Impact-Techniken für die Psychotherapie. Danie Beaulieu

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Impact-Techniken für die Psychotherapie - Danie Beaulieu


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um einen inneren Prozess auszulösen, der über das Therapiegespräch hinaus weiterwirkt.

      Hier nun ein Beispiel, wie dieses Prinzip in einem therapeutischen Rahmen genutzt werden kann, mit Menschen, die nicht bereit sind, ihre bedrückenden Erfahrungen mit anderen zu teilen (Traumata, sexueller Missbrauch, physische und psychische Einschüchterung etc.). Nehmen Sie einen randvollen Müllsack und verschließen Sie ihn mit einer Schnur. Lassen Sie nun die Teilnehmer diesen Sack mit all seinen Gerüchen öffnen und stellen Sie folgende Frage: »Glauben Sie, dass dieser Sack mit seinen unangenehmen Gerüchen nach einiger Zeit weniger oder intensiver stinken wird? Möchten Sie einen Müllsack mit all den schlechten Erinnerungen dauernd mit sich herumtragen? Oder gibt es vielleicht sogar mehrere Säcke? Haben Sie vielleicht festgestellt, dass andere gemerkt haben, dass Sie anders geworden sind, und dass man es spüren kann, dass Sie nicht glücklich sind?« Es wäre einfach, ein langes Gespräch darüber zu führen und diese Metapher auszuschöpfen. Die Klienten, insbesondere die jüngeren, verstehen häufig überhaupt nichts von posttraumatischen Belastungsstörungen, aber sie wissen sehr gut, was mit einem Müllsack gemeint ist. Indem Sie dieses Wissen nutzen, ermöglichen Sie es ihnen, sich besser zu verstehen und gleichzeitig zu erkennen, wie wichtig es ist, den inneren Mülleimer zu leeren!

      Das Konzept der »Utilisierung« von Milton H. Erickson greift dieses Prinzip auf. Er benutzte das Alltagsgeschehen seiner Klienten, betrachtete alles auf eine neue Weise, erleichterte dadurch die Therapeuten-Klienten-Beziehung, verringerte den Widerstand und gab so wichtige Impulse für den therapeutischen Prozess. In der Impact-Therapie »benutzen« wir Gegenstände des Alltags mit dem gleichen Ziel.

      Das Gedächtnis ist direkt mit den Gefühlen verbunden. Erinnern Sie sich noch daran, wo Sie am 11. September 2001 gewesen sind? Wann und wie haben Sie von dem terroristischen Attentat in New York erfahren? Augenblicke im Leben des Menschen, wie z. B. die Geburt eines Kindes, der Tod eines Angehörigen oder eine wichtige Beförderung, sind für immer in unser Gedächtnis eingegraben, weil sie mit starken Emotionen verbunden sind. Die Emotion fördert nicht nur die schnelle Aufnahme der Information, sondern auch ihre Dauerhaftigkeit.

      Es gibt unterschiedliche Möglichkeiten, das mnemotechnische Prinzip in der Psychotherapie anzuwenden. Wie bereits erwähnt, geht es zunächst darum, ein dem Klienten bekanntes und für ihn emotional bedeutsames Objekt zu verwenden. Dadurch erfolgt eine außergewöhnliche Beschleunigung des Prozesses. Beispielsweise wenn Sie einen Kasten Bier auf einen Stuhl stellen, um den Alkoholismus eines Elternteils zu verdeutlichen; wenn Sie Bonbons auf einen Stuhl legen, um die pädophile Neigung eines Erwachsenen darzustellen; den Lieblingsbleistift eines Jugendlichen als Symbol für seine Bereitschaft benutzen, sich mehr Zeit für die Schularbeiten zu nehmen; das Foto einer Familienfeier verwenden, um trotz Schwierigkeiten wieder mit den guten Seiten des Lebens Kontakt aufzunehmen, etc. Jeder besitzt Gegenstände, die mit intensiven Gefühlen verbunden sind.

      Bitten Sie den Klienten, Ihnen mit Gefühlen besetzte Objekte zu nennen. Indem Sie ihn dazu auffordern, stellen sich zwangsläufig tiefe Gefühle und innere Bilder ein, und der Körper und sein ganzes Selbst sind impliziert. Einem meiner Klienten war ein Bein amputiert worden, und es konnte keine Prothese befestigt werden. Er nahm eine leere Bierflasche, drehte sie um, so dass sie nur noch durch den Flaschenhals gehalten wurde, und umschrieb damit seine aktuelle Situation. Dieses einfache Bild war so stark, dass ihm die Tränen in die Augen stiegen: Nur noch auf einem Bein stehen können, von einem geringen Stoß umgeworfen werden können. Es folgte eine eingehende und ausführliche Exploration seiner heutigen Situation.

      Symbole sind stark, sie haben oft mehr Kraft als tausend Wörter, sie setzen Gedanken, Vorstellungen und Gefühle verdichtet um. Lassen Sie Ihre Klienten eigene Symbole finden, und Sie werden überrascht sein, wie leicht sie an den Kern der Probleme gelangen. Erleichtern Sie es ihnen, ihr Erleben zum Ausdruck zu bringen, indem Sie ihnen etwas in die Hand geben, das sie formen, bewegen und gestalten können. Wenn es sich z. B. um ein 7-jähriges Kind handelt, können Sie ihm Monopoly-Geld oder Spielkarten geben und es auffordern, symbolisch sein Verhalten zu quantifizieren. Das Kind hat beispielsweise seinen Freund geschlagen, und Sie fragen es: Ist es wie ein Herz-Ass oder wie eine Pik-Drei? Ist es wie ein Euro, wie hundert Euro oder wie 500 Euro? Wenn Sie ihm die Übung gut beschreiben, wird das Gespräch zu einem Spiel, bei dem Sie vieles über Ihren Klienten in Erfahrung bringen. Haben Sie den Eindruck, dass diese Art der Begegnung mehr Wirkung hat als das reine Gespräch? Dies wird zwangsläufig mehr sein, denn Sie haben vier der oben beschriebenen Mnemotechniken zur Anwendung gebracht.

      Es gibt mindestens zwei weitere Möglichkeiten, Gefühle während des therapeutischen Prozesses anzusprechen. Die erste Möglichkeit besteht darin, die Situation zu dramatisieren, die Angelegenheit auszuweiten. Wenn sich ein Klient z. B. sehr von einem Problem eingenommen fühlt (Scheidung der Eltern, Drogen, körperliche Behinderung, Schulversagen, Liebeskummer etc.), dann schreiben Sie den Begriff auf einen braunen Karton (die hintere Seite von Briefblöcken, etwas sehr Alltägliches, das man nach Gebrauch wegwirft). Nun fordern Sie ihn auf, diesen Karton mit beiden Händen nahe an sein Gesicht zu halten, fingerbreit vor seine Nase, so dass er nichts anderes als dieses Wort auf dem Karton sehen kann. Versuchen Sie jetzt, ihm andere Gegenstände zu zeigen, die er natürlich nicht sehen kann, weil er den Karton vor den Augen hat. Sehr schnell entsteht bei ihm Frustration darüber, dass er alles andere nicht wahrnehmen kann, da sein Gesichtsfeld eingeengt ist. Je mehr es dem Klienten gelingt, Distanz zu nehmen, d. h. den Karton nach und nach weiter von seinem Gesicht wegzubewegen, umso mehr wird er sich entlastet fühlen, weil sein Blick nicht mehr durch die räumliche Beengtheit eingeschränkt ist. Vielleicht wird er sogar, mit einem tiefen Atemzug, von dem Problem Abstand nehmen können.

      Eine andere Möglichkeit, die Gefühle des Klienten anzusprechen, besteht darin, Kodierungen vorzunehmen. Lassen Sie es mich erklären: Unser Gehirn reagiert auf eigentümliche Weise. Das menschliche Wesen besteht aus Gewohnheiten. 95 % unserer Reaktionen sind durch vorausgegangene Erfahrungen automatisiert (Smith 1996). Das bedeutet, dass bestimmte Stimuli voraussehbare Reaktionen auslösen. Haben Sie z. B. nicht auch mit Ihrem Partner oder Ihrer Partnerin freundliche Kosenamen eingeführt wie »mein Schatz«, »mein Lieber, meine Liebe«, »mein Mäuschen, Häschen«? Vielleicht betiteln Sie auch Ihren Sohn oder Ihre Tochter, Ihr Haustier, Ihren Kollegen, Ihre Schwester auf ähnliche Weise? Wenn wir nun davon ausgehen, dass Ihr Gehirn die affektiven Codes gespeichert hat, dann erfolgt eine spontane Annäherung. Zweifeln Sie daran? Das ist normal, denn die meiste Zeit erfolgen solche Reaktionen rein automatisch. Sie sind sich dessen nicht einmal bewusst.

      Versuchen Sie jetzt einmal, an eine fremde Person zu denken, die Ihnen auf eine offenherzige Weise einen netten Spitznamen gegeben hat. Konnten Sie dadurch leichter eine freundschaftliche und vielleicht sogar eine Liebesbeziehung zu dieser Person aufbauen? Solche Codes lassen uns manchmal auf erstaunlich fremdartige Weise reagieren. Hier ein weiteres Beispiel: Mein Schwager ist Polizist. Wir fuhren gemeinsam in seinem Wagen und wurden wegen Geschwindigkeitsübertretung angehalten. Der Polizist fragte nach dem Führerschein, er kannte meinen Schwager nicht. Alle beide besaßen ein Dienstgradabzeichen, sozusagen ihr Erkennungszeichen. Nachdem mein Schwager es ihm gezeigt hatte, erkannten sie sich sogleich als Verbündete. Es gab keine Anzeige, denn sie hatten einen gemeinsamen Code.

      Ein anderes Beispiel: Seit langem fahre ich in den Schulferien mit meinem Sohn nach Kuba. Im letzten Jahr, als ich mit Jordane am Strand war und wir uns unterhielten, kam plötzlich jemand hinzu: »He! Salut! Kommt ihr aus Quebec?«, fragte dieser Fremde auf vertraute Weise. Er hatte einen Code erkannt, denn wir sprachen in dem spanisch sprechenden Umfeld den Dialekt von Quebec. Niemals hätte uns diese Person zu Hause so kameradschaftlich angesprochen. Auch hier schuf der gemeinsame Code eine Annäherung.

      Jedes Mal, wenn Sie in der Therapie einen Gegenstand benutzen und eine Bühne aufbauen, entsteht zwischen Ihnen und Ihrem Klienten eine Art Code. Arbeiten Sie möglichst oft damit. Anstatt ein schüchternes Kind aufzufordern, seine Meinung zu äußern, fragen Sie es ganz einfach, ob es sein »Puzzleteil« heute schon eingesetzt hat. Geben Sie ihm einen Styroporbecher mit nach Hause, um damit an den Inhalt der Stunde zu erinnern und um die Bindung bis zur Sitzung in der nächsten Woche aufrechtzuerhalten. Setzen Sie die in der Therapie entstandenen Codes regelmäßig


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