Perry Rhodan: Pan-Thau-Ra (Sammelband). Andreas Brandhorst
Читать онлайн книгу.»Ich danke dir«, sagte Rhodan und schaltete eine Verbindung zum Kommandanten der IMDABAN.
»Ja?«, meldete sich Tetcher Wantum.
Rhodan hatte keine Schwierigkeiten, den wuchtigen Terraner ausfindig zu machen. Der Kommandant stand ungerührt wie immer an seinem Platz. Er hatte ihn in den letzten Tagen und Nächten nur für kurze Stunden verlassen. Eine beachtliche Ausdauerleistung ohne Aktivatorchip. Und noch beachtlicher war, dass Wantum sich nach Rhodans Beobachtungen kein einziges Mal hingesetzt hatte.
»Den Verband sammeln. Anschließend brechen wir in das Flake-System auf!«, befahl Rhodan und unterbrach den Kanal. »Was haltet ihr von der Sache?«, wandte er sich an die beiden Freunde.
»Wenn der Kanal zu Tetcher Wantum noch stünde, würde ich sagen: Eine Entwicklung, die eine Neuausrichtung unserer Strategie verlangt.« Bull setzte den bierkruggroßen Becher ab, zu dem er in der vorigen Nacht gewechselt war. »Unter uns: eine riesige Kacke!«
»Tiff?«
»Unter uns? Bully hat den Nagel auf den Kopf getroffen.«
Rhodan nickte. Die drei Unsterblichen waren nicht überrascht. Ihr fortgesetzter, drei Tage und Nächte währender Kaffeeplausch hatte keinen Zeitvertreib während des langen Wartens dargestellt, keine koffeinselige Reminiszenz an alte Zeiten, die vielen Krisen und Abenteuer, die man gemeinsam bestanden hatte. Es war von den alten Zeiten die Rede gewesen, ja, doch strikt dem Zweck ihrer Besprechung unterworfen. Es wäre töricht gewesen, auf den riesigen Erfahrungsschatz zu verzichten, den die drei angesammelt hatten – zusammengenommen fast 9000 Jahre.
Rhodan, Bull und Tifflor hatten geplant. In Gedanken und Worten Dutzende Szenarien durchgespielt. Was wäre, wenn die Trümmerflotten so plötzlich und spurlos verschwänden, wie sie aufgetaucht waren? Eitel Freude darüber, in ohnehin schwierigen Zeiten ein undurchsichtiges Problem weniger am Hals zu haben, und zurück in den Alltag? Es war ein verführerischer Gedanke. Ein Gedanke, dem die drei Unsterblichen nicht nachgeben durften, nahmen sie die Verantwortung, die sie trugen, ernst. Wer sagte, dass die Fremden nicht jeden Augenblick zurückkehren würden, in einer Woche, einem Jahr oder einem Jahrzehnt? Und vielleicht hatten sie dann ihren Bruderkrieg ausgestanden und richteten ihre Waffen auf die Terraner? Nein, Augen zu und durch war keine Option.
»Wir müssen evakuieren«, sagte Rhodan.
»Du weißt, was das bedeutet?«, fragte Bull. »Du weißt auch, dass die ganze Aktion unnötig sein kann? Diese Trümmerflotten können jeden Augenblick weiterspringen und sich woanders weiter gegenseitig die Schädel einschlagen.«
»Das ist möglich. Und ebenso, dass diese Flotten über Snowflake materialisieren und den Planeten pulverisieren. Das muss nicht einmal Absicht sein. Snowflake könnte einfach zufällig zwischen die Fronten geraten. Es könnte auch sein, dass diese Fremden es auf Snowflake abgesehen haben.« Er unterbrach sich, hob in einer hilflosen Geste beide Arme. »Seht mich nicht so skeptisch an! Ich weiß, das klingt verrückt. Aber nicht weniger verrückt, als dass aus dem Nichts heraus fremde Flotten materialisieren und einander zusammenschießen. Oder dass sie ausgerechnet in den Ausläufern eines Systems weiterkämpfen. Ich sage, wir müssen evakuieren! Millionen von Leben stehen auf dem Spiel, wir dürfen keine Möglichkeit außer Acht lassen.«
»Ich stimme dir zu, Perry.« Bull strich sich durch das Borstenhaar. »Aber Evakuierung bedeutet, dass du den Notstand ausrufen musst. Auf dieser Eiswelt warten zwei Millionen Seelen darauf, abgeholt zu werden. Nicht jede von ihnen wird so mir nichts, dir nichts ihre Heimat verlassen wollen, andere wird man erst zusammensuchen müssen. Das braucht Zeit, von der wir ausgehen müssen, dass wir sie nicht haben. Wir brauchen horrende Schiffskapazitäten. Und motiviertes, geschultes Personal, das mit Hingabe und Hirn bei der Sache ist. Nichts gegen die Oxtorner, aber das kann ihre Heimatflotte nicht stemmen.«
»Das ist mir klar.« Rhodan nickte langsam. »Wir brauchen zusätzliche Schiffe.«
»Und die willst du von mir?«
»So ist es, Verteidigungsminister. Wir benötigen mehr Schiffe. Und du hast sie.«
»Nicht so viele, wie du dir denkst.« Bull schüttelte den Kopf. Es wirkte, als sei er eben aufgewacht und versuchte, einen bösen Traum abzuschütteln. »Wenn es nur um diesen einen Planeten ginge ... aber sieh dir doch die Lage an. Inzwischen haben wir 21 Sichtungen von diesen Trümmerflotten im Gebiet der Liga. Zum Glück ist bislang keine in der Nähe eines bevölkerungsreichen Systems aufgekreuzt. Man könnte fast meinen, dass Absicht dahintersteckt, irgendeine Taktik. Diese Flotten suchen sich bewusst abgelegene Ecken aus. Frag mich nicht, wieso. Ist nur so ein Gefühl. Und außerdem kann sich die Lage jederzeit ändern. Vielleicht hat sie das schon, die Funkrelaiskette nach Praesepe ist nicht gerade die zügigste und zuverlässigste. Wer weiß, vielleicht sind Trümmerflotten schon in der Nähe von Olymp oder was weiß ich wo aufgetaucht. Fest steht nur, dass sie in der Regel im Doppelpack aufkreuzen. Bei zwei Dritteln der Flotten ist eine Verfolgerflotte auf den Plan getreten. Und ich wette mit dir, dass es beim übrigen Drittel nur eine Frage der Zeit ist.« Bull setzte die Tasse schwer auf dem Tisch auf, erhob sich und ging auf und ab. »Da draußen toben üble Kämpfe. Und wenn ich die bisherigen Sichtungen zusammenzähle, komme ich auf über 50.000 Einheiten, die involviert sind.«
»Weit weniger, als die Liga aufbieten kann, nicht?«, unterbrach ihn Rhodan.
»Ja«, Bull raufte sich die Stoppelhaare. »Und nein. Ja, wenn ich alles zusammenkratze, was irgend möglich ist, und damit meine ich auch Einheiten, die nur nominell als Kriegsschiffe zählen, weil sie kein ernsthaftes Gefecht überstehen würden, kommen wir auf 300.000. Klingt nicht übel, zugegeben. Aber ...« – er hob die Hand, um Rhodan zu bedeuten, dass er noch nicht fertig war – »... diese 300.000 Schiffe müssen über 5000 besiedelte Welten schützen. Rechne es dir aus!«
»Das macht ungefähr 60 Schiffe pro System.«
»Richtig. Und 60 Schiffe sind gegen eine dieser Flotten da draußen ein Nichts. Wenn es darauf ankommt, sind sie platt gewalzt, bevor die Verstärkung auch nur in den Linearflug übergegangen ist. Es sieht also düster aus für uns. Wir müssen Schwerpunkte bilden. An den Orten, an denen bereits Flotten materialisiert sind, und über die Liga verstreut. Kampfkräftige Verbände, die schnell eingreifen können und wenigstens den Hauch einer Chance besitzen, wenn es zum Gefecht kommt.«
»Ich nehme an, du hast die entsprechenden Befehle längst gegeben?«
Bull nickte. »Ja. Ein paar Tage noch, und wir haben uns umgruppiert und sind perfekt aufgestellt. Nur ...«
»Was nur?«
Bull zuckte die Achseln. »Wir wissen nicht, was noch kommt. Was wir jetzt sehen, ist noch längst nicht alles, das kann nicht alles sein. Wir haben noch keine ihrer Versorgungseinheiten gesichtet, keine fabrikneuen. Die Schiffe der Fremden scheinen alle mitgenommen und alt. Aber es ist unwahrscheinlich, dass sie nur solche Schiffe besitzen. So verbissen, wie sie aufeinander eindreschen, müssen sie doch auf Hochtouren neue Schiffe vom Stapel laufen lassen. Wo stecken diese Einheiten? Sparen sie sie für einen Endkampf auf? Und was erwartet uns, wenn sie eingreifen? Die Auswertung unserer Ortungen legt nahe, dass diese Fremden uns eintüten, wenn es hart auf hart kommt. Ihre Feuerkraft ist größer, ihre Schirme sind widerstandsfähiger, und allein schon dieses Aus-dem-Stand-Herumgehüpfe genügt, damit dem verehrten Herrn Verteidigungsminister der kalte Schweiß den Nacken herunterläuft. Allein die Vorstellung, dass eine dieser Flotten im Solsystem materialisiert ...«
»Bully, glaub mir, es geht mir genauso wie dir. Aber ich verlange nicht von dir, dass du die Wachflotte der Erde halbierst und nach Snowflake holst. Hundert oder zweihundert Einheiten sollten genügen, um den harten Kern der Evakuierungsflotte zu bilden.«
Reginald Bull hielt an. »Na also, das klingt doch schon vernünftiger.« Er ging zurück an den Tisch, um von seinem Kaffee zu trinken. Er nahm einen Schluck – und spuckte ihn wieder zurück in die Tasse. »Eiskalt! Diese Trümmerfritzen werden mich noch kennen lernen ...«
Rhodan grinste. »Vielleicht kennst du sie ja schon.« Bull und Tifflor sahen ihn verblüfft an, aber bevor sie nachfragen konnten, fuhr Rhodan