ler­dings nahm der Kö­nigs­dienst sei­ne Kraft und Zeit sehr in An­spruch: er be­glei­te­te Hein­rich III. auf al­len sei­nen Heer­fahr­ten und stand in den An­fän­gen Hein­richs IV. eine Zeit lang an der Spit­ze der Reichs­re­gie­rung. Wenn er den un­ge­nü­gen­den Mit­teln, die ihm zur Ver­fü­gung stan­den, schuld gab, dass er sei­ne Ge­dan­ken nicht ver­wirk­li­chen kön­ne, hat­te er nicht ganz un­recht; er sag­te ein­mal, es fehl­ten ihm zum herr­li­chen Aus­bau sei­ner Kir­che nichts als Geist­li­che und Stei­ne.

      Ein­mal je­doch be­geg­ne­te Adal­bert ei­nem Eben­bür­ti­gen, wenn auch im Cha­rak­ter ganz von ihm Ver­schie­de­nen, in dem Sla­wen Gott­schalk. Ein Obo­tri­ten­fürst war so weit für das Chris­ten­tum ge­won­nen wor­den, dass er sei­nen Sohn dem Mi­chaels­klos­ter in Lü­ne­burg zur Er­zie­hung übergab, wo er den Na­men Gott­schalk an­nahm. Als dem Jüng­ling die Kun­de zu­kam, dass sein Va­ter von den Sach­sen er­mor­det wor­den sei, floh er aus dem Klos­ter, um Ra­che zu neh­men. Tau­send Sach­sen soll­ten fal­len für einen Wen­den. Nach mör­de­ri­schem Wü­ten un­ter den Fein­den wur­de er von Her­zog Bern­hard von Sach­sen ge­fan­gen­ge­nom­men, der aus Ach­tung vor der Tap­fer­keit des Geg­ners ihm die Frei­heit schenk­te un­ter der Be­din­gung, dass er das Land ver­las­se. Gott­schalk ging nach Dä­ne­mark, be­freun­de­te sich mit Kö­nig Knut und be­glei­te­te ihn nach Eng­land. Dort wur­de er vom Chris­ten­tum, das er als Kna­be wie an­de­re Schul­auf­ga­ben ge­lernt hat­te, im In­ners­ten er­grif­fen und wünsch­te nun, sei­nem Vol­ke die­sen Glau­ben mit­zu­tei­len. Er kehr­te zu­rück, setz­te sich mit Adal­bert ins Ein­ver­neh­men und ent­warf mit ihm den Plan ei­nes Be­keh­rungs­ver­su­ches un­ter den Wen­den. Was Adal­bert an­griff, be­kam einen großen, schwung­vol­len Um­riss: ein christ­li­ches Wen­den­reich soll­te ge­bil­det wer­den, an des­sen Spit­ze Gott­schalk ste­hen soll­te un­ter dem Schut­ze des Erz­bi­schofs. Als ein­ge­bo­re­ner Fürst, der Spra­che kun­dig und von der Kraft des auf­rich­ti­gen Glau­bens durch­drun­gen, er­ziel­te Gott­schalk be­deu­ten­de Er­fol­ge; es konn­te ein Bis­tum Al­den­burg den Bi­stü­mern Meck­len­burg und Rat­ze­burg hin­zu­ge­fügt wer­den. Adal­berts Freund Sven Es­thrit­son trat in die Ver­bin­dung ein, in­dem er Gott­schalk sei­ne Toch­ter Si­grid zur Frau gab. Bre­mens be­herr­schen­der Ein­fluss über das be­nach­bar­te Sla­wen­land schi­en ge­si­chert zu sein.

      Da ver­riet ein furcht­ba­rer Auf­stand, zu dem der Sturz Adal­berts im Jah­re 1066 das Zei­chen gab, dass der Hass der Wen­den ge­gen die Chris­ten und ih­ren Gott nicht er­lo­schen sei: Gott­schalk wur­de er­schla­gen, eben­so die Bi­schö­fe von Meck­len­burg und Rat­ze­burg; wie Op­fer­tie­re wur­den sie den heid­nischen Göt­tern ge­schlach­tet.

      Adal­bert sang wie das Stand­bild der Sage einen Hym­nus des Le­bens, wenn die Son­ne des Glücks ihn be­rühr­te; dem Un­glück ge­gen­über hat­te er kei­ne Wi­der­stands­kraft. Um dem Bi­schof von Würz­burg gleich­zu­kom­men, der fast alle Graf­schaf­ten in sei­ner Di­öze­se und zu­gleich die Her­zogs­ge­walt be­saß, hat­te er mög­lichst vie­le Graf­schafts­rech­te auf­ge­kauft und den um­woh­nen­den Adel zu Va­sal­len ge­macht und war da­durch in Schul­den ge­ra­ten. Sei­ne kö­nig­li­chen Le­bens­ge­wohn­hei­ten auf­zu­ge­ben, war ihm un­mög­lich, lie­ber ver­kauf­te er die Kir­chen­schät­ze und gab da­durch sei­nen zahl­rei­chen Fein­den An­lass, ihn der Ket­ze­rei und Zau­be­rei zu be­schul­di­gen. Als es ih­nen ge­lun­gen war, ihn von Hofe zu ver­drän­gen, und er schutz­los den Über­grif­fen der Her­zö­ge von Sach­sen preis­ge­ge­ben war, flüch­te­te er aus der häss­li­chen Wirk­lich­keit tiefer in sei­nen Traum, der all­mäh­lich fast Wahn wur­de. Um die Ein­zel­hei­ten der Ver­wal­tung hat­te er sich nie küm­mern mö­gen, die Fol­ge war, dass er von al­len Sei­ten be­tro­gen wur­de. Sei­ne jä­hen Zorn­aus­brü­che, wenn er es er­fuhr, wur­den


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