Perry Rhodan 120: Die Cyber-Brutzellen (Silberband). Clark Darlton
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Das Erwachen war für Quiupu sehr schmerzhaft. Er wollte sich an den Hals fassen, doch seine Arme waren nicht frei. Erst als der Fünfte Bote ihn auf die Beine stellte und aus seinem Griff entließ, hatte Quiupu seine Bewegungsfreiheit zurück. Er tastete über die stählerne Manschette, die in seine Haut einschnitt. Das Atmen fiel ihm schwer.
Er wusste nicht, wie das Ding an seinen Hals gelangt war, erinnerte sich nur an den Schlag, der ihn betäubt hatte. Mittlerweile hatte die Umgebung gewechselt, er befand sich wohl in der Zentrale eines Raumschiffs.
Die größte Veränderung hatte der Kybernetiker selbst vollzogen. Er trug keine Kleidung mehr, und seine Haut wirkte wie eine metallische Substanz.
Vom Oberkörper des Fünften Boten löste sich eine Platte, so groß wie eine menschliche Hand, und löste sich scheinbar auf. Der Fünfte Bote schickte seine Subsysteme aus, um das Raumschiff unter seine Kontrolle zu nehmen.
»Was geht hier vor?« Mit der Manschette um den Hals konnte Quiupu sich kaum artikulieren.
Der Fünfte Bote lachte kurz auf. »Natürlich habe ich damit gerechnet, dass die Terraner Fallen für mich bereithalten würden. Sogar einen versteckten Transmitter haben sie in einem Hygieneraum installiert.«
»Nimm dieses Ding von meinem Hals! Ich bekomme keine Luft.«
»Dieses Ding ist ein Teil von mir. Es wird so lange an dir bleiben, bis ich in NATHAN aufgehen kann.«
»Vorher wirst du mitsamt diesem Schiff vernichtet werden.«
»Damit ist nicht zu rechnen.« Das Brutzellenwesen wirkte sehr selbstsicher. »Die Terraner schonen Leben, wo immer es geht. Vielmehr gehe ich davon aus ...«
Der Fünfte Bote unterbrach sich, weil die Schiffsgeschütze feuerten. Ein Holo zeigte den auseinanderbrechenden, teils verglühenden Asteroiden.
»Was ist mit Deininger?«
Quiupu erhielt keine Antwort auf seine Frage. »Wir nehmen jetzt Kurs auf Luna«, triumphierte der positronische Mensch stattdessen. »Entferne dich nicht von meiner Seite, sonst wirst du von der Manschette erwürgt. Alle Systeme dieses Schiffes stehen bereits unter meiner Kontrolle. Beinahe hätte ich eine abgeschottete zweite Positronik übersehen, aber nun ist sie abgeschaltet.«
Wenn die Terraner das Raumschiff in einem konzentrierten Schlag angegriffen hätten, hätte Quiupu dies den Menschen nicht einmal verdenken können. Die Situation war total verfahren, da half nur noch blanke Gewalt.
Einigermaßen überrascht registrierte Quiupu, dass Boulmeester auch nach etlichen Minuten keine Anstalten machte, mit dem Schiff in den Linearraum zu gehen. Die Geschwindigkeit blieb im Unterlichtbereich. Quiupu sprach den Fünften Boten darauf an.
»Im Gedächtnis Boulmeesters gab es keine diesbezüglichen Informationen«, lautete die unwirsche Antwort. »In der Bordpositronik wurden diese Daten gelöscht – und die zweite Positronik darf nicht eingeschaltet werden, sie enthält eine gefährliche Programmierung.«
»Dann schlage ich vor, dass ich mich um den Linearantrieb kümmere.« Quiupu war entschlossen, die erste sich ihm bietende Gelegenheit zu nutzen, um das Schiff zu vernichten. An sich selbst dachte er dabei gar nicht mehr, obwohl ihm eine innere Stimme immer wieder zuzuflüstern schien, dass dies nicht sein Auftrag sei, den er zu erfüllen hatte.
Der Fünfte Bote zögerte.
»Denk daran, dass du nicht unbegrenzt Zeit hast«, provozierte Quiupu.
»Das geht dich nichts an!«
»Warum hast du die völlige Umwandlung vollzogen und Boulmeesters Körper aufgegeben?«
»Ich musste den Trägerkörper eliminieren, weil er unter dem Einfluss der Kleinstpflanzen in der Höhle zu faulen anfing.«
Zufriedenstellend war die Antwort nicht. Quiupu erkannte allerdings, dass der positronische Mensch Schwierigkeiten mit den Pilzsporen bekommen hatte. Quiupu selbst war davon weitgehend unbehelligt geblieben; er verfügte über einen robusten Metabolismus, der auch starke Abweichungen von den Normalwerten vertragen konnte.
»Soll ich nach dem Lineartriebwerk sehen oder nicht?«, fragte Quiupu erneut. Dass er sich mit der terranischen Raumfahrttechnik nur wenig auskannte, behielt er für sich.
Schließlich willigte der Fünfte Bote ein.
Quiupu hantierte eine Weile an den Instrumenten herum. »Eigentlich ein harmloser Defekt«, behauptete er. »Ich müsste in der Triebwerksregion die Problemzone näher eingrenzen.«
»Nein!«, sagte der positronische Mensch. »Wenn du dich von mir entfernst, wirst du sterben.«
»Also bleibe ich hier, dann brauchst du Jahre bis zum Erdmond.«
Der Fünfte Bote zögerte erneut. »Ich lockere die Manschette, sodass du dich im Schiff bewegen kannst«, gestand er schließlich zu. »Sieh nach den Triebwerken, aber wage keinen Widerstand.«
Quiupu registrierte den ersten Hoffnungsschimmer. Wie es weitergehen würde, wusste er indes noch nicht. Er musste eine einfache Lösung finden, geradezu primitiv, damit das spezialisierte positronische Wesen sie nicht erkennen konnte.
Der TSUNAMI-80, der dem Schwesterschiff im Schutz des Mini-ATG folgte, meldete, dass alle Verbindungen zum TSUNAMI-81 abgerissen waren. Der verborgene Transmitter ließ sich ebenso wie der offizielle nicht mehr aktivieren.
Genauere Kenntnis über die Vorfälle auf Outpost-4271 erhielt Tifflor erst von Deininger. Was er dem Ersten Terraner und dem Krisenstab schilderte, bewies erneut, wie sehr die Cyber-Brutzellen unterschätzt worden waren.
»Ich hatte gehofft, dass wenigstens die Pilzsporen negativ auf den Fünften Boten wirken würden«, sagte Deininger. »Ganz scheint das leider nicht geklappt zu haben. Möglicherweise hängt jedoch die letzte Umwandlung dieses Wesens damit zusammen.«
»Boulmeester ist also nicht mehr zu retten«, folgerte Tifflor.
»Da gibt es nichts mehr zu retten«, meinte Deininger. »Es ist zwar traurig, dass ich das sagen muss, aber ich bin überzeugt, dass es von Boulmeesters ursprünglichem Körper keine einzige Zelle mehr im Originalzustand gibt. Der Fünfte Bote ist eine hochintelligente Maschine, ein Robotermensch, der nur aus Positronik besteht.«
Ein Mitglied des Krisenstabs war Spezialist für die TSUNAMIS. Er behauptete, dass insbesondere der Koko-Interpreter sich gegen Boulmeester wehren könnte. Dass das Schiff nicht in den Linearflug ging, schrieb er dem Koko zu.
Franzlin hingegen war der Ansicht, dass die Schiffseinrichtungen kein Hindernis für die Cyber-Brutzellen darstellten.
»Ich fasse zusammen«, sagte Tifflor schließlich. »Der TSUNAMI-81 darf Luna nicht erreichen. NATHAN würde sich gegen das Schiff zur Wehr setzen und dadurch aller Wahrscheinlichkeit nach die Brutzellen unkontrolliert freisetzen. Das Problem ist unser Findelkind Quiupu. Wir müssten ihn von Bord holen können, doch wegen seiner Halsmanschette, von der Deininger berichtet hat, wäre sogar ein Zugriff durch Teleporter ein unkalkulierbares Risiko. Ich sehe daher keinen Ausweg, es sei denn, wir würden Quiupu opfern. Also bleibt uns nur abzuwarten, wie sich die Situation weiterentwickelt. Wenn der Fünfte Bote das Hologramm an Bord nicht entdeckt haben sollte, bleibt Quiupu vielleicht eine Chance, sich selbst zu helfen.«
In diesem Moment traf die Meldung ein, dass der TSUNAMI-81 im Linearraum verschwunden war. Tifflor gab die Anweisung, zwei Dutzend Schiffe der LFT-Flotte im Mondorbit zu positionieren. Dann setzte er sich mit Perry Rhodan in Verbindung, der schon auf Luna war, um mit NATHAN und den Hanse-Sprechern im Stalhof zu beraten.
Die Logikeinheit des Fünften Boten schloss nicht aus, dass Quiupu Erfolg haben könnte, verlangte aber, dass alle verfügbaren Subsysteme ebenfalls nach dem vermeintlichen Schaden im Linearantrieb forschen sollten.
Boulmeesters Gedächtnisinhalt war zu wenig. Der Fünfte Bote musste die Wissenslücken auffüllen, und das kostete Zeit und den Einsatz aller Subsysteme.
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