The Long Hard Road Out Of Hell. Neil Strauss

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The Long Hard Road Out Of Hell - Neil  Strauss


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unter seiner Oberbekleidung. Das war ein Familienskandal, über den niemand reden durfte, und auch wir wurden zu äußerster Geheimhaltung verpflichtet. Nach außen hin wurde alles entschieden abgestritten – und das bis auf den heutigen Tag. Chad muss­te seiner Mutter erzählt haben, was er gesehen hatte. Jedenfalls war es ihm auf Jahre hinaus verboten, sich mit mir zu treffen.

      Als wir in unsere Auffahrt einbogen, suchte ich nach Aleusha, um mit ihr zu spielen. Ich fand sie am Gartenzaun, sie lag kotzend im Gras und krümmte sich vor Schmerz. Als der Tierarzt eintraf, war Aleusha tot, und ich brach in Tränen aus. Der Veterinär sagte, jemand habe sie vergiftet. Ich hatte das komische Gefühl zu wissen, wer dieser jemand war.

      2.: Wer sich hier auf Rockmusik einlässt, wird an die Luft gesetzt

      Brian Warner war einfach nur Durchschnitt. Er war immer dürr wie eine Vogelscheuche. Manchmal habe ich ihn bei sich zu Hause besucht, und dann haben wir zusammen Platten gehört, Sachen wie Queensryche, Iron Maiden, jede Menge Judas Priest. Ich wusste viel mehr, was angesagt war, als er. Ich fand nicht, dass er musikalisch was draufhatte, und möglicherweise ist das auch heute noch so. Vielleicht hatte er einfach Glück.

      Neil Ruble, Heritage Christian School, Klasse von 1987

      Brian Warner und ich sind an der Christian School von Canton, Ohio, in die gleiche Klasse gegangen. Wir beide, Brian und ich, haben uns gegen den religiösen Druck aufgelehnt, der hier auf uns ausgeübt wurde. Er vermarktet sich, natürlich, als Satan. Ich habe mich gegen diese Vorstellung, dass es einen Gott und einen Teufel gibt, immer gewehrt – erst als Agnostikerin und zuletzt als Hexe.

      Kelsey Voss, Heritage Christian School, Klasse von 1987

      Ich würde Marilyn Manson gern fragen: »Habe ich dich jemals in deiner Entscheidung für diesen Lebensstil beeinflusst?« Ich frage mich immer wieder: »Gibt es irgendetwas, das ich hätte anders machen sollen?«

      Carolyn Cole, ehemalige Schuldirektorin, Heritage Christian School

      Jerry, manchmal glaube ich, wir bewegen uns jetzt sehr schnell auf ein Armageddon zu.

      Ronald Reagan, im Gespräch mit Reverend Jerry Falwell

      Der Weltuntergang trat nicht ein, so wie es uns prophezeit ­worden war.

      In den Seminaren, die jeden Freitag an der Heritage Chris­tian School stattfanden, hatte man uns eingetrichtert, dass alle Anzeichen schon zu sehen waren. »Ihr werdet spüren, dass sich die Bestie aus dem Boden erhoben hat, denn das Knirschen ihrer Zähne wird über­all zu hören sein«, pflegte Miss Price ganze Stuhlreihen ängstlich geduckter Sechstklässler in ihrer drohend­sten, unnachgiebigsten Stimme zu warnen. »Und alle, Kinder und Eltern gleichermaßen, werden leiden. All jene, die keine Markierung bekommen haben, die nicht die magische Ziffer tragen, werden vor den Augen ihrer Familien und Nachbarn enthauptet.«

      An diesem Punkt machte Miss Price eine Kunstpause, zog eines ihrer Schaubilder hervor und hielt die vergrößerte Fotokopie des Symbols UPC in die Höhe, wobei die Zahl am unteren Rand in die Ziffer 666 umgeschrieben worden war. Daran konnten wir erkennen, dass die Apokalypse unmittelbar bevorstand: Das UPC, so hatte man uns gelehrt, war das Zeichen der Bestie, von der die Offenbarung des Johannes sprach. In den Supermärkten seien bereits Maschinen installiert worden, die diesen Code entziffern und das Bewusstsein der Menschen kontrollieren könnten. Schon bald, warnte man uns, werde dieser satanische Preiscode unser Geld ersetzen, und jeder von uns müsste das Zeichen der Bestie auf der Hand tragen, um noch irgendetwas kaufen zu können.

      »Wenn ihr Christus verleugnet«, pflegte Miss Price fortzufahren, »und diese Tätowierung auf eurer Stirn oder euren Händen tragt, dann wird es euch erlaubt sein, weiterzuleben. Aber dann werdet ihr auch« – und an diesem Punkt hielt sie eine Tafel mit einem vom Himmel herabsteigenden Jesus in die Höhe – »das ewige Leben verloren haben.«

      In anderen Seminarstunden zeigte sie uns eine Tafel mit Zeitungs­ausschnitten. Sie dokumentierten den Attentatsversuch auf Ronald Wilson Reagan, den kurz zuvor John Hinckley jr. begangen hatte. Wieder hielt sie eines ihrer Schaubilder in die Höhe und las aus dem dreizehnten Kapitel der Offenbarung vor: »Wer Verstand hat, der überlege die Zahl des Tiers; denn es ist eines Menschen Zahl, und seine Zahl ist 666.« Die Tatsache, dass Ronald Reagans Vorname, Mittelname und Nachname aus jeweils sechs Buchstaben bestanden, musste einmal mehr dafür herhalten, dass unsere letzte Stunde geschlagen hatte, dass sich der Antichrist hier auf der Erde befand und dass wir uns innerlich auf die Ankunft Christi und den Freudentaumel vor­bereiten mussten. Meine Lehrer stellten das alles nicht so dar, als hätten wir es mit einer Meinung zu tun, die für Interpretationen offen steht, sondern als handelte es sich um ein unleugbares Schicksal, das uns durch die Bibel auferlegt worden ist. Sie brauchten keine Beweise; sie hatten den Glauben. Und die Erwartung der herannahenden Apokalypse erfüllte sie mit einer geradezu frivolen Vorfreude, denn sie waren davon überzeugt, dass sie gerettet würden – tot, aber im Himmel und von allen Leiden befreit.

      Das war die Zeit, in der ich meine ersten Albträume bekam – Albträume, die mich bis auf den heutigen Tag verfolgen. Die Vorstellung eines nahenden Weltuntergangs und des Antichristen versetzte mich in Angst und Schrecken. Ich war davon regelrecht besessen, schaute mir Filme wie Der Exorzist oder Das Omen an und las prophetische Bücher wie die Briefe des Nostradamus, 1984 von George Orwell und die Romanfassung des Films A Thief In The Night, die sehr anschaulich beschreibt, wie Menschen geköpft werden, weil sie keine Tätowierung mit der Ziffer 666 auf der Stirn tragen. Das alles, nicht zuletzt unter dem Eindruck der Predigten, die jede Woche an der Christian School gehalten wurden, ließ die Apokalypse so wirklich, so greifbar er­scheinen, dass ich ständig von quälenden Träumen und Sorgen heimgesucht wurde, was geschehen würde, wenn ich herausfände, wer der Antichrist ist. Würde ich mein Leben aufs Spiel setzen, um die anderen zu retten? Vielleicht trug ich das Zeichen der Bestie schon irgendwo auf meinem Körper – unter meiner Kopfhaut oder an meinem Hintern, wo ich es nicht sehen konnte? Was wäre, wenn ich selbst der Antichrist bin? Ich war verängstigt und verwirrt, ganz zu schweigen von der Tatsache, dass ich zu jener Zeit auch ohne den Einfluss der Christian School eine Aufwallung der Gefühle durchlebte, denn ich befand mich in der Pubertät.

      Ein sicherer Hinweis darauf war, dass ich Miss Price trotz der Furcht ein­flößenden Seminare, in denen sie detailliert den unmittelbar bevor­stehenden Weltuntergang beschrieb, irgendwie sexy fand. Wenn ich sie so beobachtete, wie sie über die Klasse gebot, dann kam sie mir mit ihren geschürzten Lippen, dem perfekt gekämmten Haar, dem Seidenhemd, das nur notdürftig ihren Schlafzimmerkörper und einen Gang kaschierte, der »Steck ihn mir in den Arsch« zu sagen schien, wie eine siamesische Katze vor, und ich konnte erkennen, dass etwas sehr Lebendiges und Menschliches und Leidenschaft­liches in ihr darauf wartete, aus der unterdrückten christlichen Fassade auszubrechen. Ich hasste sie, weil sie mir während meiner ganzen Teenagerzeit diese fürchterlichen Angstvorstellungen bereitete. Aber ich glaube, ich hasste sie noch mehr wegen der vielen feuchten Träume, die sie in mir auslöste.

2_Kreis.tif

      Ich gehörte der Episkopalkirche an, einer Art Katholizismus light (das gleiche Riesendogma, aber jetzt mit weniger Regeln). Die Schule selbst war nicht konfessionsgebunden, aber das konnte Miss Price von gar nichts abhalten. Manchmal begann sie den Religionsunterricht mit der Frage: »Sind hier irgendwelche Katholiken im Raum?« Wenn niemand antwortete, zog sie über Katholiken und Episkopalisten her und lehrte uns, dass diese die Bibel falsch auslegen und auch die falschen Idole verehren, weil sie den Papst und die Jungfrau Maria anbeten. Ich saß stumm auf meinem Stuhl, fühlte mich wie ausgestoßen, und war mir unsicher, ob ich nun auf Miss Price wütend sein sollte, oder ob ich es meinen Eltern übel nehmen musste, dass sie mich als Epis­kopalisten aufgezogen hatten.

      Weitere persönliche Erniedrigungen brachten die Freitagsversamm­lungen, bei denen ehemalige Prostituierte, Drogensüchtige und Anhänger schwarzer Magie als Gastredner auftraten und über ihr sündiges Leben sprachen, bevor sie Gott und seinen Pfad der Tugendhaftigkeit gefunden hatten und auf diese Weise neu geboren worden waren. Es war wie ein Treffen anonymer Satanisten. Wenn sie mit ihrem Vortrag fertig


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