Maigret und Pietr der Lette. Georges Simenon

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Maigret und Pietr der Lette - Georges  Simenon


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eine sehr helle Lampe und zog einen furchterregenden, auf einen Karren montierten Apparat zu sich heran.

      Das Prinzip ist simpel: Ein weißes Blatt Papier, das eine Zeit lang auf einem bedruckten oder mit Tinte beschriebenen zweiten Blatt liegt, absorbiert dessen Beschriftung.

      Das Ergebnis ist mit bloßem Auge nicht zu sehen. Doch die Fotografie macht es sichtbar.

      Da es im Labor einen Ofen gab, musste Maigret zwangsläufig dort landen. Fast eine Stunde blieb er Pfeife rauchend davor stehen, während Torrence dem Fotografen zusah, der seines Amtes waltete.

      Endlich öffnete sich die Tür einer Dunkelkammer.

      »Geschafft! Der Schriftzug auf dem Foto lautete: Léon Moutet, Kunstfotograf, Quai des Belges, Fécamp.«

      Nur ein Profi konnte die kaum wahrnehmbaren Zeichen auf der Platte lesen; jemand wie Torrence nahm nur undeutliche Schatten darauf wahr.

      »Wollen Sie die Fotos von der Leiche sehen?«, fragte der Spezialist gut gelaunt. »Sie sind ausgezeichnet! Obwohl es in der Zugtoilette so eng war! Ob Sie’s glauben oder nicht, wir haben den Apparat an der Decke aufgehängt …«

      »Können Sie hier mit der Stadt telefonieren?«, fragte Maigret, auf das Telefon deutend.

      »Ja … Nach neun ist die Telefonistin aber nicht mehr da … Da muss man selbst wählen.«

      Der Kommissar rief das Majestic an. Ein Dolmetscher war am Apparat.

      »Ist Monsieur Mortimer-Levingston zurück?«

      »Ich werde mich erkundigen. Mit wem habe ich die Ehre?«

      »Polizei!«

      »Er ist noch nicht zurück.«

      »Monsieur Oswald Oppenheim auch nicht?«

      »Nein, auch nicht …«

      »Was macht Mrs. Mortimer?«

      Schweigen.

      »Ich frage Sie, was Mrs. Mortimer macht.«

      »Sie … Ich glaube, sie ist in der Bar …«

      »Das heißt, sie ist betrunken?«

      »Sie hat ein paar Cocktails getrunken, ja. Sie erklärt, dass sie ohne ihren Gatten nicht in ihre Suite zurückkehrt. Ist es …«

      »Was?«

      »Hallo! Hier ist der Geschäftsführer«, meldete sich eine andere Stimme. »Haben Sie Neuigkeiten? … Glauben Sie, dass die Zeitungen diese Geschichte aufgreifen?«

      Maigret war zynisch genug, einfach aufzulegen. Um dem Fotografen eine Freude zu machen, warf er einen Blick auf seine zum Trocknen aufgehängten noch feucht glänzenden Abzüge.

      Gleichzeitig sprach er mit Torrence:

      »Sie, mein Lieber, richten sich im Majestic ein. Und vor allem, lassen Sie sich vom Hoteldirektor nicht aus der Ruhe bringen.«

      »Und Sie, Chef?«

      »Ich gehe ins Büro. Um halb sechs fahre ich nach Fécamp. Es lohnt sich nicht, vorher heimzugehen und meine Frau zu wecken. Sagen Sie, die Brasserie ist doch noch offen, oder? Wenn Sie vorbeikommen, bestellen Sie mir ein Bier …«

      »Eins?«, wiederholte Torrence und setzte dabei eine Unschuldsmiene auf.

      »Wenn Sie so gut sein wollen, mein Lieber. Der Kellner ist schlau genug, darunter drei oder vier zu verstehen. Und er soll ein paar Sandwiches dazulegen.«

      Hintereinander stiegen sie eine nicht enden wollende Wendeltreppe hinunter.

      Der Fotograf im schwarzen Kittel blieb allein zurück; nicht ohne Wohlgefallen betrachtete er seine Abzüge und begann sie zu nummerieren.

      In einem eiskalten Hof trennten sich die beiden Polizeibeamten.

      »Wenn Sie das Majestic aus irgendeinem Grund verlassen, sorgen Sie dafür, dass jemand von uns die Stellung hält«, sagte der Kommissar. »Falls nötig, werde ich Sie dort anrufen.«

      Und er ging in sein Büro und schürte den Ofen, dass fast der Rost dabei zerbrach.

      4 Der Zweite Offizier der Seeteufel

      Der Bahnhof von La Bréauté, wo Kommissar Maigret um halb acht aus dem Fernzug Paris– Le Havre ausstieg, gab ihm einen Vorgeschmack von Fécamp.

      Eine schlecht beleuchtete Bahnhofsgaststätte mit schmutzigen Wänden und einer Theke, auf der ein paar trockene Kuchen vor sich hin schimmelten und drei Bananen und fünf Orangen versuchten, eine Pyramide zu bilden.

      Hier toste der Sturm noch wütender. Es goss in Strömen. Um von einem Bahnsteig zum anderen zu gelangen, watete man bis zu den Knien im Matsch.

      Ein ungemütlicher kleiner Zug mit Waggons, die schon lange ausrangiert gehörten. Bauernhöfe, die sich undeutlich, verwischt von Regenschnüren, im bleichen Morgenlicht abzeichneten.

      Fécamp! Ein durchdringender Geruch nach Stockfisch und Hering. Haufen von Fässern. Masten hinter den Lokomotiven. Irgendwo heulte eine Sirene.

      »Quai des Belges?«

      Immer geradeaus. Man brauchte nur durch die zähflüssigen Pfützen zu laufen, in denen die Schuppen der Fische glitzerten und ihre Eingeweide verfaulten.

      Der Kunstfotograf war auch Krämer und Zeitungshändler. Er verkaufte Südwester, Matrosenjacken aus Segeltuch, Hanfseile und Neujahrskarten.

      Ein farbloser, schmächtiger Mann, der seine Frau zu Hilfe rief, sobald das Wort »Polizei« gefallen war. Und sie, eine schöne Normannin, sah Maigret fast provozierend in die Augen.

      »Können Sie mir sagen, welches Foto in diesem Umschlag war?«

      Es dauerte lange. Er musste dem Fotografen die Wörter aus der Nase ziehen, an seiner Stelle denken.

      Das Bild war mindestens acht Jahre alt, denn seit acht Jahren machte er solche Aufnahmen nicht mehr. Er hatte sich einen neuen Apparat gekauft und verkaufte nur noch Fotografien im Postkartenformat.

      Wer hatte sich vor acht Jahren von ihm fotografieren lassen? Es dauerte eine Viertelstunde, bis Monsieur Moutet sich daran erinnerte, dass er Abzüge aller Porträtfotos in einem Album aufbewahrte.

      Seine Frau holte das Album. Matrosen traten ein und gingen wieder. Kinder verlangten Bonbons für einen Sou. Draußen knarrten die Takelagen der Schiffe. Man hörte das Meer über den Kieselstrand am Deich fluten.

      Maigret blätterte das Album durch und präzisierte:

      »Eine junge Frau mit braunen, sehr feinen Haaren …«

      Das genügte.

      »Madame Swaan!«, rief der Fotograf.

      Und gleich fand er das Bild. Es war das einzige Mal, dass er ein vorzeigbares Modell gehabt hatte.

      Die Frau war hübsch, etwa zwanzig Jahre alt. Das Foto passte genau in den Umschlag.

      »Wer ist das?«

      »Sie wohnt noch in Fécamp. Aber heute besitzt sie eine Villa an der Steilküste, fünf Minuten vom Kasino entfernt.«

      »Verheiratet?«

      »Damals nicht. Sie arbeitete als Kassiererin im Hôtel du Chemin de Fer.«

      »Also direkt gegenüber dem Bahnhof!«

      »Ja, Sie haben es bestimmt gesehen, als Sie kamen. Sie ist Waise, stammt aus einem kleinen Ort hier in der Gegend. Les Loges … Kennen Sie ihn? … Sie hat einen Reisenden kennengelernt, der im Hotel abstieg, einen Ausländer. Sie haben geheiratet … Zurzeit lebt sie in der Villa mit ihren zwei Kindern und einer Haushälterin.«

      »Monsieur Swaan wohnt nicht in Fécamp?«

      Es gab eine Pause, und der Fotograf und seine Frau wechselten einen Blick. Dann sprach die Frau.

      »Da Sie von der


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