Deutsche Geschichte. Ricarda Huch
Читать онлайн книгу.der städtischen Macht gegenüber der fürstlichen hauptsächlicher Antrieb sein, kein Vorwand. Die Zölle waren ein Regal, und als rechtmäßig galten nur die vom König oder mit königlicher Bewilligung errichteten Zollstätten. Seit geraumer Zeit erlaubten sich Fürsten und Herren willkürliche Zollforderungen, die einer Art von Wegelagerei gleichkamen und den Verkehr unerträglich erschwerten. Während es am Rheine im 12. Jahrhundert 19 Zollstätten gab, waren es in der Mitte des 13. Jahrhunderts etwa 35. Auf der Burg Kaiserswert, die Barbarossa im Jahre 1189 als Zollstätte erbaute, stand die Inschrift: Hoc decus imperii caesar Fridericus adauxit justitiam stabiliere volens et ut ubique pax sit. Die Burgen, von denen aus neuerdings die Kaufleute auf Grund willkürlicher Zollforderungen erhoben wurden, waren keine Zierde, sondern eine Schande des Reiches, dienten nicht der Ordnung und dem Frieden, sondern dem Raub und der Gewalt. Da die Gewalttat von Fürsten und Herren ausging und sich gegen die Städte richtete, musste es von vornherein bedenklich erscheinen, dass Fürsten und Herren zum Eintritt in den Bund eingeladen wurden; die Städte glaubten wohl, ohne diese Ausdehnung auf alle Reichsglieder die kaiserliche Bewilligung nicht zu erlangen. So umfasste denn der Bund bald einen großen Teil des Reiches, allerdings in der Hauptsache nur den südwestlichen. Von norddeutschen Städten traten Münster, Osnabrück und Bremen bei, von östlichen Regensburg; die Zusage dieser mächtigen Donaustadt wurde als ein großer Gewinn betrachtet. Die rheinischen Erzbischöfe und Bischöfe wurden alle Mitglieder, ebenso die Herzöge und der Pfalzgraf von Bayern, die Grafen von Katzenelnbogen, Leiningen, Ziegenhayn, die Herren von Hohenfels und Falkenstein. Als der neugewählte junge König Wilhelm von Holland in Mainz und Worms die Huldigung annahm, erklärte er sich mit dem Bunde und seinen Zielen einverstanden, auf dem Reichstage zu Worms im Jahre 1255 wurde er anerkannt. Es war das erste Mal, dass Städte auf einem Reichstage vertreten waren.
Trotz seiner großen Mitgliederzahl hat der Bund nicht viel, fast gar nichts ausgerichtet. Dem mittelalterlichen Unabhängigkeitssinn entsprechend war er nur lose organisiert. Eine Art Zwang zum Beitritt konnte allerdings durch Handelssperre ausgeübt werden, übrigens aber fehlten Einrichtungen, die ein schnelles und energisches Handeln ermöglicht hätten, es gab weder eine Bundeskasse noch eine Bundesarmee. Der zeitgenössische Chronist Albert von Stade sagte, der Bund habe den Fürsten, Rittern und Räubern nicht gefallen, sie hätten gesagt, es sei schändlich, dass Kaufleute über adlige Männer herrschten. Über den Zweck des Bundes gingen die Interessen der adligen und der städtischen Mitglieder ganz auseinander, wenn auch die beitretenden Fürsten versprachen, alle ungerechten Zölle abzuschaffen. Dass einem Herrn von Bolanden und einem Herrn von Strahlenburg bei Schriesheim ihre Burgen wegen unrechtmäßiger Zölle gebrochen wurden, rechtfertigte den Aufwand des Bundes nicht. Über der Doppelwahl nach dem frühen Tode König Wilhelms löste er sich auf, nachdem er kaum zwei Jahre bestanden hatte.
Trotz seiner kurzen Dauer und seiner geringen Leistungen war der Rheinische Bund ein bedeutungsvolles Ereignis. Mit einem großen Wurf, richtunggebend, traten die Städte in das kämpfende Gewoge der Geschichte ein, scheinbar nur ihre wirtschaftlichen Interessen vertretend, tatsächlich als eine politische Macht, die den Fürsten eine Schranke setzte. Während die Fürsten sich auf Kosten des Reiches vergrößerten, verfochten die Städte den Reichsgedanken; um diese Zeit konnten sie mit Recht sagen, sie seien das Reich. Das mag auch am Königshofe empfunden worden sein: miraculose et potenter, wunderbar und mächtig, so heißt es in einer Urkunde Wilhelms in Bezug auf den Rheinischen Bund, sei durch die Niedrigen für Frieden und Recht gesorgt worden. Denkt man daran, dass im Kreise dieser Niedrigen um diese Zeit die Dome von Freiburg, Straßburg und Köln begonnen wurden, Riesenspuren eines Geschlechtes, das seine Kräfte Unternehmungen zum Dienste des Überirdischen widmete, wird einem klar, wie reich, wie vielseitig das Leben des deutschen Volkes in den Städten strömte. Wie weit der Blick der Gründer des Bundes reichte, beweist die Tatsache, dass die städtischen Mitglieder eine Armensteuer zu entrichten hatten, und die fast noch merkwürdigere, dass sie auch das Interesse der Allerniedrigsten, der Bauern, in ihre Pläne einbezogen. Sie forderten, dass die Herren von ihren Hörigen nicht mehr als das seit dreißig Jahren Herkömmliche verlangten, ja es scheint, dass sie an die Möglichkeit des Anschlusses von Bauernschaften an den Bund dachten. Wäre dieser Gedanke ernstlich ins Auge gefasst und weiter verfolgt worden, wie anders und wie viel harmonischer, wenn auch nicht kampfloser, hätte sich die Geschichte Deutschlands entwickeln können.
Stedinger, Friesen, Dithmarschen
Da wo das Meer und die hohen Berge sind, hatten sich freie Bauern erhalten. Es ist, als ob im Kampfe mit den Elementen, mit Flut und Sturm, mit Felszacken und Eiswüsten etwas von der Unbändigkeit und Urgewalt der Elemente auf die kämpfenden Menschen überginge. Auch bilden Gebirge sowie Meer und Sümpfe eine natürliche Schutzwehr, während die offene Ebene der Verknechtung günstig ist. Die stolze Art der meeranwohnenden Sachsen und Friesen fiel früh auf; besonders die Friesen wurden in der Zeit, wo die Hörigkeit des Bauern als das Selbstverständliche galt, vom Adel als geborene Rebellen betrachtet. Dass sie die Kunst der Entwässerung und der Bedeichung verstanden, wodurch das fette, vom Meer angeschwemmte Land erst bewohnbar wurde, gab ihnen andererseits einen hohen Wert, der von den Besitzern von Sumpfland wohl begriffen wurde. Als Graf Adolf von Schauenburg Wagrien kolonisierte, weigerten sich seine Holsten, den Zehnten zu zahlen und sagten, lieber wollten sie mit eigener Hand ihre Häuser anzünden und ihr Land verlassen, als einer solchen Sklaverei sich unterwerfen; und dabei blieb es. Um die Mitte des zwölften Jahrhunderts begannen auch die Erzbischöfe von Bremen das noch unbebaute Sumpfland an der Unterweser mit Bewohnern des westlichen Küstenlandes zu besiedeln, die damals in einer allgemeinen Bewegung nach dem Osten zu waren. Sie teilten das Land nach holländischem Recht, sogenanntem Hollerrecht aus, wonach die Siedler so gut wie frei waren, außer dass sie einen Grundzins, den Hollerzehnten, zahlten. Andere Ansiedler, wie z. B. die des Klosters Rastede und anderer Klöster, genossen geringere Vorteile; aber im Allgemeinen betrachteten die von Natur streitbaren Leute das Land, das sie selbst in mühseliger Arbeit aus Sumpf und Moor geschaffen hatten, als ihr eigen, achteten Rechte von Grund- und Landesherren nicht und suchten sich ihrer zu erwehren, wenn sie unbequeme Ansprüche erhoben. Im Jahre 1190 erscheint der Name Stedinga zum ersten Male urkundlich; er umfasste ein Gebiet an der Unterweser