Sophienlust Staffel 15 – Familienroman. Susanne Svanberg

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Sophienlust Staffel 15 – Familienroman - Susanne Svanberg


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nicht verletzt. Aber ihre Mutter …«

      Evi hörte das Wort Mutter, sah auf und begann von Neuem zu klagen: »Mami, ich will zu meiner Mami.«

      »Still, Evi«, flüsterte Betti ihr zu. »Du kannst jetzt nicht zu deiner Mami. Weine nicht, ich bin ja bei dir.«

      Andrea warf Betti einen fragenden Blick zu. Betti überkam es siedend heiß, dass sie ja noch gar nicht wusste, ob Frau von Lehn ihr erlauben würde, Evi mitzunehmen. Es war schließlich nicht ihr Haus, in das sie Evi bringen wollte.

      »Ich habe …, ich wollte …«, begann Betti zu stammeln.

      »Kommen Sie, wir gehen zu meinem Wagen«, sagte Andrea. »Es ist nicht gut für das Kind, wenn wir noch länger hier stehen bleiben.«

      Betti war Andrea für diese Bemerkung dankbar, denn soeben trug man auf einer Tragbahre eine alte Frau vorbei, deren Gesicht mit blutenden Schrammen bedeckt war.

      Andrea wandte sich ab und deutete auf Bettis Köfferchen, das dieser zuvor von einem Polizisten übergeben worden war und das sie achtlos auf eine Bank gestellt hatte.

      »Das ist doch Ihr Koffer, nicht wahr?«, fragte Andrea.

      »Ja, ja«, bestätigte Betti.

      Andrea griff mit der einen Hand nach dem Koffer, mit der anderen nach Bettis Arm.

      Sie führte das Mädchen zu ihrem Wagen, der in einer Seitenstraße parkte.

      »So, da sind wir«, stellte Andrea aufatmend fest. »Jetzt können wir uns in Ruhe darüber unterhalten, was wir mit dem Kind anfangen. Ich nehme an, Sie haben die Erlaubnis, es mitzunehmen. Haben Sie gesagt, dass Sie es nach Sophienlust bringen werden?«

      Das war ein naheliegender Gedanke. Sophienlust war ein Kinderheim, dessen Eigentümer Andrea’s Stiefsohn Dominik war. Bis zur Großjährigkeit dieses Bruders wurde es von dessen Mutter, Denise von Schoenecker, verwaltet.

      »Mutti würde sich freuen, einen neuen Schützling zu bekommen«, fuhr Andrea fort. »Noch dazu, wenn es sich um ein so niedliches kleines Mädchen handelt.«

      Betti machte ein trauriges Gesicht. »Ich habe gedacht …, gehofft …, dem Polizisten habe ich erklärt, dass ich Evi einstweilen bei mir behalten werde. Ich habe unsere …, ihre Adresse angegeben«, meinte sie zögernd.

      »O natürlich, Sie wollen die Kleine nicht im Stich lassen«, erwiderte Andrea verständnisvoll.

      »Dann darf ich …?«

      »Freilich. Das kleine Mädchen soll bei uns wohnen, bis seine … Davon reden wir später«, unterbrach sich Andrea.

      Betti war froh, dass Frau von Lehn vor dem Wort Mutter rechtzeitig innegehalten hatte. Sie fürchtete sich vor dem Augenblick, da sie Evi die Wahrheit mitteilen musste.

      Jetzt kam auch schon die Frage von Evi: »Wohin fahren wir? Warum fährt Mami nicht mit? Wo ist sie?«

      Evi war der Anblick ihrer toten Mutter erspart geblieben. Während Betti diese identifiziert hatte, war Evi bei der freundlichen Krankenschwester geblieben. Nun wusste Evi nicht, wo ihre Mutter war.

      »Ach, Evi, mein Kleines …« Betti konnte nicht verhindern, dass ihr Tränen über die Wangen liefen. »Irgendwann musst du es ja doch erfahren. Deine Mutti …«

      »Ist sie mit dem Rettungsauto ins Krankenhaus gebracht worden? Die Leute auf dem Bahnhof haben gesagt, dass alle, die verletzt wurden, ins Krankenhaus gebracht wurden«, sagte Evi, die nun neben Betti im Fond des Wagens saß.

      »Nein«, schluchzte Betti und rang gleichzeitig um Beherrschung. »Nein, deiner Mutter konnte der Arzt nicht mehr helfen. Sie ist …, sie ist … tot«, hauchte Betti.

      »Tot?«, wiederholte Evi tonlos. Sie verstand nicht recht die Bedeutung dieses Wortes, fühlte aber, dass etwas ganz Furchtbares dahintersteckte.

      Andrea hingegen verriss vor Schreck den Wagen. Sie trat auf die Bremse, fuhr aber dann weiter. Sie hatte sich entschlossen, sich nicht einzumischen. Am Abend würde Zeit genug sein, mit Betti zu reden.

      »Tot?«, fragte Evi ein zweites Mal. »Ist sie nun fort? Kommt sie nicht mehr?«

      »Deine Mami ist im Himmel«, sagte Betti leise.

      »Aber dann werde ich sie nie mehr sehen …« Langsam begriff Evi die Wahrheit.

      Betti drückte das Kind fest an sich. »Ich bin bei dir«, flüsterte sie ihm dabei zu.

      Evi war von dem, was sie soeben erfahren hatte, vollkommen betäubt. Sie saß wie zu Stein erstarrt im Auto und rührte sich nicht. Auch Betti schwieg. Sie wusste nicht, wie sie das Kind trösten sollte. Der Verlust war zu schwer. Es gab keinen Trost.

      Andrea fand ebenfalls keine Worte. Sie verstand nun, was Betti veranlasst hatte, sich um das verwaiste Kind zu kümmern. Aber halt – bisher war ja nur von der Mutter die Rede gewesen. Das Kind musste ja auch einen Vater besitzen, und dieser würde es sicher bald holen.

      Endlich waren sie in Bachenau vor dem Haus der Familie von Lehn angekommen. Andrea hob Evi aus dem Auto und war dann auch Betti, die auf die Wunde an ihrem Schienbein achten musste, beim Aussteigen behilflich.

      Evi stand regungslos da und schien ihre Umgebung überhaupt nicht wahrzunehmen. Betti sah Andrea hilflos an.

      »Zuallererst bringen wir das Kind zu Bett«, beschloss Andrea. »Und dann rufen Sie Frau Dr. Frey an, damit sie herkommt und sich Evi einmal ansieht.«

      »Ja«, meine Betti. »Es war zu viel für die arme Kleine. Ich hätte ihr die Wahrheit verheimlichen sollen.«

      »Das hätte nichts genützt«, erwiderte Andrea. »Früher oder später musste sie sie ja doch erfahren.«

      Andrea wollte Evi in einem der Gästezimmer unterbringen, aber Betti erhob dagegen Einspruch.

      »Nein, ich bringe es nicht übers Herz, das Kind auch nur für kurze Zeit allein zu lassen«, sagte sie. »Könnte ich nicht in meinem Zimmer ein zusätzliches Bett aufstellen?«

      »Ja, das ist eine gute Idee«, fand Andrea.

      Evi sagte gar nichts. Willenlos ließ sie alles über sich ergehen. Sie protestierte nicht, als Andrea sie auszog und ins Bett steckte. Doch als Betti sagte: »So, jetzt versuche zu schlafen. Ich komme bald wieder«, streckte sie die Arme aus und bat: »Bitte, bleib bei mir. Ich fürchte mich so.«

      Andrea nickte Betti zu und meinte: »Setzen sie sich an ihr Bett. Ich werde selbst mit Frau Dr. Frey sprechen und sie bitten, uns aufzusuchen.«

      Evi hatte das Wort Doktor aufgeschnappt und wurde dadurch so weit aus ihrer Lethargie gerissen, dass sie protestierte: »Ich mag keinen Doktor. Der sticht mich mit einer langen Nadel und tut mir weh.«

      »Frau Dr. Frey sticht dich bestimmt nicht«, widersprach Andrea. »Du wirst sehen, dass sie sehr lieb und gut ist. Du darfst Tante Doktor zu ihr sagen.«

      Aber das war Evi gleichgültig. Sie drehte ihr Gesicht zur Wand und verfiel wieder in dumpfes Schweigen.

      Auch als Frau Dr. Frey kam, änderte sich daran nichts. Die Ärztin wunderte sich darüber nicht, denn sie hatte schon am Telefon von Andrea gehört, was Evi zugestoßen war.

      »Ich werde noch öfter kommen müssen, um das Kind zu behandeln«, teilte sie Andrea mit, nachdem sie Evi in Bettis Obhut zurückgelassen hatte.

      »Hat Evi doch irgendeine Verletzung bei dem Zusammenstoß davongetragen?«, fragte Andrea erschrocken.

      »Nein, das ist es nicht. Aber sie hat einen argen Schock erlitten. Es wird geraume Zeit dauern, bis sie ihn überwunden haben wird. Ich werde sie morgen wieder besuchen. Bei dieser Gelegenheit werde ich mich auch gleich um Bettis Schienbein kümmern. Es ist nicht notwendig, dass sie deshalb extra nach Maibach zum Krankenhaus fährt!«

      Andrea dankte Frau Dr. Frey und fügte hinzu: »Ich weiß noch gar nicht, wie lange Evi bei uns bleiben wird. Einstweilen tappe ich noch völlig im Dunkeln, was die Familienverhältnisse


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