Atlan-Paket 16: Im Auftrag der Kosmokraten (Teil 2). Hans Kneifel
Читать онлайн книгу.winzigen Sternhaufen im Raumsektor Ray-Canar. Er enthielt neun Sonnen mit insgesamt zweiundachtzig Planeten. Von den Planeten war keiner bewohnt. Auf elf von ihnen gab es allerdings Leben, wenn auch nur relativ primitives pflanzliches und tierisches Leben. Etwas anderes erregte mich mehr. Auf siebzehn der zweiundachtzig Planeten waren die kaum noch erkennbaren Überreste uralter, längst vergangener Kulturen entdeckt worden. Es waren nur Fragmente gewesen, aber sie ließen doch den Schluss zu, dass diese Kulturen gewaltsam vernichtet worden waren.
Mit den Kräften des Atoms!
So etwas war an sich schon deprimierend genug, aber dass sich so viele »verbrannte« Welten auf so engem Raum wie einem Sternhaufen von knapp 13 Lichtjahren Durchmesser zusammenballten, vermittelte die Ahnung von einer furchtbaren Tragödie, die vor vielleicht Millionen von Jahren den Tod vieler Milliarden intelligenter Wesen und die Vernichtung ihrer wahrscheinlich blühenden Kulturen herbeigeführt hatte.
Krieg nannte man solche Tragödien.
Oh, nein, ich verstand darunter nicht die kleinen bewaffneten Auseinandersetzungen, wie sie zwischen konkurrierenden Händlern, zwischen Händlern und Piraten und ähnlichen Widersachern gelegentlich ausgetragen wurden – und auch nicht den Kampf zwischen dem Erleuchteten und EVOLO!
Das waren völlig unbedeutende Ereignisse – jedenfalls aus meiner Sicht.
Ich meinte die barbarischen Auswüchse von verbohrten Ideologien, von Herrschafts- und Rassenwahn und von falschem Patriotismus, die sich allzu leicht so weit von den Realitäten entfernten, dass sie in der Vernichtung und Selbstvernichtung ganzer Kulturen geendet hatten. Die Erwähnung der Fragmente auf den siebzehn Planeten im Sektor Ray-Canar hatte entsprechende Erinnerungen in mir wiedererweckt, die anscheinend noch auf die Ausbildung aus der Zeitschule von Rhuf zurückgingen.
»Wir werden erhöhte Wachsamkeit pflegen, sobald wir Ray-Canar erreicht haben«, sagte ich zu POSIMOL und zu meinen Gefährten. »Wo der milliardenfache Tod gewütet hat, bleibt manchmal etwas übrig, das den Finder noch nach Millionen Jahren ins Verderben stürzen kann.«
»Vielleicht sollten wir den Kurs ändern und Ray-Canar gar nicht anfliegen«, meinte Neithadl-Off.
»Auf gar keinen Fall!«, protestierte Anima heftig. »Nur dort werde ich eine Möglichkeit finden, die Spur meines Ritters weiter zu verfolgen.«
»Wer weiß, ob du ihn jemals findest«, entgegnete die Vigpanderin. »Wir suchen jetzt schon so lange nach Atlan – und schon so oft hast du geglaubt, ihn endlich wiederzutreffen, und dann war es doch nichts.«
Animas Augen schienen Blitze zu versprühen.
»Diesmal finden wir ihn!«, behauptete sie energisch.
Ich schüttelte verstohlen den Kopf, als Neithadl-Off widersprechen wollte. Dass die Weiber doch oft so streitsüchtig waren!
Aber meine Prinzessin war nicht so schlimm wie andere Frauen. Sie bemerkte meinen »Wink« und beherrschte sich meisterhaft.
»Selbstverständlich helfen wir dir«, flötete sie in versöhnlichem Tonfall.
»Das ist ganz klar«, pflichtete ich ihr bei.
Schließlich mussten wir Animas Moral stärken. Uns war nicht damit gedient, wenn sie durchdrehte. Im Gegenteil, wir mussten daran interessiert sein, dass sie so bald wie möglich erfolgreich war.
Vielleicht konnte dieser Atlan mir dann dabei helfen, meine eigenen Ziele weiterzuverfolgen. Auf Barquass hatten wir keine Möglichkeit gehabt, uns nach den Koordinaten des dreigeteilten Silbernebels zu erkundigen, der das Vermächtnis des Zeitingenieurs Tronh Tronomonh bergen sollte, wie das »Gespenst« von Polterzeit behauptet hatte.
Falls Atlan diese Koordinaten kannte, war ich einen Schritt näher an meinem Ziel. Wenn möglich, würde ich auf dem Weg dorthin selbstverständlich versuchen, mit dem Vermächtnis Tronh Tronomonhs den Temporalbruch zu beheben, den ich in der gesperrten Zeitgruft auf Polterzeit entdeckt hatte. Das war ebenfalls sehr wichtig. Aber wenn ich auf direktem Weg schneller zum Ziel kam, wäre es noch günstiger, denn dann würde es mir leichter fallen, etwas zur Behebung des Temporalbruchs zu tun, der das Gefüge des Universums bedrohte.
»Achtung!«, rief POSIMOL und riss mich aus meinen Überlegungen. »Der Rücksturz in den Normalraum steht unmittelbar bevor.«
Ich schüttelte alle anderen Gedanken ab und konzentrierte mich auf die Beobachtung der Bildschirme und Kontrollen.
Sekunden später fiel die STERNENSEGLER in den Normalraum zurück.
An Backbord und Steuerbord, über und unter uns und hinter dem Schiff dehnte sich das Sternenmeer von Manam-Turu in seiner Erhabenheit.
Genau voraus aber glitzerte und funkelte vor dem Hintergrund eines nachtschwarzen, lichtschluckenden Dunkelnebels ein zum Schlag erhobenes Krummschwert.
Die seltene, vielleicht einmalige und unheilvolle Ahnungen weckende Konstellation von neun Sonnen.
Der Sternhaufen im Raumsektor Ray-Canar!
Eingedenk der siebzehn Planeten in diesem Sternhaufen, deren Kulturen brutal ausgelöscht und deren Bewohner eiskalt hingerichtet worden waren, fiel mir noch ein anderer Name dafür ein.
Das Schwert des Henkers!
8.
Anima
Ich hörte ihn wieder.
Während des Linearflugs war er verstummt gewesen, aber seit dem Rücksturz in den Normalraum vernahm ich ihn erneut: den Ruf meines Ritters Atlan.
Er befand sich in Gefahr, das spürte ich. Aber unterschwellig war in seinem Ruf auch immer eine Art Strömung vorhanden, die mich vor etwas warnte.
Wahrscheinlich lauerte dort, wo mein Ritter sich befand, etwas, das auch mir gefährlich werden konnte.
Doch was spielte das für eine Rolle!
Wenn mein Ritter sich in Not befand, musste ich ihm helfen. Ich hätte gar nicht anders handeln können, selbst wenn ich es gewollt hätte, denn mein Orbiterinstinkt zwang mich dazu, das zu tun, was in seiner »Programmierung« vorgesehen war.
Niemand konnte das richtig begreifen, der nicht den Orbiterstatus besaß. Zwar zeigten Neithadl-Off und Goman-Largo manchmal relativ viel Verständnis für meine Lage, aber oft waren sie auch ungeduldig, ja sogar unwirsch.
Wer bedingungslos an mich glaubte und wessen Geduld mit mir praktisch unendlich war, das war das Einhorn Nussel vom Planeten Mohenn. Aber Nussel war trotz seiner Sprachbegabung und seiner meist intelligenten Ausdrucksweise eben ein Tier mit der ganzen Bedingungslosigkeit von Liebe und Hingabe, die nur ein Tier aufbringen konnte. Für ihn gab es kein Wenn und Aber.
Nussel schien zu spüren, was ich soeben dachte, denn er fuhr mir mit seinen weichen, warmen Nüstern liebkosend übers Gesicht. Mich störte dabei nur die kleine rote Gesichtsmaske aus Metallplastik, von der auf jeder Seite zwei schmale kurze Riemen herabhingen. Die Mohennas hatten ihre Reittiere mit Hilfe dieser Riemen dirigiert. Wenn ich auf Nussel geritten war, hatte ich sie aber nie benutzt. Sie waren demnach unnütz geworden.
Ich griff nach der Maske, um zu versuchen, sie abzustreifen.
Doch da wich Nussel schnaubend zurück.
»Aber sie stört doch nur«, erklärte ich.
»Niemals abnehmen«, entgegnete Nussel störrisch. »Nie wieder versuchen, Anima.«
Ich seufzte.
»Schön, ich versuche es nie wieder, Nussel. Aber falls du sie einmal loswerden willst, brauchst du es mir nur sagen.«
Das Einhorn schüttelte heftig den Kopf, und als ich die Hand ausstreckte, um es zwischen den Ohren zu kraulen, wich es weiter rückwärts aus.
Ich war deshalb fast froh darüber, als Goman-Largo meinen Namen rief.
»Was gibt es?«, fragte ich.
»Würdest du mal hierherkommen!«, bat er und deutete