Die Löwenskölds - Romantrilogie. Selma Lagerlöf
Читать онлайн книгу.Karl Artur, vonnöten war. Nur mit einem Wink seiner Hand stellte ihm Gott dieses junge Mädchen in den Weg, das besser für ihn paßte als jedes andere.
Der junge Geistliche war so in seine eigenen Gedanken versunken, daß er nicht die leiseste Bewegung machte, um sich dem schönen Mädchen aus Dalarne zu nähern. Aber sie, die wohl merkte, wie er sie mit den Augen verschlang, konnte ein leises Lachen nicht unterdrücken.
»Du starrst mich ja an, als sei dir ein Bär in den Weg gelaufen«, sagte sie.
Jetzt lachte Karl Artur auch. Merkwürdig, wie leicht es ihm plötzlich geworden war!
»Nein«, sagte er, »nein, ein Bär war es nicht, den ich zu sehen meinte.«
»Dann war es am Ende die böse Waldhexe; die Leute sagen, die Männer würden von ihrem Anblick so gebannt, daß sie sich nicht mehr vom Fleck rühren könnten.«
Sie lachte und zeigte dabei die schönsten, blendend weißen Zähne. Dann wollte sie an Karl Artur vorbeigehen, aber rasch hielt er sie zurück.
»Du darfst noch nicht gehen, denn ich muß mit dir reden. Setz dich hier mit mir auf den Grabenrand!«
Bei dieser Aufforderung sah sie ihn höchst verwundert an, glaubte aber, er werde ihr wohl einiges von ihren Waren abkaufen wollen.
»Aber hier auf der Landstraße kann ich meinen Ranzen nicht aufmachen«, wandte sie ein.
Doch gleich darauf ging ihr ein Licht auf.
»Aber bist du denn nicht der Pfarrer hier im Kirchspiel? Ich meine doch, ich hätte dich gestern auf der Kanzel gesehen.«
Karl Artur fühlte sich sehr beglückt, weil sie ihn predigen gehört hatte und wußte, wer er war.
»Gewiß war ich der Prediger, der gestern in der Kirche predigte, ich bin jedoch nur der Hilfsgeistliche, verstehst du?«
»Aber du wohnst doch wohl in der Propstei? Ich bin gerade auf dem Weg dahin. Komm dann nur in die Küche heraus, da kannst du mir meinen ganzen Sack voll abkaufen.«
Sie meinte, nun werde er sich zufriedengeben; aber noch immer blieb der junge Mann ihr hindernd im Weg stehen.
»Ich will keine von deinen Waren kaufen«, sagte er, »sondern ich will dich fragen, ob du meine Frau werden willst.«
Er brachte die Worte nur mühsam heraus, denn er war in starker Erregung. Es war ihm, als sei sich die ganze Natur ringsum, die Vögel, das rauschende Laub der Bäume, das weidende Vieh, vollständig bewußt, welch ein feierliches Ereignis hier vor sich ging und als verhielte sich alles in Erwartung der Antwort des jungen Mädchens ganz, ganz ruhig.
Das Mädchen aus Dalarne wendete sich ihm hastig zu, wie um zu sehen, ob es ihm ernst sei, schien aber sonst ganz gleichgültig zu bleiben.
»Wir können uns heute abend um zehn Uhr hier auf dem Weg wieder treffen«, sagte sie dann. »Jetzt hab’ ich erst meine Sachen zu besorgen.«
Dann setzte sie ihren Weg nach der Propstei fort, und Karl Artur ließ sie gehen. Er wußte, sie würde am Abend wieder hierherkommen, und ihre Antwort würde ein Ja sein. Sollte sie nun nicht die Braut sein, die Gott für ihn bestimmt hatte?
Er selbst fühlte keine Lust, nach Hause zu gehen und sich an die Arbeit zu setzen. Er schlug den Weg nach dem Hügel ein, um den sich die Straße herumschlängelte. Als er so weit in das Gebüsch hineingekommen war, daß ihn niemand mehr sehen konnte, warf er sich auf den Boden.
Welches Glück, welches wunderbare Glück! Welchen Gefahren war er doch entgangen! Wie merkwürdig waren doch die Ereignisse dieses Tages!
Mit einem Male war er von allen seinen Bekümmernissen befreit worden. Charlotte Löwensköld würde ihn nun nie mehr verlocken können, ein Sklave des Mammons zu werden. Von nun an würde er in Übereinstimmung mit seiner Neigung leben. Die einfache arme Gattin würde ihn in Jesu Fußstapfen wandeln lassen. Er sah die kleine graue Behausung vor sich; er sah die einfache, beglückende Lebensweise. Er sah auch die vollkommene Harmonie zwischen seiner Lehre und seinem Lebenswandel.
Lange lag er auf dem Waldboden und schaute hinauf in das vielästige Gezweig, durch das die Sonnenstrahlen hindurchzuschlüpfen versuchten. Und da war es Karl Artur, als wolle auf dieselbe Weise eine neue glückbringende Liebe in sein gekränktes und verletztes Herz eindringen.
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