Gia Yü. Konfuzius
Читать онлайн книгу.sein Schicksal zu finden wußte. Daß er sich nicht schämte, als er gefesselt an Händen und Füßen in einem vergitterten Wagen saß, das war, weil er seine Lage zu beurteilen vermochte. Daß er einem Fürsten diente, nachdem er erst auf ihn geschossen hatte, das war, weil er die veränderte Lage verstand. Daß er dem Prinzen Giu nicht in den Tod folgte, das war, weil er erkannt hatte, was wichtig war und was unwichtig war. Der Prinz Giu war noch nicht Fürst, folglich war Guan Dschung auch nicht sein Beamter. Guan Dschung hatte die Fähigkeit, zu ermessen, was seine Pflicht gebot. So starb Guan Dschung nicht, er gürtete die Lenden und stand aufrecht da, so daß der Ruhm seines Namens noch immer ungetrübt ist. Schau Hu starb freilich, aber er tat nichts, als daß er seine Menschlichkeit zu weit trieb. Das will noch nichts heißen.«7
10. Der einsame Mensch
Meister Kung reiste nach Tsi. Unterwegs hörte er die Stimme eines Weinenden, die sehr traurig klang. Meister Kung sprach zu seinem Wagenlenker: »Dieser Weinende ist wohl von Schmerz bewegt, aber es ist nicht der Schmerz eines Mannes, der einen Toten begräbt. Fahr hin zu ihm.«
Nach einer Weile sah man einen seltsamen Menschen mit einer Sichel im Arm und mit einem Strick umgürtet, der bitterlich weinte.
Meister Kung stieg vom Wagen, lief ihm nach und fragte: »Wer seid Ihr?« Jener sprach: »Ich bin Kiu Wu Dsï.«
Er sprach: »Ihr habt doch kein Begräbnis zu besorgen, warum weint Ihr so bitterlich?«
Kiu Wu Dsï sprach: »Ich habe drei Verluste erlitten. Wenn ich später auch zur Besinnung gekommen bin und bereut habe, ich kann sie doch nicht wiedergutmachen.«
Der Meister sprach: »Darf ich die drei Verluste hören? Ich möchte, daß Ihr sie mir ohne Rückhalt sagt.«
Kiu Wu Dsï sprach: »In meiner Jugend liebte ich das Lernen und trieb mich auf der ganzen Welt herum. Als ich dann später heimkam, da war mein Vater gestorben. Das ist mein erster Verlust. Erwachsen diente ich dem Fürsten von Tsi. Der Fürst war stolz und üppig und verlor das Herz seiner Diener. Ich hielt mich für zu gut und folgte ihm nicht. Das ist mein zweiter Verlust. Mein ganzes Leben lang habe ich gute Freunde gehabt, und nun haben sie mich alle verlassen. Das ist mein dritter Verlust.
Der Baum wär’ gerne stille, ach,
Doch läßt des Windes Wehn nicht nach.
Der Sohn möcht’ wohl den Vater pflegen,
Doch ach, der Vater wartet nicht!
Hin gehn sie und kommen nicht wieder, die Jahre,
Und unwiderbringlich dahin sind die Eltern.
Nun will ich Abschied nehmen.«
Mit diesen Worten stürzte er sich ins Wasser und ertrank.
Meister Kung sprach: »Kinder, merkt es euch. Das mag euch zur Warnung dienen!«
Da verließen den Meister und gingen nach Hause, um ihre Eltern zu pflegen, seiner Schüler dreizehn.
11. Der Wert der Bildung
Meister Kung sagte zu seinem Sohne Bo Yü8: »Li, es heißt: Mit einem den ganzen Tag zusammen sein, ohne dessen Überdruß zu erregen, das kann nur der Gebildete. An seinem Äußeren und seiner Gestalt ist nichts Besonderes zu sehen, sein Mut und seine Kraft sind nicht besonders zu fürchten. Über seine Ahnen ist nichts Besonderes zu sagen, von seinem Geschlecht ist nichts Besonderes zu erwähnen, und schließlich macht er sich doch einen großen Namen, daß er allenthalben berühmt ist und auch von der Nachwelt noch genannt wird; das alles ist der Erfolg der Bildung. Darum darf der Edle die Bildung nicht vernachlässigen, er darf nicht versäumen, auch sein Äußeres zu pflegen. Pflegt er sein Äußeres nicht, so findet er keine Gesellschaft. Hat er keine Gesellschaft, so verliert er die Liebe. Verliert er die Liebe, so ist er auch nicht mehr loyal. Ist er nicht loyal, so versäumt er auch die Sitte. Versäumt man die Sitte, so kann man nicht mehr sicher auftreten. Von ferne schon macht einen guten Eindruck ein gepflegtes Äußeres, und was bei näherem Umgange immer mehr gewinnt, das ist die Bildung. Es ist wie mit einem gegrabenen Teich, in dem sich das Regenwasser sammelt; wenn erst Schilf und Binsen darin wachsen, wer sieht ihm dann, wenn er ihn betrachtet, noch an, daß er keine Quelle ist?«
12. Die Pietät des Dsï Lu
Dsï Lu trat vor den Meister Kung und sprach: »Wer schwer zu tragen und einen weiten Weg hat, der ist nicht wählerisch im Platz für seine Ruhe; wer arm von Hause ist und alte Eltern hat, der ist nicht wählerisch in dem Posten, den er annehmen will. Früher, als ich noch meinen beiden Eltern dienen konnte, da hatte ich oft nur Gänsefuß zu essen und mußte den Reis für meine Eltern hundert Meilen weit hertragen. Später, nach dem Tode meiner Eltern, reiste ich einmal im Süden in Tschu, dabei hatte ich hundert Wagen im Gefolge und hatte zehntausend Maß Korn im Vorrat. Ich hatte Polster und Kissen zum Sitzen, ich hatte Mahlzeiten mit vielen Gängen zum Essen. Und doch würde ich lieber wieder Gänsefuß essen und für meine Eltern Reis schleppen. Aber es ist nicht mehr möglich. Wenn erst der Fisch getrocknet am Stricke hängt, dann wird er unwiderbringlich madig: Das Leben der beiden Eltern eilt vorüber wie ein Viergespann an einer Ritze.«
Meister Kung sprach: »Von Yus Liebe zu seinen Eltern kann man behaupten, daß er ihnen bei Lebzeiten mit aller Kraft gedient hat, und daß er nach ihrem Tode ihrer mit aller Anhänglichkeit gedenkt.«
13. Der unverhoffte Freund
Meister Kung reiste einst nach Tan. Da begegnete er unterwegs dem Meister Tscheng. Er schlug den Wagenschlag zurück und plauderte mit ihm den ganzen Tag sehr intim. Dann wandte er sich an Dsï Lu und sprach: »Hole ein Bündel Seidenstoffe und überreiche es dem Herrn.«
Dsï Lu erwiderte ehrerbietig: »Ich habe gehört, ein Gebildeter, der ohne Einführung einen anderen besucht, ist wie ein Mädchen, das ohne Vermittler heiratet. Der Edle hält das nicht für die korrekte Art zu verkehren.«
Nach einer Weile wandte sich der Meister abermals an Dsï Lu; Dsï Lu erwiderte abermals wie zuvor.
Da sprach Meister Kung: »Yu, heißt es nicht im Buch der Lieder:
Da ist ein hübscher Mann
Mit schön geschwungnen Brauen und anmutsvoll,
– Ganz unverhofft haben wir uns getroffen –,
Der mir von Herzen wohlgefällt9.
Nun ist Meister Tscheng einer der bedeutendsten Männer im Reich; wenn ich ihm heute kein Geschenk mache, so kann ich ihn im Leben nicht mehr sehen. Tu es, mein Sohn.«
14. Der Alte am Wasserfall
Als Meister Kung von We nach Lu zurückkam, ließ er den Wagen am Ho-liang-Damm rasten und genoß die Aussicht. Es war ein Wasserfall da, 30 Klafter hoch, der Wirbel erzeugte 90 Meilen weit. Fische und Schildkröten konnten nicht kommen, Riesenschildkröten und Krokodile konnten nicht dort leben. Da kam ein Alter und machte sich fertig durchzuwaten. Meister Kung sandte hin, ihn am Ufer aufhalten zu lassen, und sprach: »Dieser Wasserfall ist 30 Klafter hoch und erzeugt einen Wirbel von 90 Meilen, also daß Fische und Schildkröten nicht hinkommen und Riesenschildkröten und Krokodile nicht darin leben können. Ich denke, er wird sich schwerlich überschreiten lassen.«
Der Alte nahm sichs nicht zu Herzen, sondern ging durch und kam richtig auch wieder heraus.
Meister Kung fragte: »Seid Ihr besonders geschickt, oder habt Ihr einen Zauber? Wie machtet Ihr es, daß Ihr durchgingt und wieder herauskamt?«
Der Alte sprach: