Deutsche Geschichte. Ricarda Huch

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Deutsche Geschichte - Ricarda Huch


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mit Be­geis­te­rung Hie­be aus­ge­teilt oder an reich­be­setz­ter Ta­fel ge­schwelgt hat­ten, über­schwemm­ten bald dar­auf den Bo­den der Kir­che mit Trä­nen.

      Groß war aber auch die Zahl de­rer, die ihr Le­ben in staats­män­ni­scher Ar­beit ver­zehr­ten und da­ne­ben das Bei­spiel der Sit­ten­rein­heit und pries­ter­li­chen Fröm­mig­keit ga­ben.

      Die Lei­den und Ent­beh­run­gen, zu de­nen die Frau durch die Na­tur be­stimmt ist, wird kei­ne mensch­li­che Ein­rich­tung je ganz auf­he­ben kön­nen; denn wer be­frei­te sie von der Lie­be zu den Kin­dern, die von die­sen nie im sel­ben Gra­de er­wi­dert wird, von ih­rer An­häng­lich­keit an den Mann, der im Wech­sel glück­lich ist, von ih­rem Schwel­gen in Un­ter­ord­nung, das ihre Be­herr­scher erst recht zu Ty­ran­nen macht, von ih­rem Pf­licht­ge­fühl, das sie an Haus und Fa­mi­lie bin­det, von der Zart­heit ih­res Ge­wis­sens, das ihr man­ches ver­bie­tet, was der Mann sich er­laubt, und ihr man­ches auf­er­legt, was der Mann ver­nach­läs­sigt. Sieht man ab von den Be­schrän­kun­gen, mit de­nen die Na­tur die Frau ein­ge­engt hat, so fin­det man, dass so­wohl die ger­ma­ni­sche Auf­fas­sung wie die der Kir­che der Frau güns­tig war. Das Wort Frau heißt Her­rin, und Her­rin­nen wa­ren die ad­li­gen und frei­en nor­di­schen Frau­en, von de­nen Ge­schich­te und Sage mel­den. Durch das Ge­setz al­ler­dings war die Frau vom Man­ne ab­hän­gig und von der Be­tä­ti­gung im staat­li­chen Le­ben ganz aus­ge­schlos­sen, wenn sie auch im Volks­recht ei­ni­ger Stäm­me dop­pel­tes Wer­geld ge­noss und auch sonst ge­wis­se Züge auf eine zart­füh­len­de Berück­sich­ti­gung der kör­per­lich schwä­che­ren und geis­tig so wirk­sa­men, der op­fer­be­rei­ten, mit so schwe­rer Verant­wor­tung be­la­de­nen Ge­fähr­tin deu­ten. Al­lein man kann auf die Gel­tung, die eine Klas­se von Men­schen hat, nicht nur aus dem Ge­setz schlie­ßen. Die enge Be­zie­hung zwi­schen Mut­ter und Sohn, Va­ter und Toch­ter, Bru­der und Schwes­ter, Mann und Frau schuf im täg­li­chen Le­ben Ge­wohn­hei­ten, die der Frau mehr zu­wen­de­ten, als das plum­pe Ge­setz ihr nahm. So­weit die Per­sön­lich­keit wir­ken konn­te, hat­te die Frau viel Ein­fluss. Lässt er sich sel­ten aus­drück­lich be­rech­nen, so spie­gelt er sich dar­in, dass die Über­lie­fe­rung oft, wenn ein Mann et­was im Gu­ten oder Bö­sen Auf­fal­len­des, et­was Sieg­haf­tes oder Un­heil­vol­les tat, die Mut­ter oder Frau da­für ver­ant­wort­lich mach­te.

      Un­bän­di­ger Stolz be­seel­te die deut­sche und na­ment­lich die nor­di­sche Frau, eben­so wie die nord­ger­ma­ni­schen Män­ner. Sie zür­nen dem Va­ter, wenn er sie, ohne sie um ihre Ein­wil­li­gung zu fra­gen, ver­mählt, zür­nen ihm dop­pelt, wenn er sie ei­nem Une­ben­bür­ti­gen gibt. Es kommt vor, dass der Mann die Frau im Zor­ne schlägt, aber eben­so­oft, dass sie den Schlag mit sei­nem Tode rächt. Als der nor­we­gi­sche Kö­nig Olaf Trygg­va­sohn um die schwe­di­sche Kö­ni­gin Si­grid warb und ver­lang­te, dass sie Chris­tin wür­de und sie das nicht woll­te, schlug er ihr den Hand­schuh ins Ge­sicht. »Das soll dir noch ein­mal den Tod brin­gen«, sag­te sie und hielt Wort. Sie hei­ra­te­te den Dä­nen­kö­nig Sven Ga­bel­bart und be­wog ihn, Olaf zu be­krie­gen, bis er als Un­ter­lie­gen­der sich selbst den Tod gab. Es scheint, dass die Män­ner die Frau­en umso mehr lieb­ten, je stol­zer, küh­ner und selbst­stän­di­ger sie wa­ren. Sie be­wun­der­ten ihre Klug­heit, hör­ten auf ih­ren Rat, ord­ne­ten sich ih­nen un­ter, hat­ten be­son­ders eine aber­gläu­bi­sche Ehr­furcht vor ih­nen, wenn sie ihre Se­her­ga­be, Zau­ber­kunst und Heil­kunst aus­üb­ten. Zur­zeit, als die Sit­ten schon be­deu­tend ge­mil­dert wa­ren, er­schei­nen in der Dich­tung Kriem­hild und Gu­drun in ei­ner Pracht der Per­sön­lich­keit, wie sie nur bei un­ge­kränk­tem Selbst­ge­fühl sich ent­fal­ten kann. Gu­druns ent­rüs­te­te Ab­leh­nung ei­nes Ge­mahls, der Va­sall ist, ver­an­lasst ver­hee­ren­den Krieg, und wil­den Stolz ver­leug­net das Kö­nigs­kind nie, nicht in To­des­ge­fahr, nicht un­ter Qua­len und De­mü­ti­gun­gen, nicht ge­gen­über der Schmei­che­lei. Als Bräu­ti­gam und Bru­der sie wie­der­ge­fun­den ha­ben und Be­frei­ung in Aus­sicht steht, ist ihr ers­tes Tun, dass sie mit ju­beln­dem Hohn die Wä­sche, die sie wa­schen muss­te, ins Meer wirft. In kö­nig­li­cher Groß­mut sucht sie die Fein­din, als sich der Sieg den Ihren zu­ge­wen­det hat, zu schüt­zen, fin­det es aber doch rich­tig, dass die Frau, die sie, die Hoch­ge­bo­re­ne, ge­zwun­gen hat, Magd­diens­te zu tun, mit dem Tode bü­ßen muss. Nicht sel­ten er­scheint der Ver­schwen­dung, den hoch­mü­ti­gen An­sprü­chen der Frau ge­gen­über der Mann als der Be­schei­de­nere, Maß­vol­le­re.

      Wie viel An­teil die Frau­en an den Staats­ge­schäf­ten nah­men, zeigt die Ge­schich­te. Ber­tra­da, die Mut­ter Karls des Gro­ßen, ver­an­lass­te sei­ne Hei­rat mit ei­ner lan­go­bar­di­schen Prin­zes­sin; ob­wohl an­de­re Wege ein­ge­schla­gen wur­den, blieb sie bis zu ih­rem Tode hoch­ge­ehrt von ih­rem Sohn und ih­rer gan­zen Fa­mi­lie. Eine ähn­li­che Stel­lung hat­te in Sach­sen die frän­ki­sche Oda, die Frau Lu­dolfs und Mut­ter der Her­zö­ge Brun und Otto, und ganz be­son­ders die Kö­ni­gin Mat­hil­de. Sie wur­de ei­ner Hei­li­gen gleich ge­ach­tet, ihr Name erb­te sich in der Fa­mi­lie fort, so­lan­ge sie be­stand. Nicht nur ihre ei­ge­nen er­wach­se­nen Söh­ne be­trach­te­ten sie als Ober­haupt, son­dern auch Ot­tos na­tür­li­cher Sohn Wil­helm, der Erz­bi­schof von Mainz. Nach dem Tode ih­res Man­nes be­schäf­tig­te sie sich mit der Sor­ge für Arme, Kran­ke und Pil­ger, was als vor­nehms­te Auf­ga­be der Frau an­ge­se­hen wur­de, aber auch mit Hand­ar­beit und Wis­sen­schaft; ihr Bio­graf be­tont, dass sie bei al­ler De­mut im­mer die kö­nig­li­che Wür­de be­haup­te­te. Sei­ner Schwes­ter Mat­hil­de, der Äb­tis­sin von Qued­lin­burg, ver­trau­te Otto der Gro­ße wäh­rend sei­ner Ab­we­sen­heit das Reich an; sei­ne Toch­ter Mat­hil­de, eben­falls Äb­tis­sin von Qued­lin­burg, hat­te großen Ein­fluss wäh­rend der Kind­heit Ot­tos III. Ot­tos Bru­der Hein­rich hat­te zwei ener­gi­sche und klu­ge Töch­ter, Ger­ber­ga, die Äb­tis­sin von Gan­ders­heim wur­de, und Ju­dith, die Gat­tin des viel äl­te­ren Her­zogs Burk­hard von Schwa­ben, wel­che letz­te­re ganz be­son­ders so­wohl des Va­ters Schön­heit so­wie sei­ne Herrsch­sucht und sein hef­ti­ges Tem­pe­ra­ment ge­erbt zu ha­ben scheint. Ihr Freund Ek­ke­hard II., den sie zu sich auf den Ho­hent­wiel be­fahl, um mit ihr den Vir­gil zu le­sen, und den sie mit Gna­den und Ge­schen­ken über­häuf­te, ge­noss die Gunst der her­ben Dame halb wi­der­wil­lig; so we­nigs­tens wird be­rich­tet. Un­ter der Füh­rung der Äb­tis­sin Ger­ber­ga und der Leh­re­rin Richar­dis bil­de­te sich im Klos­ter Gan­ders­heim, am Ran­de des Har­zes, die Dich­te­rin Hro­swi­tha, de­ren Werk, wenn es auch, wie der Kör­per von ei­ner Kut­te, durch die frem­de Spra­che ver­mummt ist, Ver­stand und Ge­schmack und eine fes­te Li­ni­en­füh­rung of­fen­bart. Dass Non­nen La­tein lern­ten, war nicht sel­ten. Nicht nur die Mäd­chen, son­dern auch die Kna­ben er­hiel­ten ih­ren ers­ten Un­ter­richt in den Frau­en­k­lös­tern. Un­ter den Frau­en der Sa­lier ragt Gi­se­la, die Wit­we des Her­zogs von Schwa­ben und Mut­ter des un­glück­li­chen Ernst, als be­deu­ten­de Per­sön­lich­keit her­vor. Sehr großen Ein­fluss scheint die Braun­sen­wei­ge­rin Ri­chen­za auf ih­ren Mann, den Kö­nig Lo­thar, ge­habt zu ha­ben, so­dass, wer et­was bei ihm er­rei­chen woll­te, zu­erst sie zu ge­win­nen such­te. Als sie mit Lo­thar in Ita­li­en war, be­such­te sie nicht nur die hei­li­gen Stät­ten, um zu be­ten, wie das üb­lich war, son­dern auch die durch Ge­schich­te und Kunst denk­wür­di­gen Orte. Nach dem Tode ih­res Man­nes war sie noch jah­re­lang


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