Deutsche Geschichte. Ricarda Huch
Читать онлайн книгу.viele verließen lieber das Kloster, als dass sie sich reformieren ließen. Der herrische Wille der Salier trug doch den Sieg davon. Besonders Heinrich III. hatte einen fanatischen Zug, der die unbändigen Deutschen fremdartig anmutete; dass er an seinem Hochzeitsfeste die Gaukler und Spaßmacher fortwies, die sich bei solchen Gelegenheiten anzusammeln pflegten, missfiel allgemein, und man lobte den frommen Erzbischof Bardo von Mainz, der sich ihrer erbarmte. Es gehörte zu den Grundsätzen der strengen kluniazensischen Richtung, dass die Priesterehe und die Simonie, das Kaufen und Verkaufen geistlicher Stellen, als verdammenswerte Laster abzuschaffen seien. Die Ehelosigkeit war zwar bei der höheren Geistlichkeit längst eingeführt, nicht aber bei der niederen, den Pfarrern, deren Widerstand gegen den Zölibat den Bischöfen selbst unüberwindlich vorkam. Als Patrizius von Rom und Vogt der römischen Kirche hielt Heinrich III. sich für verpflichtet, sie von allen Flecken eingerissener Unordnung zu reinigen, und um sicher zu sein, dass die Spitzen, von denen aus Gesinnung sich verbreitet, in seinem Sinne regierten, brachte er nicht nur reformatorische Männer auf die Bischofssitze, sondern auch reformatorische Päpste auf den römischen Stuhl. Nachdem Bischof Suitger von Bamberg, als Papst Clemens II., innerhalb eines Jahres und Poppo von Brixen, als Papst Damasus II., nach drei Monaten gestorben waren, schien es, als seien die deutschen Päpste mit einem unentrinnbaren Fluche beladen. Schweren Herzens folgte Bischof Bruno von Toul dem Befehl des Kaisers. Dieser elsässische Graf, damals 46 Jahre alt, war schön und hochbegabt, sehr musikalisch, sittlich makellos, ohne pedantisch und kleinlich zu sein. In seinem Verhalten gegen die Sünder wählte er sich Christus zum Vorbild, der nicht gestraft, sondern gesagt habe: Gehe hin in Frieden und sündige hinfort nicht mehr. Man nannte ihn den guten Bruno. Um dem Tode zu entgehen, der, wie er glaubte, den deutschen Päpsten in Italien auflauere, reiste er so oft wie möglich nach Deutschland; aber er ereilte ihn doch nach sechsjähriger Regierung. In den Armen seines Nachfolgers und Gegners, des Bischofs Gebhard von Eichstätt, der sich als Papst Viktor II. nannte, starb der mächtige Kaiser, nachdem er seinen hohen Gast in Goslar empfangen hatte. Schon im nächsten Jahre folgte ihm der Papst. Obwohl diese deutschen Päpste ruhelos Italien möglichst mieden, um den Tod zu betrügen, haben sie doch in Rom einen Umschwung der Gesinnung vorbereitet, wie Heinrich III. gewünscht hatte. Die gereinigte, auf strengen Grundsätzen aufgebaute Kirche begann sich als eine selbstständige Macht zu fühlen.
Die salischen Kaiser gaben ihrem imperialistischen Hochgefühl Ausdruck durch den Bau der Kirche von Speyer, die sie zu ihrer Grabstätte bestimmten. Mit bis dahin in Deutschland unerhörter Mächtigkeit erhob sich der vieltürmige Bau über den Särgen des stolzen Geschlechtes, weithin den Rhein beherrschend. Noch ergreifender versinnbildlichen die Ruinen der Abteikirche Limburg im Wasgau, zu der Konrad II. am selben Tage wie zum Dom von Speyer den Grundstein legte, eine triumphierende Macht und einen weltumfassenden Gedanken.
Heinrich IV. und Gregor VII.
Eine neue Idee ergriff die Geister, ein neues Schlagwort erklang und wirkte: die Unabhängigkeit der Kirche von weltlicher Gewalt. Es war eine ganz und gar berechtigte, selbstverständliche Idee, die früher oder später zur Auflehnung gegen Eingriffe der Kaiser in das kirchliche Gebiet führen musste. Nicht nur aber Bevormundung von Seiten des Staates musste die Kirche ablehnen; es lag ihr nah, ihrerseits eine solche über den Staat ausüben zu wollen. Mit dem Sitz in Rom war der Anspruch auf Herrschaft so notwendig verbunden, dass, sowie ein hervorragender, zur Herrschsucht neigender Mann Papst wurde, das Gefühl, Nachfolger der Cäsaren zu sein, ihn ergriff. Dann verschmolz die Idee des römischen Weltreichs mit der Idee der christlichen Weltkirche zu einem Trachten nach Weltherrschaft von fürchterlicher Kraft. Der Papst war dann nicht nur das Oberhaupt der christlichen Kirche, der dem Kaiser das weltliche Schwert zu führen überließ, sondern er war der römische Kaiser römischer Nation, der in dem römischen Kaiser deutscher Nation einen barbarischen Usurpator sah. Das machte sich geltend, sowie schwache Kaiser die Regierung innehatten. Während das Reich unter den Söhnen und Enkeln Karls des Großen zerfiel, in der Mitte des 9. Jahrhunderts, als man glaubte, der Untergang der Welt stehe bevor, bestieg den päpstlichen Stuhl Nikolaus I., ein vornehmer und gebildeter Römer, und ergriff die Zügel, die den erschlafften Händen der Karolinger entfallen waren. Die ratlose, rings von Barbarenhorden überflutete Christenheit klammerte sich an den neuen Elias, der in einer zertrümmerten Welt die einzige, die ewige Macht darstellte. Die Gunst des Augenblicks erkennend, legte er mit sicherer Hand den Grund zur Herrschaft: zog möglichst viele Streitfälle vor ein schiedsrichterliches Urteil, erklärte jeden für den Bann verfallen, der die von den römischen Bischöfen erlassenen Dekrete und Entscheidungen nicht anerkenne, suchte die Bischöfe von sich abhängig zu machen. Diese widerstrebten: der Erzbischof Günther von Köln protestierte gegen die Absicht des Papstes, die Welt zu beherrschen, fuhr fort, die Exkommunikation verachtend, in der Kirche zu amtieren, aber schließlich musste er sich doch unterwerfen. Die außerordentlichen Machtansprüche Nikolaus I. konnten allerdings von seinen Nachfolgern nicht durchgesetzt werden; vergessen und aufgegeben wurden sie nicht. Nur auf Augenblicke konnten die beiden Gewalten, die gemeinsam die Welt regieren sollten, im schwebenden Gleichgewicht erhalten werden; zu sehr waren die Interessen der beiden Völker, denen sie angehörten, verschieden, zu sehr die Kaiser zugleich Könige der Deutschen, zu sehr die Päpste zugleich Herren von Rom, Cäsaren, Weltherrscher. Hätte Heinrich III. länger gelebt, so wäre der Kampf zwischen Kaiser und Papst hinausgeschoben; er entbrannte, als sich nach seinem Tode ein übermütiger, zuchtloser junger Mann und ein Dämon der Herrschsucht gegenübertraten.
In den Chroniken wird erzählt, dass, während Heinrich III. sich in Rom aufhielt, dort eines Zimmermannes Söhnchen bei der Arbeitsstätte seines Vaters mit Spänen spielend sie in der Form von Buchstaben zusammenlegte. Zufällig kam ein Priester vorbei und las, dass die Buchstaben den Satz bildeten: Dominabor a mari usque ad mare – ich werde herrschen von Meer zu Meer. Er schloss daraus, dass das Kind einst Papst werden werde und machte den Zimmermann darauf aufmerksam, der es daraufhin zur Schule schickte. Es wurde gelehrt und kam in die kaiserliche Kanzlei, wo des Kaisers junger Sohn ihn kennenlernte und zu verspotten pflegte. Da träumte der Kaiser einmal, dass dem Zimmermannssohn, der Hildebrand hieß, zwei Hörner bis an den Himmel wuchsen, mit denen er seinen Sohn erfasste und in den Dreck warf. Die Kaiserin legte den Traum