Deutsche Geschichte. Ricarda Huch

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Deutsche Geschichte - Ricarda Huch


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schüt­zen. Ben­no selbst hat­te zu­wei­len das Ge­fühl, zu welt­lich zu sein, um einen rech­ten Bi­schof ab­zu­ge­ben; je­den­falls hin­der­te ihn sei­ne geis­ti­ge Über­le­gen­heit, das kirch­li­che Ze­re­mo­ni­ell all­zu ernst zu neh­men. Nicht sel­ten be­frei­te er Lai­en ge­gen Geld vom Fas­ten­ge­bot; er gab das Geld den Ar­men und sag­te, es sei Gott lie­ber, als wenn ei­ner den gan­zen Tag einen lee­ren Bauch spa­zie­ren­tra­ge, umso mehr, als der Fröm­mig­keit da­durch kein Ab­bruch ge­sch­ehe. Als er auf dem Ster­be­bett lag, bat eine vor­neh­me Wit­we, na­mens Azela, ihn be­su­chen zu dür­fen. Er lehn­te ab mit der Be­grün­dung, er wol­le sie lie­ber im an­de­ren Le­ben wie­der­se­hen, wo sie sich ge­gen­sei­tig ih­res An­blicks er­freu­en könn­ten, nach­dem sie sich auf Er­den rein und keusch ge­liebt hät­ten. Dort wer­de kei­ne To­des­angst ihre Lie­be trü­ben.

      We­ni­ger durch Be­ga­bung als durch Cha­rak­ter zeich­ne­te sich Bi­schof Mein­werk von Pa­der­born aus. Ihm lag das Los der Ar­men be­son­ders am Her­zen; es ge­nüg­te ihm nicht, in der üb­li­chen Art Al­mo­sen zu spen­den, er über­wach­te die Mei­er und Vög­te, von de­nen die Hö­ri­gen ab­hin­gen, un­ter­such­te die Ver­hält­nis­se selbst, und da­mit er nicht be­tro­gen wür­de, zog er als Kauf­mann ver­klei­det im Spren­gel her­um. Er ge­bot den Mei­ern, die Hö­ri­gen zur Ern­te­zeit mit Spei­se und Trank zu ver­sor­gen, was vor­her au­gen­schein­lich nicht üb­lich war, und als er ein­mal zu­fäl­lig eine Wirt­schaf­te­rin schimp­fen hör­te, dass man die Ar­bei­ter mit Mehl­sup­pe ab­spei­se, ver­ord­ne­te er, sie soll­ten noch ei­ni­ge Schin­ken au­ßer de­nen er­hal­ten, die die Mei­er oh­ne­hin ih­nen zu stel­len ver­pflich­tet wa­ren. Wenn er auf Un­re­gel­mä­ßig­kei­ten stieß, wur­de er leicht zor­nig, mach­te aber die Schlä­ge, die er dann etwa aus­teil­te, her­nach in groß­mü­ti­ger Wei­se gut. Zur­zeit ei­ner Hun­gers­not kauf­te er in Köln Ge­trei­de auf und ließ es durch sei­ne Mei­er so ver­tei­len, dass ein Teil dem ei­ge­nen Be­darf, ein Teil den Leu­ten, ein Teil als Sa­men­ge­trei­de und ein Teil den Bett­lern diente. Wo die Be­völ­ke­rung ei­ner Pfar­rei sehr wei­te Wege zur Kir­che hat­te, teil­te er sie ent­we­der oder bau­te eine neue Ka­pel­le in­ner­halb der Pfar­rei.

      Er war ein na­her Ver­wand­ter Hein­richs II. und stand mit ihm auf dem Fuße hu­mo­ris­ti­scher Ne­cke­rei. Als der Kai­ser be­schlos­sen hat­te, ihn zum Bi­schof zu ma­chen, ließ er ihn kom­men und über­reich­te ihm lä­chelnd einen Hand­schuh. Was das zu be­deu­ten habe? frag­te Mein­werk. »Das Bis­tum Pa­der­born«, ant­wor­te­te der Kai­ser. Mit Be­zug dar­auf, dass dies Bis­tum als sehr arm be­kannt war, ent­geg­ne­te Mein­werk: »Was soll mir dies Bis­tum, da ich mit mei­nen ei­ge­nen Gü­tern ein viel statt­li­che­res zu grün­den ver­möch­te.« Eben dar­um, sag­te der Kai­ser, weil Mein­werk reich sei, sol­le er sich der Ar­mut des Pa­der­bor­ner Spren­gels er­bar­men. Es scheint, dass die­se Wor­te die tat­kräf­ti­ge Men­sch­lich­keit Mein­werks ent­zün­de­ten oder doch sie in be­glücken­der Wei­se auf eine große Auf­ga­be lenk­ten. Er warf sich so stür­misch dar­auf, dass er drei Tage nach sei­ner An­kunft in Pa­der­born die be­schei­de­ne und un­ge­nü­gen­de Haupt­kir­che nie­der­rei­ßen ließ und mit großem Auf­wand einen neu­en Dom zu er­rich­ten be­gann. Nicht ge­nug, dass er un­auf­hör­lich aus sei­nem ei­ge­nen Be­sitz spen­de­te, er ver­an­lass­te auch den Kai­ser zu Schen­kun­gen, wo­bei es den Spaß ver­mehr­te, dass die­ser sich sei­ne Ga­ben ab­lis­ten oder ab­trot­zen ließ. Ein­mal schick­te er dem Bi­schof einen Trunk ed­len Weins in ei­nem gold­nen Be­cher. Un­ter ei­nem Vor­wand be­hielt Mein­werk den Be­cher über Nacht, ließ ihn durch einen Gold­schmied in einen Kelch ver­wan­deln und am an­de­ren Tage wäh­rend der Weih­nachts­mes­se in Ge­gen­wart des Kai­sers ge­brau­chen. Der Kai­ser schalt ihn zwar einen Dieb, füg­te sich aber. Da es be­kannt war, dass Mein­werk kein Ge­lehr­ter und nicht si­cher im La­tei­ni­schen war, ließ Hein­rich ein­mal in Mein­werks Mess­buch bei der Ge­bets­for­mel für die Ver­stor­be­nen in den Wor­ten fa­mu­lis et fa­mu­la­bus die Sil­be fa aus­ra­die­ren, so­dass der Bi­schof, als der Kai­ser ihn bat, die See­len­mes­se für sei­ne El­tern zu le­sen, für Maulesel und Maulese­lin­nen be­te­te. Der Be­richt­er­stat­ter fügt hin­zu, dass der Bi­schof zwar zu le­sen an­ge­fan­gen, dann aber doch den Ulk be­merkt habe. Ein­mal trieb der Kai­ser das Hän­seln so weit, dass er auf Per­ga­ment­strei­fen die Wor­te schrei­ben ließ: »Bi­schof Mein­werk, be­stel­le dein Haus, in fünf Ta­gen musst du ster­ben«, und sie in der Um­ge­bung des Bi­schofs ver­streu­en ließ. Für das Ver­hält­nis der Men­schen je­ner Zeit zum Tode ist es be­zeich­nend, mit wel­cher Ruhe und Um­ständ­lich­keit der Bi­schof sich auf sei­ne Ab­be­ru­fung vor­be­rei­te­te, über sein Hab und Gut ver­füg­te, be­te­te, fas­te­te und schließ­lich der Vor­schrift ge­mäß auf dem Bo­den der Kryp­ta aus­ge­streckt das Ende er­war­te­te. Da der Tod aus­blieb, er­riet er den Ver­an­stal­ter des bru­ta­len Scher­zes oder soll­te er ab­sicht­lich auf ihn ein­ge­gan­gen sein? – und be­leg­te den Schul­di­gen und sei­ne Ge­hil­fen mit dem Bann, aus dem sie erst ge­löst wur­den, als der Kai­ser öf­fent­lich Buße ge­tan und zu Fü­ßen des Bi­schofs Ver­zei­hung er­fleht hat­te.

      Ein an­de­rer Ver­wand­ter Kai­ser Hein­richs II., mit dem er gleich­falls gern Ne­cke­rei­en trieb, und der noch mehr An­lass dazu bot als Mein­werk, war Bi­schof Me­gin­gaud von Eich­stätt. Er war ein fröh­li­cher Ze­cher und lieb­te es nicht, sich die Es­sens­zeit durch das vor­ge­schrie­be­ne Psal­men­sin­gen und Be­ten ver­kür­zen zu las­sen. Wenn er ein Klos­ter be­such­te und man ihn, wie üb­lich, mit Ge­sän­gen be­grü­ßen woll­te, stell­te er sie durch einen Wink ab, um de­sto eher zu Tisch ge­hen zu kön­nen. Wenn er das Hochamt hielt, kam es vor, dass er sich är­ger­lich die Se­quenz ver­bat und gleich zum Evan­ge­li­um über­ging: »Die Nar­ren las­sen mich mit ih­rem Ge­sang vor Hun­ger und Durst ster­ben«, sag­te er. Er wur­de leicht hef­tig und fluch­te gern; mit den hun­dert Flü­chen, für die er ein­mal die Er­laub­nis er­hielt, war er im Um­se­hen fer­tig. Wenn die üb­ri­gen Bi­schö­fe sich vor dem Kai­ser er­ho­ben, blieb er sit­zen, weil er der äl­te­re sei, und die Bi­bel ge­bie­te, den Äl­te­ren zu eh­ren. Trotz sei­ner Hef­tig­keit und Form­lo­sig­keit wur­de er ge­liebt. Sein Bio­graf füg­te dem Be­richt, dass Me­gin­gaud die Pries­ter zu­wei­len, um schnell da­mit fer­tig zu wer­den, im Wal­de ge­weiht habe, die Be­mer­kung hin­zu, dass Gott die­se form­lo­se Pries­ter­wei­he im Wal­de viel­leicht lie­ber ge­we­sen sei als die von man­chem Bi­schof in der Kir­che voll­zo­ge­ne; denn Me­gin­gaud sei ohne Falsch ge­we­sen.

      Eine große po­li­ti­sche Rol­le spiel­te Wil­le­gis, wozu ihn schon sei­ne Stel­lung zu­erst als Kanz­ler Ot­tos I., dann als Erz­bi­schof von Mainz und Erz­kanz­ler be­rief. Er hat zur­zeit der bei­den letz­ten Ot­to­nen die Ein­heit des Rei­ches ge­wahrt und dem tüch­ti­gen Her­zog von Bay­ern, Hein­rich II., die Kro­ne zu­ge­wen­det. Wil­le­gis war ein Sach­se, wie man an­nimmt in Schö­nin­gen ge­bo­ren; dass er nie­de­ren Her­kom­mens, etwa gar ein Hö­ri­ger ge­we­sen sei, wird neu­er­dings be­zwei­felt, aber ge­wiss ist, dass er in den Krei­sen des ho­hen Adels nicht be­liebt war. Für die Ar­men sorg­te er durch Al­mo­sen­spen­den und Spei­sun­gen, wo­bei er sich per­sön­lich be­tei­lig­te; er selbst aß erst, nach­dem er die Ar­men be­dient hat­te. Eben­so war er streng in der Beo­b­ach­tung der Ge­bets­stun­den, aber auf grund­sätz­li­che mön­chi­sche As­ke­se leg­te er kei­nen Wert; auf Got­tes­furcht kom­me es an, pfleg­te er zu sa­gen, ein Ka­no­ni­ker, ja ein Laie kön­ne Gott eben­so an­ge­nehm


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