Zuhause wartet schon dein Henker. Franziska Steinhauer

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Zuhause wartet schon dein Henker - Franziska Steinhauer


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Tür hinter Hans mit einem lauten Knall zugeschlagen worden.

      »Der trauert auch nicht. Er war im ersten Moment sprachlos, vollkommen verblüfft, aber sonst nichts.«

      »Pfarrer sind nette Menschen, man fragt sie um Rat, also brauchen sie ein gewisses Geschick im Umgang mit anderen. Gutmütig, freundlich, zugewandt, und werden von ihrer Gemeinde hoch geschätzt oder sogar geliebt. Aber dieser?« Lundquist zog missbilligend die Augenbrauen zusammen. »Ein schlechter Vater, kein guter Ehemann, ein schwieriger Freund. Mal sehen, was man uns noch so über ihn erzählt.«

      »Du bist ganz schön bleich. Ist dir schlecht?«

      »Ja. Dieser Geruch … furchtbar. Ob Hunde das wirklich mögen?«

      »Wenn sie nur das kennen, dann sicher.«

      »Okay, ruf bitte das Team zusammen. Wenn die Besuchsliste schon ins Büro gefaxt wurde, nehmen wir sie uns vor und fragen bei allen nach, worum es bei dem Hausbesuch ging, wann er jeweils ankam, wann er weiterzog. Wenn wir den Nachmittag rekonstruiert haben, können wir auch sagen, bei wem er zuletzt war. Vielleicht war der Pfarrer verändert. Möglicherweise ist jemandem aufgefallen, dass er sich untypisch verhielt. Unruhig oder besorgt – oder er hat von einer weiteren Verabredung gesprochen, die ihn beunruhigt hat. Bernt soll Hans Hansson im Computer checken. Ich möchte wissen, weswegen er eingesessen hat und wie lange.«

      Lars nickte, telefonierte.

      Sah seinem Freund nach, der nachdenklich in Richtung Auto schlenderte.

      Luftschnappen.

      5

      Jürg Svart checkte sein Handy.

      Im Display fand er keine neue Meldung. Nur die, die heute Früh gekommen war und seither sein Denken beschäftigte.

      Eindeutig eine Drohung. Und Jürg wusste auch genau, aus welcher Ecke das kam. Dieses widerwärtige Arschloch! Natürlich war der Gedanke verlockend, dieses Schwein einfach ins Leere laufen zu lassen. Aber – und das war ja die Grundlage jeder Erpressung – das ging natürlich nicht. Klar, theoretisch schon. Das war das Perfide. Dadurch, dass der Erpresste sich nicht zur Offenheit entschließen konnte, sah es so aus, als würde er sich freiwillig auf alles einlassen. Was nun wirklich nicht der Fall war! Es nützte nichts. Der Erpresser würde es wieder tun – und das Opfer wieder zahlen. So lief das im Allgemeinen. Wenn er … Nein! Er verbot sich, daran zu denken, wie sein Leben im Rekordtempo zu Staub zerfiel.

      Seufzend machte er sich Gedanken darüber, wie die Forderung zu erfüllen wäre, ohne dass jemand etwas davon merkte.

      Jürg goss sich, ganz gegen seine Gewohnheit, ein großes Glas Schnaps ein. Ein halbvolles Wasserglas. Prostete seinem blassen Gesicht in der Scheibe zu.

      Erhoffte sich einen klareren Blick auf die Lage.

      Wusste natürlich sehr genau, dass der Alkohol eher für eine Vernebelung denn für Erkenntnis sorgen würde. Ist eh schon alles egal, dachte er, spürte dem Brennen in der Kehle und im Abgang nach, merkte, wie sich der Schnaps warm und zwickend im Magen breitmachte. Ich kann nichts mehr ändern, sitee wie eine Maus in der Falle, aus diesem Dilemma kann es keinen Ausweg geben.

      Mit drei gierigen Schlucken trank er das Glas aus.

      Das Leben ist so ungerecht, dachte er noch, während er darauf wartete, dass die Promille seine Sorgen erstmal abschalten würden.

      6

      Astrid saß in ihrem Zimmer.

      Hörte Musik. Laut.

      Als Ulrika eintrat, drehte sie den Ton ab.

      Wütend fuhr das Mädchen herum und entdeckte die beiden Männer in der Tür.

      »Was?«, fragte sie unfreundlich. »Geht’s noch? Ich will mit niemandem sprechen!«

      Lunquist registrierte automatisch das runde Gesicht mit den dunklen Augen, die unbeherrscht Blitze sprühten. Die Augen standen weit auseinander, was dem Gesicht etwas Reptilienhaftes verlieh. Das brünette Haar trug sie offen, es fiel über die Schultern, den halben Rücken hinab.

      »Wir sind Sven und Lars von der Polizei Göteborg. Um den Mord an deinem Vater aufzuklären, brauchen wir alle Informationen, die wir bekommen können. Du weißt doch, wie die Polizei ermittelt, oder? Guckst du etwa nicht fern?«

      Astrid umfasste ihre Haare und schlang einen lockeren Zopf daraus. Starrte zornig auf den Monitor, schaltete ihn dann aus.

      »Und – was? Er war mein Vater. Dass er schwierig war, haben Olaf und Esther euch schon erzählt. Von seinen Freunden kenne ich nur Hans. Und mit dem hat er in letzter Zeit viel gestritten. Vielleicht würde der sich im Moment gar nicht als sein Freund bezeichnen. Und ihr glaubt doch nicht im Ernst, dass mein Vater mit mir über seine Feinde gesprochen haben könnte? So etwas anzunehmen, wäre schon mehr als nur bescheuert!«

      Ulrika sog scharf die Luft ein. Mischte sich aber nicht ein.

      »Wir suchen jemanden, der glaubte, er habe einen triftigen Grund, deinen Vater zu ermorden. Fällt dir jemand ein?«

      »Für so einen Affenzirkus mit Kreuz und so muss es doch einen richtigen Grund geben. Kein akuter Streit um einen Grabplate, kein Missverständnis. Was Größeres. Oder nicht?«, fragte die Tochter gereizt zurück.

      »Das sehen wir auch so. Mit wem hatte dein Vater einen andauernden, ernsthaften Streit?«

      Astrid schob trotzig das Kinn in die Luft. »Keine Ahnung!« Sie dehnte jedes Wort.

      Olaf mischte sich unerwartet ein. Weder Sven noch Lars hatten bemerkt, dass er ebenfalls in der Tür stand. »Es gab viele. Das haben wir doch schon gesagt. Viele, die Streit mit ihm hatten. Ob der jeweilige Grund ausreicht, das müsst ihr selbst entscheiden.«

      »Clemens. Den könntet ihr fragen. Er ist so etwas wie der selbsternannte Ortsvorsteher, kennt jeden in Hummelgaard und in der Gemeinde«, meinte Astrid etwas ruhiger. »Er ist Streitschlichter, Anlaufstelle für Eheprobleme, hilft bei Nachbarschaftsstreitigkeiten, kennt sich mit dem Nachbarschaftsund Umweltrecht aus. Hier bei uns braucht man keine Anwälte, man geht zu Clemens. Und die, die nicht zu ihm gehen wollen, kommen zum Pfarrer. Wobei ich denke, Clemens ist ein guter Ratgeber.«

      »Und wo wohnt Clemens?«, fragte Lars und zog sein kleines Buch hervor.

      »Die Straße runter, dann links. Das dritte Haus auf der rechten Seite. Sommarblommervej. Es ist nicht zu verfehlen. Seine dicke Katze sitzt im Fenster und passt gut auf, dass keine ungebetenen Besucher vorbeikommen und stören!«, fauchte Astrid giftig.

      Lundquist sah sich um, stellte fest, dass die ganze Familie inzwischen in und vor Astrids Zimmer versammelt war. Er straffte sich. »Seht ihr, ich weiß natürlich, dass jeder seine eigene Weise hat, mit dem Verlust eines Menschen umzugehen, der ihm nahestand. Aber bei euch fällt mir schon auf, dass ihr nicht sehr traurig seid, ruhig und nicht tief getroffen. Da frage ich mich, warum das so ist. Hat er euch denn nichts mehr bedeutet?«

      Stille antwortete ihm.

      Nur das Atmen der Anwesenden war zu hören.

      Als das Schweigen nicht mehr auszuhalten war, seufzte Astrid tief und erklärte: »Ihr habt es doch gehört. Er war schwierig. Nicht gerade das, was man einen liebenden oder auch nur guten Vater nennen würde – und auch zu Mor war er nicht wirklich nett.«

      Die Mutter protestierte leise.

      »Hör auf! Er hat dich nicht gut behandelt. Punkt! Deshalb sind wir nicht glücklich über seinen Tod, er war Teil dieser Familie – aber wir sind auch nicht unendlich getroffen. Er wird uns fehlen, und doch werden wir erleichtert sein, weil wir uns nun frei bewegen können. Nach seinem Tod wird vieles einfacher für uns. Nichtsdestotrotz hätte keiner von uns ihm einen solchen Tod gewünscht. Okay?«

      »Hm«, Lundquist wich dem intensiven Blick des Mädchens nicht aus. »Mag sein. Aber ihr könntet auf den Täter wütend sein. Es scheint euch nicht zu interessieren, ob wir den Mörder finden.«

      »Wahrscheinlich einer von denen, die einem seiner


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