Deutsche Geschichte. Ricarda Huch

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Deutsche Geschichte - Ricarda Huch


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von Mei­ßen wur­de, durch die auf­rüh­re­ri­schen Tsche­chen gab Wil­le­gis Ge­le­gen­heit, sei­ne Dank­bar­keit zu er­wei­sen: er nahm den Pfle­ge­va­ter herz­lich auf und be­rei­te­te ihm in Er­furt eine Hei­mat. Sei­ner­seits brach­te Wil­le­gis durch sei­ne Emp­feh­lung einen tüch­ti­gen Mann auf den Bi­schofs­stuhl zu Worms, Burchard, der als ers­ter ein ge­schrie­be­nes Recht für sei­ne Fa­mi­lie, näm­lich die auf dem Stifts­ge­biet an­säs­si­gen, der Kir­che und ih­rer Ge­richts­bar­keit un­ter­ge­be­nen Leu­te, ver­fass­te. »We­gen der un­abläs­si­gen Kla­gen der Ar­men«, so be­ginnt das be­rühm­te Ho­frecht, »und der zahl­rei­chen Ge­walt­ta­ten vie­ler Per­so­nen, die wie Hun­de die Fa­mi­lie des hei­li­gen Pe­trus zer­fleisch­ten, in­dem sie den die­ser Fa­mi­lie Zu­ge­hö­ri­gen alle mög­li­chen Ge­set­ze auf­bür­de­ten und die Schwa­chen durch ihre Ur­tei­le un­ter­drück­ten, habe ich, Bi­schof Burchard, un­ter dem Bei­rat mei­nes Kle­rus, mei­ner Va­sal­len und der gan­zen Fa­mi­lie die­se Ge­set­ze auf­zeich­nen las­sen, da­mit kein Stifts­vogt, Viz­tum, Mi­nis­te­ri­al oder sonst eine recht­wei­sen­de Per­son der ge­nann­ten Fa­mi­lie et­was Neu­es auf­er­le­gen kön­ne, son­dern dass reich wie arm ein und das­sel­be Ge­setz vor Au­gen ge­stellt wer­de und al­len ge­mein­sam sei.« Der mäch­ti­ge Bi­schof er­ließ kein Ge­setz ohne die Mit­wir­kung und Zu­stim­mung nicht nur des Kle­rus und sei­ner Va­sal­len, son­dern auch sei­ner Un­ter­ge­be­nen.

      Burchard zeig­te sich als ge­schick­ter Po­li­ti­ker, in­dem er die sa­li­schen Her­zö­ge zum Ver­las­sen der Stadt Worms zu be­we­gen wuss­te und da­durch ihr al­lei­ni­ger Herr wur­de. Als sol­cher hat er sie in fünf­und­zwan­zig­jäh­ri­ger Re­gie­rung in­ner­lich und äu­ßer­lich ge­pflegt und ge­ho­ben. Wil­le­gis nach­ei­fernd bau­te er den Dom auf ei­ner al­ten Kult­stät­te, wo eine früh­christ­li­che Ba­si­li­ka ge­stan­den hat­te, die vom Blitz ver­nich­tet und noch nicht wie­der auf­ge­baut war. Das herr­li­che Ge­bäu­de ist wohl mehr­fach ver­än­dert, aber in der Grund­an­lage er­hal­ten ge­blie­ben; die Fes­tig­keit sei­ner Mau­ern hat im Jah­re 1689 der sys­te­ma­ti­schen Zer­stö­rungs­wut der Fran­zo­sen ge­trotzt. Bis zur Vollen­dung des Doms von Spey­er war der Dom von Worms die Be­gräb­nis­stät­te der Sa­lier; hier ruht Her­zog Kon­rad der Rote, der Schwie­ger­sohn Otto I., der in der großen Un­garschlacht fiel. Jetzt ist der Dom fast das ein­zi­ge Denk­mal aus Worms’ großen Ta­gen.

      Ein großer Bau­herr war Burchards Zeit­ge­nos­se, Erz­bi­schof Pop­po von Tri­er. Von ei­ner Rei­se nach Je­ru­sa­lem brach­te er den Ein­sied­ler Si­me­on mit, der sich in der Por­ta Ni­gra ein­nis­te­te und dort sein Ere­mi­ten­da­sein wei­ter­führ­te. Als er ge­stor­ben und hei­lig­ge­spro­chen war, wan­del­te Pop­po das Hei­den­tor in eine christ­li­che Dop­pel­kir­che um, so­dass das zwei­te Stock­werk des­sel­ben die un­te­re, das drit­te die Ober­kir­che wur­de; die Wehr­gän­ge des Tors bil­de­ten die Sei­ten­schif­fe. Als ein Wahr­zei­chen des tri­um­phie­ren­den Chris­ten­tums über­wuchs Sankt Si­me­on fan­tas­tisch die Rie­sen­spur der rö­mi­schen Kai­ser­macht. Den An­lass zu Pop­pos Pil­ger­fahrt nach Je­ru­sa­lem soll ge­ge­ben ha­ben, dass er das alte, in der Mero­win­ger­zeit ge­grün­de­te Klos­ter Pfal­zel auf­ge­ho­ben hat­te, des­sen In­sas­sen den An­sprü­chen der Re­form­zeit nicht ge­nüg­ten; eine Non­ne ging so weit, sich in den Erz­bi­schof zu ver­lie­ben und ihm einen Lie­bes­zau­ber in die Schu­he zu nä­hen. Den aus der letz­ten rö­mi­schen Zeit stam­men­den Dom ließ Pop­po zu ei­nem drei­schif­fi­gen Hal­len­bau mit zwei Tür­men um­bau­en. Als er im Jah­re 1047 auf dem Bau­platz den Ar­bei­tern zu­sah, er­eil­te den Mäch­ti­gen der Tod durch einen Son­nen­stich. Er war ein Sohn des Mark­gra­fen Leo­pold I. von Ös­ter­reich.

      Sein Na­mens­vet­ter, Pa­tri­arch Pop­po von Aqui­le­ja, der un­ge­fähr gleich­zei­tig re­gier­te, ist der Er­bau­er des Do­mes von Aqui­le­ja und des Palas­tes, von dem nichts mehr als zwei Säu­len üb­rig­ge­blie­ben sind. Von der Höhe des Cam­pa­ni­le, den kräch­zen­de Doh­len um­schwär­men, sieht man im Nor­den die Häup­ter der Al­pen, Tri­glav und Krn und Mon­te Ma­ta­jur, im Sü­den die La­gu­nen und das Meer, im Wes­ten die grü­ne flim­mern­de Ebe­ne des Fri­aul, da­mals ein dem Pa­tri­ar­chat un­ter­wor­fe­nes Ge­biet. Der Pa­tri­arch Pop­po war ein Günst­ling der Kai­ser Hein­rich II. und Kon­rad II., de­ren Schen­kun­gen ihn zu ei­nem der reichs­ten Fürs­ten sei­ner Zeit mach­ten. Wie alle da­ma­li­gen Bi­schö­fe, um­gab er sich mit Mi­nis­te­ria­len und Va­sal­len und rich­te­te Ho­fäm­ter nach dem Mus­ter der Kai­ser­li­chen ein. Eben­so be­deu­tend als Kriegs­mann wie als Staats­mann be­sieg­te er die Un­garn, die in Krain ein­fie­len.

      Bi­schof Pil­grim von Passau fass­te den küh­nen Plan, das be­nach­bar­te Un­garn in sei­ne Di­öze­se ein­zu­be­zie­hen, sein Bis­tum zum Mit­tel­punkt der un­ga­ri­schen Kir­che, sich selbst zum Erz­bi­schof von Un­garn zu ma­chen. Zu die­sem Zweck woll­te er durch ge­fälsch­te Ur­kun­den glaub­haft ma­chen, dass das alte Lau­ria­kum an der Mün­dung der Enns in die Do­nau in frü­he­rer Zeit ein Erz­bis­tum ge­we­sen sei, mit dem Passau zu­sam­men­ge­han­gen habe, und er­such­te den Papst, das un­ter­ge­gan­ge­ne wie­der­her­zu­stel­len. Da­durch wäre Passau von Salz­burg un­ab­hän­gig ge­wor­den, eine Ver­än­de­rung, der der Erz­bi­schof von Salz­burg sich na­tür­lich wi­der­setzt hät­te. We­der Papst noch Kai­ser hat­ten für den groß­ar­ti­gen, fol­gen­rei­chen Plan Ver­ständ­nis. Otto III. un­ter­stütz­te viel­mehr das Be­stre­ben der Her­zö­ge Gei­sa und Ste­phan von Un­garn, ihr Land zu ei­nem selbst­stän­di­gen Staat zu ma­chen, und stand ih­nen bei, das Erz­bis­tum Gne­sen für Un­garn zu grün­den, wo­mit die Mög­lich­keit schwand, das Land, das bis­her po­li­tisch und kul­tu­rell vom deut­schen Rei­che ab­hän­gig ge­we­sen war, kirch­lich an Deutsch­land zu bin­den. Das selt­sa­me Auftau­chen von Pil­grims Na­men im Ni­be­lun­gen­lie­de hat zu der An­nah­me ge­führt, das größ­te Epos der Deut­schen sei an sei­nem Hofe, viel­leicht un­ter sei­nem Ein­fluss ent­stan­den. Da wo die Do­nau sich der Ost­mark zu­wen­det, mö­gen sich wohl die Lie­der von der bur­gun­di­schen Kö­nigs­toch­ter, die vom Rhei­ne her, un­ge­sät­tig­te Ra­che im Her­zen, den schil­fum­ra­schel­ten Strom hin­un­ter zu tra­gi­scher Hoch­zeit fuhr, im Ge­dächt­nis des Vol­kes er­hal­ten ha­ben.

      Ein Freund der al­ten Volks­ge­sän­ge war der schö­ne Bi­schof Gün­ther von Bam­berg, der auf ei­ner Pil­ger­fahrt ins Hei­li­ge Land mehr­mals für den Kö­nig ge­hal­ten wur­de, was wohl mit sei­ner Schön­heit und stol­zen Hal­tung zu­sam­men­hing. Bei den vie­len Aben­teu­ern, die die Pil­ger, un­ter de­nen noch an­de­re Kir­chen­fürs­ten und meh­re­re Gra­fen und Her­ren wa­ren, zu be­ste­hen hat­ten, ging Gün­ther al­len an un­er­schüt­ter­li­chem Mut vor­an. Kurz vor Je­ru­sa­lem wur­den sie von Ara­bern über­fal­len; ein Teil wur­de er­mor­det, ein an­de­rer warf sich un­ter Gün­thers Füh­rung in einen fes­ten Turm und ver­tei­dig­te sich dort. Nach­dem ein Waf­fen­still­stand ge­schlos­sen war, wur­den meh­re­re Ara­ber­fürs­ten ein­ge­las­sen, um über den Preis der Be­frei­ung zu ver­han­deln. Ei­ner von die­sen be­droh­te Bi­schof Gün­ther, den er für den höchs­ten von al­len hielt, in ro­hen Wor­ten mit dem Tode. Kaum hat­te Gün­ther durch den Dol­met­scher er­fah­ren, was der Mann ge­sagt hat­te, als er, nicht im Ge­rings­ten be­un­ru­higt, den Feind mit ei­nem Faust­schlag zu Bo­den streck­te und ihm mit dem Fuße die Keh­le zu­drück­te. Ei­ni­ge Wo­chen spä­ter


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