Deutsche Geschichte. Ricarda Huch

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Deutsche Geschichte - Ricarda Huch


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das frie­si­sche Meer be­gren­zen­den Län­der zu ei­nem Reich zu­sam­men­zu­fas­sen, war eine Lo­ckung für Ero­be­rer­her­zen. Dä­nen und Deut­sche ka­men da­bei haupt­säch­lich in Be­tracht, Dä­ne­mark und Deutsch­land ha­ben jahr­hun­der­te­lang um die Be­herr­schung der Nord- und Ost­see ge­run­gen, bald kämp­fend, bald sich ver­tra­gend. Der ers­te, der die Auf­ga­be mit großem Sinn er­fass­te, war der Kö­nig von Dä­ne­mark, Knut, der im Be­ginn des 11. Jahr­hun­derts Eng­land mit sei­nem Lan­de ver­ei­nig­te und mus­ter­haft re­gier­te. Sein An­se­hen war so über­zeu­gend, dass Kon­rad II., der da­ma­li­ge Kai­ser, es für das bes­te hielt, in Freund­schaft mit ihm aus­zu­kom­men, ihm das Land zwi­schen Ei­der und Schlei ab­trat, sei­nen Sohn Hein­rich mit Knuts Toch­ter ver­hei­ra­te­te. Auch Erz­bi­schof Un­wan von Bre­men, ein Nach­kom­me Wi­du­kinds und Vet­ter des Bi­schofs Mein­werk von Pa­der­born, dem er dar­in glich, dass er an­ge­stamm­ten Reich­tum sei­nem Bis­tum zu­gu­te kom­men ließ, un­ter­hielt mit Knut freund­schaft­li­che Be­zie­hun­gen. Er emp­fing ihn in Ham­burg, wo er gern Hof hielt, um ihn zu eh­ren, zu­gleich aber auch, ihm einen Ein­druck von sei­ner fürst­li­chen Macht zu ge­ben. Die Erz­bi­schö­fe von Ham­burg-Bre­men wa­ren die größ­ten Her­ren im deut­schen Nor­den, mäch­ti­ger als die Her­zö­ge von Sach­sen, die ei­fer­süch­tig sie zu schä­di­gen trach­te­ten. Es war des­halb na­tür­lich, dass ei­nem von ih­nen die Vi­si­on des Nor­di­schen Rei­ches auf­ging, wenn sie es auch nur in kirch­li­che Gren­zen ban­nen konn­ten.

      Nach­dem Knut und Un­wan ge­stor­ben wa­ren, er­nann­te Hein­rich III. Adal­bert, einen Gra­fen von Go­seck, zum Erz­bi­schof von Bre­men. Ge­gen­über von Naum­burg sind noch Res­te sei­ner Stamm­burg er­hal­ten, die er und sei­ne Brü­der in ein Klos­ter ver­wan­del­ten. Von al­len Lei­den­schaf­ten, die die­sen un­ge­wöhn­li­chen, hoch­be­gab­ten Mann be­weg­ten, war Ruhm­be­gier­de die stärks­te. Man hät­te den­ken kön­nen, ihr wäre Ge­nü­ge ge­tan, als der Kai­ser, der ihn hoch­schätz­te, ihn zum Papst ma­chen woll­te; aber er lehn­te es ab, um ein Pa­tri­ar­chat im Nor­den zu er­rich­ten. So sehr hat­te der Nor­den sei­nen Sinn be­rückt. Al­ler­dings konn­te er im Nor­den un­ab­hän­gi­ger sein als ein vom Kai­ser er­nann­ter Bi­schof von Rom. Um die nor­di­schen An­ge­le­gen­hei­ten be­küm­mer­ten sich die Kai­ser we­nig: es war kei­ne Un­ter­stüt­zung, aber auch kei­ne Ein­mi­schung von ih­nen zu er­war­ten. Hier war al­les neu und fremd, Aben­teu­er, un­be­grenz­te Mög­lich­keit. Der Blick des jun­gen Man­nes, der in den tü­rin­gi­schen Wäl­dern ge­fan­gen ge­we­sen war, schweif­te ent­zückt über das bri­tan­ni­sche und das bal­ti­sche Meer, über nie ge­se­he­ne In­seln bis da­hin, wo in Dun­kel und Grau­en die Erde en­det. Die­se Län­der wa­ren zum Teil noch heid­nisch, zum Teil noch nicht im Chris­ten­tum be­fes­tigt; durch leb­haf­te Mis­si­ons­tä­tig­keit konn­te die Kir­che von Bre­men hof­fen, sie sich kirch­lich un­ter­zu­ord­nen, war sie doch mit Hin­blick auf die­se Auf­ga­be ge­grün­det, die nur durch un­glück­li­che Um­stän­de und durch die Nach­läs­sig­keit man­cher Bi­schö­fe nicht er­füllt war. Es war ein ähn­li­cher Ge­dan­ke, wie im Süd­os­ten des Rei­ches Bi­schof Pil­grim von Passau ihn ge­hegt hat­te.

      Aus ei­ge­ner An­schau­ung hat­te Adal­bert kei­ne Kennt­nis der nor­di­schen Län­der; aber er sam­mel­te so viel Nach­rich­ten über sie wie mög­lich. Mit den Sla­wen, die Meck­len­burg und Pom­mern be­wohn­ten, gab es Be­zie­hun­gen, denn an der Mün­dung der Oder lag Jum­ne, die reichs­te Han­dels­stadt der Welt, wo kost­ba­re Er­zeug­nis­se fer­ner Län­der ge­tauscht wur­den. Es war be­kannt, dass man von dort zu Lan­de nach Grie­chen­land ge­lan­gen konn­te, wenn auch die­ser Weg we­gen der un­be­re­chen­ba­ren Sin­nes­art der an­woh­nen­den Völ­ker ver­mie­den wur­de. Wei­ter­hin nach Os­ten warf das Meer den gold­gel­ben Bern­stein ans Ufer, mit dem die Frau­en des Sü­dens sich schmück­ten, und noch wei­ter oben lag das selt­sa­me Land der Ama­zo­nen, von de­nen man sag­te, dass sie durch ein Was­ser, das dort flie­ße, schwan­ger wür­den, an­de­re mein­ten durch vor­über­rei­sen­de Kauf­leu­te, die sie ge­fan­gen­näh­men und nach dem Ge­brauch wie­der vers­tie­ßen. Sie er­zeug­ten Mäd­chen von wun­der­ba­rer Schön­heit und Söh­ne mit Hun­de­köp­fen. Zur­zeit des Erz­bi­schofs Ale­brand, der vor Adal­bert re­gier­te, ta­ten sich ei­ni­ge vor­neh­me Frie­sen zu­sam­men, um zu er­kun­den, ob es wahr sei, dass man von der Mün­dung der We­ser aus im­mer nord­wärts fah­rend zum gren­zen­lo­sen Welt­meer kom­me. Nach­dem sie sich eid­lich mit­ein­an­der ver­bun­den hat­ten, fuh­ren sie ab, ru­der­ten an Dä­ne­mark, Schott­land und Is­land vor­über und ge­rie­ten plötz­lich in den Ne­bel des wel­ten­den­den Mee­res. Dort riss sie ein Stru­del mit, der ih­rer Mei­nung nach da­durch ent­stan­den sei, dass dort alle Strö­mun­gen Ur­sprung und Aus­mün­dung hät­ten, ver­schlang ei­ni­ge Schif­fe und spie an­de­re wie­der aus. Sie kehr­ten nach Bre­men zu­rück und er­zähl­ten dem Erz­bi­schof ihre Er­leb­nis­se. Bei Is­land, sag­ten sie, sei das Eis des Ozeans schwarz und so tro­cken vor Al­ter, dass es an­ge­zün­det bren­ne. Si­che­re­re Nach­rich­ten gab es über die skan­di­na­vi­schen Län­der. Nicht nur dass schon der hei­li­ge Ans­gar am Mälar­see ge­we­sen war, Adal­bert stand in freund­schaft­li­cher Be­zie­hung zum schwe­di­schen Kö­nig Sven Es­thrit­son, in des­sen Ge­dächt­nis die Ge­schich­te der nor­di­schen Völ­ker wie in ei­nem Bu­che ge­bor­gen war. Man kann­te Fü­nen mit der großen Stadt Oden­se, See­land mit Rös­kil­de, dem dä­ni­schen Kö­nigs­sitz, Scho­nen mit Lund, die frucht­bars­te dä­ni­sche Land­schaft, wo es schon 300 Kir­chen gab. Schwe­den schil­der­te der Kö­nig als ein eben­falls an Vieh, Früch­ten und Ho­nig rei­ches Land, dem auch viel Wa­ren aus der Frem­de zu­ge­führt wür­den; herr­lich sei der gol­de­ne Tem­pel von Upp­sa­la, wo alle neun Jah­re, zur­zeit der Früh­lings-Tag­und­nacht­glei­che alle schwe­di­schen Völ­ker zu­sam­men­kämen und ein Fest fei­er­ten. Nor­we­gen da­ge­gen sei rau, un­ge­heu­er kalt, un­frucht­bar, arm. Das Volk lebe von Vieh­zucht, nur an Milch und Wol­le sei es reich. Er er­zähl­te von den schwar­zen Füch­sen und Ha­sen, wei­ßen Mar­dern und Bä­ren, die es oben im Nor­den gäbe, und von den Fin­nen, die auf Schnee­schu­hen die Ure, Büf­fel und El­che über­flü­gel­ten, die sie jag­ten. Alle Nord­leu­te, aber ganz be­son­ders die Fin­nen, kann­ten noch die al­ten Zau­ber; so wuss­ten sie durch ge­mur­mel­te Sprü­che die Wal­fi­sche in ihre Ge­walt zu brin­gen. Je mehr man nach Nor­den kam, de­sto mehr war heid­nische Zau­be­rei im Schwan­ge.

      Den Cha­rak­ter der Nord­leu­te stell­te man an Adal­berts Hofe nach al­lem, was man da­von sah und hör­te, sehr hoch. Sie be­sa­ßen die von den Deut­schen so ge­schätz­ten Ei­gen­schaf­ten der Tap­fer­keit und des Stol­zes; sie lie­ßen sich lie­ber tö­ten als züch­ti­gen; von ei­nem zum Tode Ver­ur­teil­ten er­for­der­te der An­stand, un­be­küm­mert fröh­lich zu er­schei­nen. Sie ver­ach­te­ten Gold und Sil­ber, Pelz­werk und fei­ne Stof­fe, und ihre Gast­frei­heit war un­be­grenzt. Es mach­te tie­fen Ein­druck, dass in man­chen Ge­gen­den Schwe­dens und Nor­we­gens die vor­nehms­ten Män­ner Vieh­hir­ten wa­ren wie die Erz­vä­ter der Bi­bel, dass die Schwe­den noch kei­ne Städ­te hat­ten und ihr Le­ben in Ar­mut und hei­li­ger Ein­falt zu­brach­ten. Sie wa­ren so lie­be­vol­ler Ge­sin­nung, dass sie al­les ge­mein­sam be­sa­ßen, und zwar nicht nur die Ein­hei­mi­schen un­ter­ein­an­der, son­dern die Frem­den in­be­grif­fen. Dies, sag­te man, sei nicht eine Fol­ge des Chris­ten­tums, son­dern ihre Na­tur sei christ­lich, ohne dass sie von Chris­ti Leh­re et­was wüss­ten. Die ge­bil­de­ten


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