Atlan-Paket 16: Im Auftrag der Kosmokraten (Teil 2). Hans Kneifel
Читать онлайн книгу.Anima.
»Die Positronik kann nur die Daten kennen, die ihr eingegeben wurden«, erwiderte ich. »Wenn ihre ehemaligen Besitzer den Raumsektor Askyschon-Nurgh nicht kannten, haben sie ihr natürlich auch nicht seine Koordinaten eingeben können.«
»Das ist richtig«, bestätigte Goman-Largo. »Andererseits ...«
Der Satz blieb unvollendet, denn in diesem Augenblick fiel die STERNENSEGLER in den Normalraum zurück. Auf den Bildschirmen der Außenbeobachtung erschien wieder das unendlich erscheinende und dennoch so endliche Meer der Sterne einer Galaxis, der Galaxis Manam-Turu. Vor diesem Hintergrund hoben sich drei besonders hell strahlende Sterne ab: ein roter, ein blauer und ein weißer, die zusammen eine Dreiecksformation bildeten – jedenfalls vom Schiff aus gesehen.
»Was ist das?«, fragte der Tigganoi.
»Das Gumurrah-System«, antwortete Anima. »Es liegt in der Richtung, aus der ich den Ruf meines Ritters vernehme. Von hier aus hoffe ich, eine genauere Peilung vornehmen zu können.« Sie runzelte die Stirn. »Allerdings spürte ich jetzt nichts von ihm.«
»Auch Atlan kann nicht pausenlos rufen«, meinte der Tigganoi. »Wie sind die Verhältnisse im Gumurrah-System?«
»Beantworte die Frage, POSIMOL!«, sagte Anima.
»Das Gumurrah-System besteht aus drei Sonnen, einer blauen, einer weißen und einer roten«, sagte die Positronik. »Sie werden von siebzehn Planeten auf teilweise sehr exzentrischen Bahnen umkreist. Nur einer dieser Planeten trägt Leben. Es mutiert jedoch in so kurzen Intervallen, dass darüber keine feststehenden Informationen existieren. Weit außerhalb des eigentlichen Planetensystems gibt es eine dünne Wolke von kleinen Materieballungen, von denen ständig einige das System durchkreuzen und dabei manchmal mit einem Planeten oder einer Sonne kollidieren.«
»Kometen«, meinte Goman-Largo. »Aber die gibt es ja fast überall. Mich interessiert etwas anderes, POSIMOL. Hast du eine Information darüber, ob es im Gumurrah-System eine Zeitgruft gibt?«
»Darüber liegt keine Information vor«, antwortete die Positronik.
»Wenn es dort eine gäbe, hätten deine früheren Besitzer es dir sowieso nicht verraten«, warf ich ein – in der leisen Hoffnung, durch eine solche Bemerkung irgendwann einmal etwas über ihre ehemaligen Besitzer aus POSIMOL herauszulocken.
Bisher wussten wir lediglich, dass die Hyptons das Schiff irgendwann und irgendwo durch Helfershelfer hatten kapern und in die Raumstation MANAM-PZAN bringen lassen, wo wir es ja auch entdeckt und zur Flucht benutzt hatten. Die Bordpositronik behauptete zwar, alle Daten über das, was vorher mit ihr geschehen war und was mit ihren Erbauern und Besitzern zusammenhing, seien gelöscht worden, aber immerhin hatte sie uns noch ihren ursprünglichen Namen, RAJJA, sagen können und dass er soviel wie STERNENSEGLER bedeutete (weshalb wir sie ja auch STERNENSEGLER genannt hatten). Und sie hatte erklärt, dass sie POSIMOL genannt werden wollte. Diese Informationen mussten schließlich trotz der Löschung noch irgendwo in ihr gesteckt haben. Folglich konnten sich auch noch andere Informationen in ihr verbergen, die vielleicht erst dann offenbar wurden, wenn eine Art Denkanstoß erfolgte.
Diesmal klappte es allerdings noch nicht.
»Welcher Planet ist es, der Leben trägt?«, erkundigte sich Goman-Largo.
»Der schnellste der drei ersten«, antwortete POSIMOL.
Anima lächelte schadenfroh, aber weder mein Modulmann noch ich taten ihr den Gefallen, nicht zu verstehen, was die Positronik gemeint hatte.
Es war ja schließlich offenkundig.
Da das Gumurrah-System drei Sonnen hatte und die Bahnen ihrer Planeten als teilweise sehr exzentrisch bezeichnet worden waren, ließ es sich denken, dass die Bahnen der drei ersten Planeten sich kreuzten, so dass keiner von ihnen eindeutig als der erste, der zweite und der dritte bezeichnet werden konnte. Waren aber ihre Bahngeschwindigkeiten unterschiedlich, so ließen sie sich nach diesem Kriterium einordnen.
»Den möchte ich mir genauer ansehen«, meinte Goman-Largo und sah die Hominidin prüfend an. »Da du zur Zeit sowieso keinen Ruf empfängst und folglich auch keine Peilung vornehmen kannst, ist es ja egal, wo du auf eine Wiederholung wartest.«
Anima zuckte die Schultern, sagte aber nichts.
»POSIMOL, bringe das Schiff in einen Orbit um den schnellsten der drei ersten Planeten!«, befahl der Tigganoi.
Mir fiel der eigentümliche Klang seiner Stimme auf. Ich sah ihn an und bemerkte den angespannten Ausdruck seines Gesichts. Da wurde mir klar, wie sehr er sich danach sehnte, endlich Informationen über die Dinge zu bekommen, die für ihn an erster Stelle rangierten und trotz aller anderen Abenteuer schon immer an erster Stelle rangiert hatten.
Es musste frustrierend für ihn sein, dass er immer wieder ins Leere gestoßen war, wenn er geglaubt hatte, endlich eine Spur gefunden zu haben, die zur Aufdeckung der Geheimnisse führte, die ihn beschäftigten.
POSIMOL gehorchte.
Die STERNENSEGLER beschleunigte und »ritt« auf dem heißen und extrem verdichteten Korpuskularstrahl ihres Impulstriebwerks, bis sie wieder schnell genug für den Sprung in den Linearraum geworden war. Mit Unterlichtgeschwindigkeit in das System einzufliegen, wäre zu zeitraubend gewesen. Es hätte mindestens zehn Stunden gedauert.
Als wir in den Normalraum zurückfielen, stach das Licht der weißen Sonne grell vom Steuerbordsektor der Bildschirmgalerie. Sie war höchstens 50 Millionen Kilometer entfernt. Die rote Sonne strahlte nicht so grell und stand in zirka 100 Millionen Kilometern über dem Schiff, leicht nach Backbord versetzt – und genau an Backbord schien die blaue Sonne. Sie war am größten, strahlte aber am schwächsten, obwohl sie nicht weiter als 45 Millionen Kilometer entfernt war.
Abermals sprang das Impulstriebwerk an. Der Bug des Schiffes schwenkte um einige wenige Grade nach Backbord und hob sich etwas an. Im Frontschirm wurde eine Kugel sichtbar, die von allen drei Sonnen angestrahlt wurde.
Der schnellste der drei ersten Planeten!
Die anderen beiden Weltkugeln entdeckten wir wenig später. Eine entfernte sich gerade von den drei Sonnen, die andere näherte sich ihnen.
Doch sie interessierten uns weniger, da sie kein Leben trugen.
»Hat der schnellste Planet einen Namen?«, erkundigte ich mich bei der Positronik.
»Er heißt Katloch«, antwortete POSIMOL. »Das bedeutet soviel wie Verliere dich.«
Ich spürte, wie meine Haut sich mit heißem Sekret bedeckte. Der Name des Planeten erschien mir als böses Omen. Außerdem erinnerte er ein wenig an den Planeten Kaldoch, auf dem ich den ersten Hinweis auf eine Zeitgruft bekommen hatte. Es war ein wahrhaft schicksalhafter Hinweis gewesen.
Ich fuhr meine Sensorstäbchen weiter aus und musterte Katloch. Er sah allerdings nicht aufregend aus. Ozeane schien es auf ihm überhaupt nicht zu geben. Ich vermochte nur eine vielfach aufgefaltete und irgendwie lederartig runzlige lehmbraune Kruste zu sehen, wahrscheinlich eine trockene Wüste.
Falls es dort noch immer Leben gab, dann musste es entweder eine sehr genügsame oder sehr mörderische Lebensform sein.
»Ich möchte dort landen«, sagte ich.
*
Ganz gegen meine Erwartung hatten weder Goman-Largo noch Anima meiner Absicht widersprochen. Ich war enttäuscht darüber.
Allerdings warteten wir mit der Landung, bis die STERNENSEGLER den Planeten dreimal umkreist und dabei Daten gesammelt hatte. Danach besaß Katloch eine Lufthülle, die zu 88 Prozent aus Stickstoff, zu 4 Prozent aus Kohlendioxid, zu 4 Prozent aus Krypton und zu 3 Prozent aus Sauerstoff bestand. Der Rest waren Spuren verschiedener Edelgase. Die Temperatur an der Oberfläche betrug 53 Grad Celsius, die Schwerkraft 0,79 g. Freies Wasser gab es an der Oberfläche nicht, aber es ließ sich mit den Hypertastern ermitteln, dass in größeren Tiefen einige Vorkommen existierten.
Aber über das Wichtigste holten uns die Taster keine brauchbaren Daten herein, nämlich