The Long Hard Road Out Of Hell. Neil Strauss

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The Long Hard Road Out Of Hell - Neil  Strauss


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und Gerettetwerden auf die Bühne gebeten. Jedes Mal wusste ich, dass ich eigentlich da oben hin gehörte, aber ich war viel zu verängstigt, um mich vor der ganzen Schule auf die Bühne zu stellen, und ich schämte mich zu sehr, um in aller Öffentlichkeit zuzugeben, dass ich in moralischer, geistiger und religiöser Hinsicht hinter allen anderen zurück war.

      Der einzig positiv besetzte Ort war für mich die Rollschuhbahn. Aber selbst die war bald unauflöslich mit der Apokalypse verbunden. Es war mein größter Traum, einmal Champion im Rollschuhlaufen zu werden, und um dieses Ziel zu erreichen, nörgelte ich so lange herum, bis meine Eltern eine Summe, die sie für einen Wochenendausflug gespart hatten, für professionelle Rollschuhe im Wert von mehr als vierhundert Dollar verplemperten. Meine regelmäßige Partnerin beim Rollschuhfahren war Lisa, ein kränkliches Mädchen mit ständig auf­geschwemmtem Gesicht. Trotz dieser Makel gehörte sie zu den ersten Mädchen, in die ich richtig verknallt war. Sie kam aus einer strengen, religiösen Familie. Ihre Mutter war die Sekretärin von Reverend Ernest Angley, einem der be­kanntesten Gesundbeter, die damals im Fernsehen zu sehen waren. Nach den Übungen auf der Rollschuhbahn begannen unsere Pseudo-Dates üblicherweise damit, dass wir uns am Erfrischungsstand sogenannte »Suicides« mischten, farblose Kombinationen aus Cola, 7-Up, Sunkist und Root Beer, und meistens beschlossen wir den Nachmittag mit einem Besuch in Reverend Angleys extrem opulenter Kirche. Der Reverend war einer der unheimlichsten Menschen, die ich je getroffen habe. Seine perfekt gewachsenen Zähne leuchteten ihm wie Ballhauskacheln aus dem Mund; er hatte ein zerknautschtes Toupet, und es hing ihm wie ein Hut aus nassen Haaren auf dem Kopf, die irgendjemand in einer leergelaufenen Badewanne aufgelesen hatte; dazu trug er einen puderblauen Anzug mit einer minzgrünen Krawatte. Alles an ihm wirkte künstlich, allein schon dieser plastikartige, überkandidelte Name, bei dem man wohl an den Ausdruck »earnest angel« (»aufrichtiger Engel«) denken sollte.

      Jede Woche rief er eine bunte Schar von Krüppeln auf die Bühne, um sie vor einem Millionenpublikum von Fernsehzuschauern zu heilen. Meistens bohrte er einem Tauben seinen Finger ins Ohr oder langte einem Blinden ins Auge, schrie Sätze wie »Böse Geister, kommt heraus« oder »Sagen Sie mal Baby« in die Kamera und popelte so lange mit seinem Finger in ihren Kör­per­teilen herum, bis seine Opfer auf der Bühne zusammensanken. Seine Pre­digten hatten den gleichen Inhalt wie die Seminare auf der Schule, denn der Reverend malte die Schrecken der Apokalypse in den grellsten Farben aus. Der einzige Unterschied bestand darin, dass überall um mich herum die Leute schrien, in Ohnmacht fielen und in Zungen redeten. An einem bestimmten Punkt warfen sie alle Geld auf die Bühne. Es regnete Hunderte von 25-Cent-Stücken und Dollarmünzen und bündelweise Banknoten, während der Re­­ve­rend unbekümmert seine Verkündigungen vom Firmament und der heiligen Raserei fortsetzte. An den Kirchenwänden hingen zahlreiche Lithographien, die er zum Kauf anbot und auf denen makabre Szenen dargestellt waren. Eine zeigte, wie die vier Reiter der Apokalypse durch eine kleine, meinem Heimat­ort Canton nicht unähnliche Stadt galoppieren und eine Spur aufgeschlitzter Kehlen hinter sich lassen.

      Die Gottesdienste dauerten drei bis fünf Stunden. Wenn ich zwischen­durch einschlief, wurde ich gemaßregelt und in einen anderen Raum gebracht, wo man Seminare speziell für Jugendliche abhielt. Hier bekamen ich und noch ein Dutzend Kinder so lange und intensive Verwünschungen von Sex, Drogen, Rockmusik und der materiellen Welt zu hören, bis uns schlecht wurde. Es war fast wie bei einer Gehirnwäsche: Wir waren müde, und man gab uns ab­sichtlich nichts zu essen, damit wir hungrig und verletzbar wurden.

      Lisa und ihre Mutter hatten sich der Kirche mit Haut und Haaren ver­schrieben, vor allem, weil Lisa halbtaub zur Welt gekommen war. Angeblich hatte der Reverend seine Finger in ihr Ohr gesteckt und während eines Gottes­dienstes ihr Hörvermögen wieder hergestellt. Da ihre Tochter regelmäßig zur Kirche ging und ihr ein göttliches Wunder zuteil geworden war, wurde ich äußerst herablassend behandelt, als seien sie bessere und rechtschaffenere Menschen als ich. Jedes Mal, wenn mich die beiden nach dem Gottesdienst zu Hause absetzten, stellte ich mir vor, wie Lisa von ihrer Mutter ermahnt wurde, ihre Hände zu waschen, weil sie mich berührt hatte. Das war ein quälender Gedanke, aber ich ging trotzdem mit zum Gottesdienst, denn neben den Übungen auf der Rollschuhbahn war das die einzige Gelegenheit, mit ihr zu­­sam­men zu sein.

      Unsere Beziehung ging trotzdem bald in die Brüche. Manchmal gesche­hen einfach Dinge, die deine Meinung über eine Person verändern, die das Wunschbild, das man sich von jemandem gemacht hat, unwiederbringlich zerstören und einen zwingen, in einer solchen Person jenes fehlbare mensch­liche Wesen zu erkennen, das sie nun einmal ist. Es geschah, als wir eines Tages im Auto von Lisas Mutter vom Gottesdienst zurück nach Hause fuhren und auf dem Rücksitz herumalberten. Lisa machte sich über meine dünne Figur lustig, bis ich ihr die Hand auf den Mund legte, um sie zum Schweigen zu bringen. Als sie wieder zu lachen begann, spuckte sie plötzlich einen rie­sigen Propfen dickflüssigen, limonengrünen Rotzes auf meine Hand. Es war ein irrealer Anblick, und das machte die Angelegenheit noch widerlicher. Als ich meine Hand zurückzog, hing ein langer Faden, der wie ein zerquetschter Bratapfel aussah, zwischen meinen Fingern und ihrem Gesicht. Lisa, ihre Mutter und ich, wir alle waren entsetzt und peinlich berührt. Danach ging mir die Erinnerung an ihren Schleim, der sich gewebeartig zwischen meinen Fingern ausgebreitet hatte, nicht mehr aus dem Kopf. In meiner Vorstellung hatte sie sich entwürdigt und mir ihr wahres Gesicht gezeigt, sich als das Monster hinter der Maske offenbart, das ich in ihrem großen Retter, Re­verend Angley, schon immer erkannt hatte. Sie war kein bisschen besser als ich, auch wenn mir ihre Mutter das Gegenteil einreden wollte. Ich sprach kein Wort mehr mit ihr – weder damals noch irgendwann später.

      Auch an der Schule hatte ein Prozess der Ernüchterung eingesetzt. Als ich die vierte Klasse besuchte, brachte ich eines Tages ein Foto mit in den Unter­richt, das Großmutter Wyer auf einem Flug von West Virginia nach Ohio geschossen hatte. Auf diesem Bild war eine Gestalt mit den schemenhaften Umrissen eines Engels zu sehen. Es war eines der Besitztümer, die mir am meis­ten ans Herz gewachsen waren, und ich war ganz aufgeregt, es meinen Lehrern zeigen zu können, denn ich glaubte immer noch alles, was sie mich über den Himmel gelehrt hatten. Ich wollte ihnen beweisen, dass meine Großmutter tatsächlich eine übersinnliche Erscheinung gesehen hatte. Aber sie sagten, das sei nichts als Unfug, schimpften mich aus und suspendierten mich wegen Blasphemie vom Unterricht. Das war mein aufrichtigster Versuch, in ihrer Vorstellung von Christentum einen Platz zu finden, ihnen zu beweisen, dass ich mit ihren Überzeugungen eine Ver­bindung spüre, und dafür wurde ich bestraft.

      Das bestätigte nur, was ich immer schon ­­­ge­ahnt hatte – dass ich nicht, wie alle anderen, gerettet wer­den würde. Jeden Tag, wenn ich mit schlot­tern­den Knien zur Schule ging, weil ich mich vor dem Weltuntergang fürch­tete, wusste ich ganz ge­nau, dass ich nicht in den Him­mel kommen und auch meine Eltern nie wiedersehen würde. Aber als die Jahre ver­strichen, erst eins, dann noch eins, und die Welt und Miss Price und Brian Warner und die wieder ge­borenen Prostituierten immer noch da waren, fühlte ich mich betrogen und verarscht.

      Allmählich begann ich mich gegen die Schule aufzulehnen und an allem zu zweifeln, was man mir dort beibringen wollte. Mir wurde klar, dass sie das Leiden, von dem sie mit ihren Gebeten erlöst werden wollten, sich selbst auferlegt hatten – und es nun an uns weitergeben wollten. Die Bestie, vor der sie sich so fürchteten, das waren in Wahrheit sie selbst. Es war der Mensch, nicht ein mythologischer Dämon, der sich am Ende selbst zerstören würde. Und die Bestie war nichts anderes als ein Produkt unserer Angst.

      Die ersten Samen dessen, was ich heute bin, waren gesät.

      »Narren werden nicht geboren«, schrieb ich eines Tages während des Ethik-­Unterrichts in mein Notizbuch. »Sie werden von Institutionen wie dem Chris­tentum gezüchtet und umhegt.« Noch am gleichen Abend offenbarte ich mich meinen Eltern. »Hört mich an«, sagte ich. »Ich will auf die Public School, denn ich gehöre nicht hierhin. Alles, was mir wichtig ist, wird von ihnen bekämpft.«

      Meine Klagen stießen auf taube Ohren. Nicht so sehr, weil meine Eltern unbedingt darauf erpicht waren, dass ich religiös erzogen werden würde, son­dern weil sie wollten, dass mir die bestmögliche Ausbildung zuteil werde. Die Public School in Glen Oak East, dem Bezirk, in dem wir wohnten, hatte ein­fach einen zu schlechten Ruf. Und deshalb war ich wild entschlossen, genau diese Lehranstalt zu besuchen.

      Das


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