Sammelband 7 Schicksalsromane: Von ihren Tränen wusste niemand und andere Romane. A. F. Morland
Читать онлайн книгу.auf das bevorstehende Ende ein, möchte alles in Ordnung hinterlassen und ihre beiden Töchter so gut wie möglich versorgt wissen. Dazu gehört ein Plan, von dem Marina, ihre jüngere Tochter, noch nichts weiß.“
„Um was für einen Plan handelt es sich?“, erkundigte sich Dr. Kayser.
„Renate möchte Marina mit Ingolf Stumph, dem reichen Nachbarn, verheiraten.“
„Soviel ich weiß, hat Marina seit Längerem einen festen Freund.“
Irene Trömer nickte. „Gabriel Keller, einen Gemüsehändler. Ein hübscher, anständiger, netter junger Mann, aber er ist Renate nicht gut genug für ihre Tochter.“ Sie schüttelte den Kopf. „Arme Marina! Immer muss ihre Mutter Schicksal spielen! Sie wird nichts unversucht lassen, um die jungen Leute auseinanderzubringen. Margot, Marinas ältere Schwester, hat gut daran getan, sich nach Frankreich abzusetzen. Dort kann sie tun, was sie will, ohne dass es ihre Mutter mitbekommt oder beeinflussen kann.“
„Margot Albrecht ist in Frankreich?“
„Seit drei Monaten.“
Das war für Dr. Kayser neu. Margot Albrecht war keine besonders begabte Schauspielerin, deshalb war ihr auch der Durchbruch noch nicht gelungen.
Sie spielte am Theater und hin und wieder im Fernsehen unbedeutende Rollen und träumte davon, eines Tages ein Star zu sein - was sie wohl nie schaffen würde.
Sven erfuhr von Irene Trömer, dass Margot in Paris mit einem erfolgreichen Filmproduzenten zusammenlebte. Ob sie sich von dieser Liaison einen Karriereschub erhoffte? Sie war berechnend und bei Weitem nicht so sympathisch wie Marina. Für den Arzt Dr. Kayser waren alle Patienten gleich. Aber der Mensch Sven Kayser war Marina Albrecht mehr zugetan.
Irene Trömer nahm von ihm das Rezept in Empfang und erhob sich. Dr. Kayser stand ebenfalls auf und gab ihr die Hand. „Auf Wiedersehen, Frau Trömer.“
„Auf Wiedersehen, Herr Doktor. Wenn ich von nun an wirklich keine Cortisonspritzen mehr brauche, haben Sie mir sehr geholfen.“
„Bestellen Sie Frau Albrecht einen schönen Gruß von mir, wenn Sie sie sehen.“
„Mach ich“, erwiderte die neue Patientin und verließ das Sprechzimmer.
2
Irene Trömer erledigte einige Einkäufe, holte sich aus der Apotheke, was Dr. Kayser ihr verschrieben hatte, und schaute anschließend bei ihrer Freundin vorbei.
„Nun“, sagte Renate Albrecht, während sie Tee und selbst gebackene Kekse servierte, „warst du bei Dr. Kayser.?“ Sie goss Tee in die Tassen aus Meißner Porzellan.
Irene Trömer nickte. „War ich.“ Sie probierte einen der köstlich schmeckenden Kekse, knabberte mit kleinen Bissen daran.
„Und wie gefällt er dir?“, erkundigte sich Renate Albrecht. Sie tat drei Löffel braunen Zucker in ihren Tee.
„Das ist ein Arzt, wie er sein soll“, schwärmte Irene Trömer von Dr. Kayser. „Man kommt rein und fasst sofort Vertrauen zu ihm. Er nimmt sich für seine Patienten Zeit und hört sich geduldig an, was sie ihm erzählen.“
Renate Albrecht rührte ihren Tee um. „Eine Cortisonspritze hat er dir aber nicht gegeben.“
„Nein, das hat er nicht.“
„Das dachte ich mir.“ Renate Albrecht lächelte. „Die kriegst du von ihm nur, wenn es unbedingt sein muss.“
„Er hat mir etwas anderes verschrieben.“
„Es wird dir helfen“, sagte Renate Albrecht überzeugt.
„Ich soll dich von ihm grüßen.“
„Danke“, sagte Renate Albrecht. „Ich kenne keinen kompetenteren Mediziner als Dr. Kayser. Ich bin sehr froh, dass er unser Hausarzt ist. Wann immer man ihn braucht, ist er zur Stelle. Er ist medizinisch bestens ausgebildet und fachlich immer auf dem neuesten Wissensstand. Viele Patienten sehen in ihm nicht nur einen Doktor, sondern auch einen Freund, auf den man sich verlassen kann. Für Dr. Kayser ist das Arztsein kein Beruf, sondern eine Berufung. So mancher seiner Kollegen ist bloß ein hektischer Krankenscheinsammler. Du interessierst ihn nicht. Ihm ist nur das Geld wichtig, das er von der Krankenkasse für dich bekommt, und er ist bestrebt, dich so schnell wie möglich wieder loszuwerden, um während seiner Ordinationszeit so viele Patienten wie möglich drannehmen zu können. Böse Zungen behaupten, dass solche Ärzte über einen eigenen Friedhof für die Patienten, die sie falsch behandelt haben, verfügen.“
Irene Trömer goss aus einem kleinen Keramikkännchen ein paar Tropfen frisch gepressten Zitronensaft in ihren Tee. „Wo ist Marina?“, erkundigte sie sich.
Renate Albrechts Augen verengten sich. „Die treibt sich bestimmt wieder mit diesem Gemüsehändler herum.“
„Sie liebt Gabriel.“ Irene Trömer trank vorsichtig einen Schluck vom heißen Tee.
„Ach was.“ Ihre Freundin schüttelte unwillig den Kopf. „Liebe ist vergänglich“, sagte sie hart. „Sie hat keinen bleibenden Wert.“ Sie zeigte auf die Freundin und auf sich. „Wir beide wissen das doch. Wir haben beide aus Liebe geheiratet. Und wie ist es für uns gelaufen? Du hast mit deiner Ehe Schiffbruch erlitten, ich mit meiner. Zehn Jahre war Margot erst alt, als mein geliebter Göttergatte sich eine jüngere Frau suchte. Marina war gar erst neun. Aber das hat den skrupellosen und egoistischen Schurken nicht die Bohne gestört. Weggegangen ist er. Einfach weggegangen. Unsere Tränen haben ihn nicht im mindesten gerührt. Mit einer großzügigen Unterhaltszahlung hat er sich freigekauft.“ Sie machte eine wegwerfende Handbewegung. „Hör mir auf mit der Liebe.“
„Du hast also tatsächlich die Absicht, Marina mit eurem Nachbarn zu verheiraten“, sagte Irene Trömer.
Renate Albrecht nickte fest. „Das wird mir auch gelingen“, sagte sie überzeugt.
„Was macht dich so sicher?“, fragte Irene. „Vielleicht können die beiden sich überhaupt nicht riechen.“
„Ingolf Stumph ist an Marina sehr interessiert“, entgegnete Renate.
„Aber sie hat kein Interesse an ihm“
„Das kommt noch. Wenn erst mal Gabriel Keller keine Rolle mehr in ihrem Leben spielt ...“
„Sie wird nicht von ihm lassen“, meinte die Freundin.
„Sie muss“, sagte Renate streng.
„DU kannst sie nicht zwingen.“
„Ich denke doch, dass ich das kann.“
„Aber das darfst du nicht“, sagte Irene.
„Warum nicht? Ich bin Marinas Mutter.“
„Aber Marina ist mit vierundzwanzig Jahren eine erwachsene Frau.“
„Die die Liebe blind gemacht hat“, sagte Renate scharf. „Die nicht weiß, was für sie gut ist.“
„Aber du weißt es.“
„Allerdings“, erwiderte Renate Albrecht harsch. „Ich weiß es. Ich weiß, dass mein Kind es bei Ingolf Stumph gut haben wird. Er kann ihr ein Leben in Luxus bieten