Operation Terra 2.0. Andrea Ross

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Operation Terra 2.0 - Andrea Ross


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ich hätte ein paar dringende Fragen an dich! Natürlich weiß ich, dass du mir diese eigentlich nicht beantworten dürftest. Schließlich haben wir strenge Regeln für die Interaktion mit anderen Unter-Sektionen zu beachten. Genauso wenig darf ich wiederum dir Auskunft über die Tätigkeiten des wissenschaftlichen Bereichs liefern.

      Aber es ist neuerdings etwas Merkwürdiges im Gange, dessen Auswirkungen ich nur schlecht einschätzen kann. Ich bin beunruhigt, um es genau zu sagen. Könnten wir bitte die Gewaltenteilung für heute außer Acht lassen? Vertraust du mir?«

      Arden lächelte. »Was für eine Frage! Wir sollten beim Sprechen besser den Eingang im Auge behalten … nicht auszudenken, wenn uns jemand bei einem solchen Vergehen ertappen würde!«

      »Ich weiß!«, nickte Solaras. »Ich werde versuchen, mich so kurz als irgend möglich zu fassen. Spätestens in 0,042 KIN sollten wir getrennt den Rückweg in die Zivilisation antreten, damit unsere Abwesenheit nicht auffällt. Man würde uns sonst bestimmt als Verschwörer verurteilen, denn dieser Informationsaustausch ist eindeutig illegal.«

      Solaras atmete tief durch. Das schlechte Gewissen ließ sich dummerweise nicht vollständig unterdrücken. Seine Ausbildung war viel zu gründlich gewesen, als dass er sich jetzt mühelos darüber hinwegsetzen hätte können. Manchmal fragte er sich sogar, ob das Bildungssystem Tiberias nicht eher einer ausgeklügelt organisierten Gehirnwäsche gleichkäme. Ardens beunruhigter Blick signalisierte ihm, dass er wohl ähnliche Ängste hegte.

      »Arden, ich würde deinen Status als einem der führenden Geschichtsschreiber der Sektion bestimmt nicht gefährden, wenn es nicht wirklich Klärungsbedarf gäbe. In letzter Zeit habe ich jedoch so einige Gesprächsfetzen zwischen unserer Vordersten Alanna und diversen Kollegen von mir aufgeschnappt. Eine Audienz nach der anderen fand im großen Saal statt!

      Ich konnte nicht anders, musste einfach darüber nachsinnieren. Es ging zweifellos um die existenzielle Frage, wie man den Niedergang unserer Zivilisation verhindern könne!«

      »Den Niedergang? Hast du dich auch nicht verhört? Freilich, in letzter Zeit liegt einiges im Argen und das Bauland wird knapp. Bisher ist es jedoch stets gelungen, eine Lösung zu finden. Was sollte jetzt plötzlich anders sein?«, fragte Arden irritiert und zupfte nervös am Ärmel seines grünen Gewandes.

      »Irrtum ausgeschlossen! Man hat mir zwischenzeitlich nämlich eine Frage gestellt, die das Gehörte unmissverständlich untermauerte.

      Aber ich will von vorne beginnen, um dich nicht zu verwirren! Du bist ja bestens mit den Aufzeichnungen unseres ehrwürdigen Vorfahren Karon vertraut, der vor langer Zeit detailliert beschrieb, wie es zum Untergang der Mars-Zivilisation kam. Jedenfalls den Anteil am Desaster, welchen der Mensch höchstpersönlich verursacht hat. Nun ja … es scheint, als würden sich die Fehler der Vergangenheit wiederholen!«

      Arden schüttelte den Kopf. »Wie bitte?! Das ist doch gar nicht möglich! Von Anfang an haben wir auf Tiberia alles vermieden, was auch nur ansatzweise in die falsche Richtung abdriften könnte. Angefangen bei der Gesellschaftsordnung bis hin zur Energieund Baupolitik. Wir haben weder die Umwelt ausgebeutet, noch diese mehr als nötig verschmutzt. Die Luft ist sauber, die Atmosphäre intakt. Es gibt zwar gelegentlich kleinere, regionale Auseinandersetzungen – doch von einem Krieg sind wir meilenweit entfernt. Was also sollte unsere Gesellschaft aus den Angeln heben?«

      »Genau diejenigen Umstände, welche du mir soeben voller Stolz beschrieben hast, so abstrus dies auf den ersten Blick klingen mag. Das Fehlen größerer Naturkatastrophen, das milde Klima und die intakte Umwelt zeichnen verantwortlich dafür, dass unsere Bevölkerungszahl immer weiter angeschwollen ist. Wegen unserer strikten Vorsichtsmaßnahmen blieben wir von Seuchen ebenso verschont wie von Kindersterblichkeit. Arden, wir sind einfach zu viele geworden!

      Offenbar hat das Bevölkerungswachstum bereits ein kritisches Stadium erreicht. Unzufriedenheit macht sich breit, sobald Menschen eng zusammengepfercht leben müssen. Dieser Frust wiederum wird über kurz oder lang in Anarchie münden, denn die Natur hilft sich irgendwann gegen allzu dominante Spezies selbst. Ich spreche von chaotischen Zuständen, lieber Arden!

      Zuerst hat man die Anzeichen kaschiert, an den Symptomen herumkuriert. Darauf vertraut, dass sich Aggressivität wie bisher in sportliche Aktivitäten und Wettkämpfe kanalisieren lässt. Doch inzwischen scheint die gängige Art der Kompensation nicht mehr zu funktionieren. Unsere Friedfertigkeit ist lediglich über viele Generationen hinweg antrainiert, kann im Extremfall jederzeit wieder ins Gegenteil umschlagen.

      Es werden bereits Stimmen laut, die fordern, dass ein Teil der Bevölkerung transferiert werden soll. Hauptsächlich Menschen aus der Sektion Landwirtschaft und Versorgung wären hiervon betroffen, weil deren Anzahl am extremsten zugenommen hat.

      Jeder weiß doch, dass die Ungebildetsten unserer Gesellschaft es mit der Geburtenkontrolle alles andere als ernst nehmen! Sie vermehren sich nach Lust und Laune, schon weil sie keinen Überblick über die Gesamtzusammenhänge besitzen. Und genau hier, lieber Arden, zeigen sich die Schwächen unseres perfekt erscheinenden Systems!

      Wie soll jemand eine Entscheidung der Regentenfamilie auf Dauer mittragen, wenn er den tieferen Sinn hinter ihren Anordnungen nicht zu eruieren vermag? Ich habe gehört, dass sich die Landwirte bereits zusammenrotten und ziemlich aufmüpfig werden. Das ist eine wahrhaft gefährliche Entwicklung, findest du nicht?«

      Solaras forschte aufmerksam in der Miene seines Freundes danach, wie dieser die besorgniserregenden Nachrichten aufnahm. Erwartungsgemäß schwankte dessen Mimik zwischen Betroffenheit und Skepsis.

      »Sie wollen Menschen transferieren? Aber wohin denn nur? So viel mir bekannt ist, haben unsere Sonden noch keinen einzigen Planeten entdeckt, der für ein solches Vorhaben infrage käme. Zwar gibt es eine stattliche Anzahl habitabler Planeten, die über die richtige Zusammensetzung der Atmosphäre, ein annehmbares Klima und Oberflächenwasser verfügen – doch keiner davon würde sich für eine Besiedelung von Hominiden eignen. Das hast du mir doch selbst kürzlich erst erzählt!

      Wie war das doch gleich? Auf manchen der augenscheinlich vielversprechenden Kandidaten leben aggressive Bakterien, die uns Menschen innerhalb kürzester Zeit den Garaus machen würden. Auf anderen haben sich riesige fleischfressende Primaten herausgebildet, die neue Siedler wohl kaum akzeptieren dürften – es sei denn als Futterquelle.

      Habe ich etwas Wesentliches verpasst, konntet ihr Wissenschaftler zwischenzeitlich etwa doch eine schöne neue Welt auftun?«, echauffierte sich Arden ungewohnt heftig. Ironie stand ihm überhaupt nicht gut zu Gesichte, fand Solaras in diesem Augenblick.

      »Nein, hast du nicht. Das ist derzeitig der Stand der Dinge und gleichzeitig einer der Gründe, weshalb ich mit dir sprechen wollte. Alanna hat mich zwischenzeitlich nämlich ebenfalls zu einem Gespräch gebeten. Es soll dabei um die Frage gehen, ob ich zur Teilnahme an einer Mission bereit wäre. Zum Wohle unseres Volkes soll eine Abordnung nach Terra reisen. So, nun weißt du, weshalb mich gewisse Sorgen plagen!«

      »Ausgerechnet nach Terra! Moment mal … die sind doch hoffentlich nicht auf die Idee gekommen, einen Teil der Bevölkerung dorthin umzusiedeln? Wie damals, als der Mars zu einem unbewohnbaren Felsbrocken wurde? Man hat doch hinlänglich gesehen, dass dieses Konzept zum Scheitern verurteilt war! Während sich das Leben auf Tiberia prächtig weiterentwickelte, sind die irdischen Menschen … na ja, sagen wir: entartet!«

      Solaras nickte traurig, strich mit einem Zeigefinger versonnen über die samtige Oberfläche eines wohlgeformten Blütenkelchs.

      »Da teile ich deine Ansichten punktgenau. Deswegen hätte ich vor dem Gespräch mit Alanna gerne nähere Informationen zur Geschichte von Terra, deren Hüter du bist. Sonst wüsste ich nicht, worauf genau ich mich im Falle meines Einverständnisses einlassen würde, verstehst du? Einerseits möchte ich unserer Gesellschaft einen Dienst erweisen, andererseits aber nicht für eine unrealistische Idee geopfert werden. Wirst du mir die Informationen liefern, die mich interessieren?«

      Arden zögerte kurz, denn er hatte das leise Sirren eines passierenden Magnetfahrzeugs vernommen.

      »Selbstverständlich!


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