Die Löwenskölds - Romantrilogie. Selma Lagerlöf

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Die Löwenskölds - Romantrilogie - Selma Lagerlöf


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dieser Pfarrgarten, dieser Pfarrgarten! Charlotte hätte ihre Schritte nach keinem Ort richten können, der reicher an süßen Erinnerungen gewesen wäre.

      Der Garten war in altfranzösischem Stil angelegt, mit vielen sich kreuzenden Wegen, die alle mit mannshohen Syringenhecken eingefaßt waren. Da und dort befanden sich schmale Öffnungen in diesen Hecken, durch die man in kleine enge Lauben mit einer einzigen Moosbank oder auf grüne Rasenflächen, in denen ein einsamer Rosenbusch stand, gelangte. Es war kein sehr großer Garten. Er war auch vielleicht nicht einmal schön; aber welch ein wunderbarer Zufluchtsort war er für solche, die sich allein zusammenfinden wollten!

      Während Karl Artur Charlotte nacheilte, die ihm nicht den mindesten Blick gönnte, wachte die Erinnerung an alle die Stunden in ihm auf, da sie als eine zärtliche Geliebte hier mit ihm gewandelt war. Stunden, die nun nie wiederkehren würden.

      »Charlotte!« stieß er noch einmal hervor mit einer Stimme, die vor Kummer bebte.

      Es mußte etwas in seiner Stimme gelegen haben, das sie zum Nachgeben zwang. Sie wandte sich zwar nicht um; aber die trotzige Haltung verschwand. Sie blieb stehen und beugte den Kopf so weit zurück, daß er beinahe ihr Gesicht sehen konnte.

      Da war er auch schon neben ihr, schloß sie in seine Arme und küßte sie.

      Dann zog er sie mit sich in eine der Lauben mit einer Moosbank darin. Dort fiel er vor ihr auf die Knie und erging sich in Bewunderung ihrer Treue, ihrer Liebe, ihres Heldenmutes.

      Sie schien erstaunt über sein Feuer, sein Entzücken. Fast mißtrauisch hörte sie ihm zu. Und er wußte wohl, warum. Er war ihr gegenüber immer etwas abweisend gewesen; hatte sie ihm doch die Welt und ihre Verlockungen verkörpert, gegen die er auf seiner Hut sein mußte!

      Aber in diesem holden Augenblick, wo er wußte, daß sie seinetwegen der Versuchung eines großen Reichtums widerstanden hatte, brauchte er sich keinen Zwang aufzuerlegen. Sie wollte ihm von der Werbung Bericht erstatten, aber er hörte kaum zu und unterbrach sie immer wieder durch seine Küsse.

      Als sie ausgeredet hatte, mußte er sie abermals unzählige Male küssen, und schließlich saßen sie ganz still nebeneinander.

      Wo waren nun die strengen, stolzen Worte, die er ihr hatte sagen wollen? Vergessen – ausgewischt aus der Erinnerung. Er bedurfte ihrer nicht mehr. Nun wußte er, daß das geliebte Mädchen niemals eine Gefahr für ihn bedeuten könnte. Sie war keine Sklavin des Mammons, wie er gefürchtet hatte. Welchen Reichtum hatte sie heute verschmäht, um ihm treu zu bleiben!

      Wie sie so in seinen Armen lag, spielte ein leichtes Lächeln um ihre Lippen. Sie sah sehr glücklich aus, glücklicher als je zuvor. Woran dachte sie? Vielleicht sagte sie in diesem Augenblick zu sich selbst, sie begehre nichts als seine Liebe allein, vielleicht gab sie den Gedanken an das Lektorat auf, das beinahe die Ursache der Trennung für sie geworden wäre.

      Sie sagte nichts, aber er lauschte ihren Gedanken.

      »Laß uns nur bald zusammenkommen! Ich stelle keine Bedingungen, ich will nichts als deine Liebe!«

      Aber sollte er sich an Edelmut von ihr übertreffen lassen? Nein, er wollte ihr die größte Freude bereiten. Er wollte ihr zuflüstern, jetzt, da er ihre Gesinnung kenne, werde er es auch wagen. Jetzt wolle er versuchen, sich und ihr einen anständigen Lebensunterhalt zu verschaffen.

      Wie süß war doch dieses Schweigen! Ob sie wohl hörte, was er zu sich selber sagte? Hörte sie das Versprechen, das er ihr gab?

      Er machte eine Anstrengung, seine Gedanken in Worte zu kleiden.

      »Ach, Charlotte!« begann er. »Wie soll ich dir je vergelten können, was du um meinetwillen verschmäht hast?«

      Ihr Haupt lehnte an seiner Schulter, und so konnte er ihr Gesicht nicht sehen.

      »Mein Liebster«, hörte er sie erwidern, »ich bin gar nicht bange. Ich weiß, du wirst mir vollen Ersatz dafür bieten.«

      Ersatz – was meinte sie damit? Wollte sie sagen, sie begehre als Ersatz nichts als seine Liebe? Oder meinte sie etwas anderes. Weshalb hielt sie den Kopf gesenkt? Warum sah sie ihm nicht ins Auge? Hielt sie ihn für eine so ärmliche Partie, daß sie Ersatz heischte, weil sie ihm treu geblieben war? Er war ja doch Geistlicher und Doktor der Philosophie und der Sohn angesehener Eltern, hatte immer versucht, seine Pflichten zu erfüllen, war im Begriff, sich einen Namen als Prediger zu machen, und hatte einen tadellosen Lebenswandel geführt. Glaubte sie wirklich, es sei eine gar so große Entsagung gewesen, Schagerström abzuweisen?

      Nein, natürlich dachte sie gar nicht an so etwas. Er mußte ruhig sein, mit Sanftmut und Milde ihre Gedanken zu erforschen suchen.

      »Was verstehst du unter Ersatz? Ich habe dir ja doch gar nichts zu bieten.«

      Da schmiegte sie sich dichter an ihn, so daß sie ihm ins Ohr flüstern konnte: »Du hast eine viel zu geringe Meinung von dir selbst, mein Geliebter. Du kannst sowohl Dompropst als auch Bischof werden.«

      Da riß er sich so heftig von ihr los, daß sie fast gefallen wäre.

      »Also, weil du Schagerström abgewiesen hast, soll ich Dompropst oder Bischof werden, das erwartest du nun von mir?«

      Sie sah verwirrt zu ihm empor, als erwache sie aus einem Traum. Ja, gewiß, sie hatte geträumt, hatte im Schlaf gesprochen und im Schlaf ihre geheimsten Gedanken verraten. Sie erwiderte nichts. Glaubte sie, diese Fragen bedürften keiner Antwort?

      »Ich frage dich, ob du meinst, ich solle Dompropst oder Bischof werden, weil du Schagerström abgewiesen hast?«

      Nun stieg ihr die Röte in die Wangen. Aha, das Löwensköldsche Blut kam in Wallung! Doch noch immer würdigte sie ihn keiner Antwort.

      Aber Antwort wollte er haben, Antwort mußte er haben.

      »Hörst du nicht? Ich frage dich, ob du erwartest, daß ich Dompropst oder Bischof werden soll, weil du Schagerström abgewiesen hast?«

      Sie warf den Kopf in den Nacken, ihre Augen blitzten. Im Ton tiefster Verachtung warf sie ihm hin: »Selbstverständlich!«

      Nun stand er auf. Er wollte nicht länger neben ihr sitzen. Sein Schmerz über ihre Antwort war grenzenlos, aber er wollte das einem solchen Geschöpf, wie diese Charlotte es war, nicht zeigen. Doch wollte er sich auch nichts vorzuwerfen haben. Er machte noch einen Versuch, freundlich mit diesem verlorenen Weltkind zu sprechen.

      »Liebe Charlotte, ich kann dir für deine Aufrichtigkeit nicht dankbar genug sein. Jetzt weiß ich, daß dir die äußere Stellung alles bedeutet. Ein tadelloser Wandel, ein treues Bestreben, in Christi, meines Meisters, Fußstapfen zu wandeln, hat für dich keinen Wert.«

      Schöne und friedliche Worte. Er erwartete ihre Antwort mit Spannung.

      »Lieber Karl Artur, ich glaube schon, daß ich deinen Wert richtig schätzen kann; auch wenn ich nicht vor dir katzbuckle wie die Weiber in der Gemeinde.«

      Diese Antwort erschien ihm als richtige Grobheit, ihr Ärger machte sich Luft.

      Charlotte stand auf, um ihrer Wege zu gehen. Aber er faßte sie am Arm und hielt sie fest. Diese Unterredung mußte zu Ende geführt werden.

      Charlottes Äußerung über die Weiber in der Gemeinde hatte ihm Frau Sundler in Erinnerung gebracht. Er dachte an das, was sie ihm berichtet hatte, und dadurch wurde sein Zorn aufs neue angefacht. Es kochte in ihm.

      Die Gemütsbewegung riß die Tür in seiner Seele auf, die in den Raum führte, worin die großen, starken Worte als Trauben an Ranken hingen. Nun begann er streng und vermahnend zu ihr zu reden. Er warf ihr ihre Weltliebe vor, ihren Hochmut, ihre Eitelkeit.

      Aber Charlotte hörte ihm nicht lange zu.

      »So minderwertig ich auch bin, so habe ich doch Schagerström abgewiesen«, erinnerte sie ihn in sanftem Ton.

      Er entsetzte sich über ihre Schamlosigkeit.

      »Großer Gott, was ist das für ein Weib!« brach er los. »Hat sie doch soeben erst bekannt, daß sie Schagerström


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