Operation Terra 2.0. Andrea Ross

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Operation Terra 2.0 - Andrea Ross


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unablässig damit beschäftigt gewesen waren, möglichst viel Eigentum zusammenzuraffen, um sich mithilfe sinnlosen Plunders Macht über andere zu verschaffen. Erst vor kurzem hatte eine Expedition nach Terra bei ihrer Wiederkehr entsetzt von den fürchterlichen Auswirkungen solch egoistischen Verhaltens berichtet.

      Und Solaras meinte nun allen Ernstes, Teile der Tiberianer würden sich ausgerechnet dort wieder ansiedeln können? Jemand, der diesem Transfer freiwillig zustimmen wollte, konnte doch nicht normal im Kopf sein! Er musste sich getäuscht, aus dem Gehörten falsche Schlüsse gezogen haben.

      Dieses Paradies für immer zu verlassen − das konnte man sicher niemandem reinen Gewissens zumuten! Zum Glück lag das Sonnensystem, dem Tiberia angehörte – jedenfalls nach irdischen Maßstäben – etwa 2.700 Lichtjahre von Terra entfernt, war somit von dort aus nicht erreichbar. Die Raumfahrttechnik steckte auf jenem halb verwüsteten Planeten noch in den Kinderschuhen, das wusste er von Solaras. Zumindest eine Invasion der dortigen, total degenerierten Hominiden war auf Tiberia also nicht zu befürchten.

      Ardens Laune besserte sich nach dieser beruhigenden Erkenntnis schlagartig, als er seine gemütliche Behausung im Wald ohne besondere Vorkommnisse erreichte.

      *

      Die Vorderste der Sektion Wissenschaft, Geschichte, Technik und Schrift wirkte ungewöhnlich matt. Die stundenlangen Diskussionen im zentralen Saal ihrer Einrichtung hatten sie gründlich zermürbt. Trotzdem musste sie durchhalten, denn ein Ende der Gespräche schien noch lange nicht in greifbare Nähe zu rücken.

      »Könnte mir bitte jemand noch einen Energieschub verabreichen?«, rief sie einer Ansammlung schräg hinter ihr wartender Mediziner zu.

      »Selbstverständlich, Vorderste!« Ein ganz in Gelbgrün gekleideter Mann eilte herbei, zog ein quadratisches Etui aus seinem Gewand hervor. Diesem entnahm er ein handliches weißes Gerät, platzierte es direkt auf dem Solarplexus Alannas. Ein optisch kaum wahrzunehmender Lichtbogen versorgte sie augenblicklich mit neuer Kraft. Man bezeichnete diese praktischen Hilfsmittel als ›Chaktivatoren‹, weil man mit deren Hilfe die Energiezentren des Menschen, also die Chakren, gezielt aktivieren konnte.

      »Das ist schon viel besser! Also, wo waren wir stehengeblieben? Ach, genau. Die Terraforming-Option für den Mars! Darf ich also nach den bisherigen Ausführungen davon ausgehen, dass wir diesen Gedanken nicht weiter verfolgen sollten?« Die siebenköpfige Abordnung der führenden Wissenschaftler Tiberias nickte einhellig, darunter auch Solaras.

      »Na schön!«, sagte Alanna erleichtert. »Der Schreiber möge bitte zu Protokoll nehmen, dass ein Transfer von Bevölkerungsteilen auf den Mars nicht infrage kommt. Und zwar aus folgenden Gründen:

      Erstens würde es viel zu lange dauern, die notwendigen Gerätschaften aufzubauen und eine Biosphäre zu errichten. Ein dorthin entsandtes Wissenschaftler-Team hätte außerdem neben der lebensbedrohlichen Strahlung mit den rötlichen Feinstaubpartikeln zu kämpfen, welche die Restatmosphäre des Mars durchsetzen und Raumanzüge beschädigen können; die scharfkantigen Teilchen würden auch Filteranlagen verstopfen und im Falle von Staubstürmen die Solaranlagen ineffektiv machen.

      Zudem existiert flüssiges Wasser nur noch unterhalb der Kryosphäre. Wir müssten es mühselig nach oben befördern, um die Trinkwasserversorgung und die Bewässerung der Kulturpflanzen zu gewährleisten. Selbst wenn wir all diese Probleme sicherlich innerhalb absehbarer Zeit lösen könnten: der Planet ist nach wie vor vulkanisch aktiv – wer weiß schon genau, wann der große Kegel wieder ausbrechen und seine Umgebung verheeren wird?

      Dann wäre da noch ein zweiter, mindestens ebenso wichtiger Hinderungsgrund. Die vielen Bauteile für ein BiosphärenHabitat müssten hier auf Tiberia gefertigt und anschließend schubweise zum Mars transportiert werden. Das würde bedeuten, dass wir weitere Teile des Graslandes für Fertigungshallen und Raumtransporter annektieren müssten. Wir sind aber mit den Nutzflächen schon ohne solche zusätzlichen Bauprojekte hart am Limit!

      Im Endeffekt würden wir also unsere heimatliche Landschaft beschädigen, nur um ein Projekt von ungewisser Erfolgsaussicht ins Leben zu rufen. Das ist für die Bevölkerung keinesfalls tragbar. Die Regentenfamilie könnte einem derartigen Vorschlag aus Fürsorgegründen ebenfalls nie zustimmen! Wir müssen uns somit etwas Besseres überlegen«, schloss Alanna ihre Zusammenfassung fürs Protokoll kopfschüttelnd ab.

      »Realistisch betrachtet bliebe uns somit nur eine Option übrig. Euch ist doch sicherlich längst bewusst, welche ich hier anspreche?«, fragte Alanna in die Runde, forschte dabei aufmerksam in den Gesichtern ihrer führenden Wissenschaftler.

      Solaras meldete sich zu Wort. Er drückte mit vorsichtig gewählten Worten aus, was offenkundig alle anderen Wissenschaftler im Saal ebenfalls über dieses Thema dachten.

      »Terra? Bei allem Respekt – das kann doch nicht Euer Ernst sein, Vorderste! Schon die Grundvoraussetzungen für eine Besiedlung sind dort äußerst ungünstig, selbst wenn man die nahezu flächendeckenden Verwüstungen durch den Menschen einmal außen vor ließe.

      Bedenkt doch bitte, es handelt sich um einen Planeten mit zerbrochener Erdkruste. Das bedeutet unter anderem ständige Erdbeben, welche die Bevölkerung und ihre Wohnstätten bedrohen! Mehrere Supervulkane könnten alles Leben innerhalb kürzester Zeit ausradieren, wir haben deren riesige Magmakammern doch erst wieder vermessen! Die Ergebnisse fielen alles andere als beruhigend aus.

      Außerdem herrschen dort extreme klimatische Unterschiede zwischen den verschiedenen Regionen, von desaströsen Wetterphänomenen wie Hurrikanen, Überflutungen und schweren Gewittern ganz zu schweigen.

      Die Meere sind tief und unruhig, können daher nicht für eine Besiedelung nach hiesigem Vorbild genutzt werden. Weite Gebiete auf dem Festland liegen ebenfalls brach – weil sie atomar verstrahlt oder mit Chemikalien verseucht sind. Überhaupt ist dort alles voller Müll; selbst im Weltall umkreist zurückgelassener Schrott den Planeten, als wäre das eine vielsagende Warnung an potentielle Besucher!

      Die derzeitigen Bewohner von Terra sind meines Erachtens wahnsinnig geworden, bekriegen sich ständig untereinander. Sogar bis hin zur drohenden Selbstvernichtung. Sie kennen nur einen einzigen Lebensinhalt, nämlich das Streben nach ihrem Zahlungsmittel und Macht. Das ist doch kein annehmbarer Lebensraum für uns!«, fasste Solaras seine Gedanken trocken zusammen.

      Alanna seufzte. Sie hatte durchaus mit einigem Widerstand gerechnet, jedoch nicht mit dieser ungewohnten Einigkeit unter den Sieben. Wie eine geschlossene Front saßen die Wissenschaftler mit versteinerten Mienen am Besprechungstisch und ließen keinen Zweifel daran, was sie von der Idee hielten. Normalerweise waren stets einer oder zwei unter ihnen, die eifrig als Opposition fungierten. Ausgerechnet heute schien jedoch schönste Eintracht zu herrschen.

      Die Vorderste der Sektion Wissenschaft, Geschichte, Technik und Schrift befand sich gleichwohl in der misslichen Lage, der versammelten Runde eine äußerst weitreichende Entscheidung behutsam kundtun zu müssen. Denn selbige war im Grunde längst gefallen, sogar die Regentenfamilie hatte ihre Zustimmung zur Operation Terra 2.0 vor 3.25 KIN einstimmig erteilt. Es drehte sich nur noch um das Wie.

      Ausgerechnet ihr oblag nun die undankbare Aufgabe, zunächst die Wissenschaftler und unmittelbar danach die Vordersten der darüber hinaus ebenfalls beteiligten Sektionen von deren Richtigkeit und Notwendigkeit zu überzeugen. Zum allerersten Mal in der langen Geschichte Tiberias hatte man sein eigenes Kontrollsystem verraten müssen, um eine notwendige Entscheidung quasi durch die Hintertür herbeiführen zu können. Alanna fühlte sich reichlich unwohl in ihrer Haut, durfte sich das jedoch keinesfalls anmerken lassen.

      Würde sie es überhaupt schaffen, die Diskussionen in die vorgegebene Richtung zu lenken? Teil 1 ihrer Überzeugungsarbeit hatte bereits Früchte getragen. Die Option Mars war definitiv vom Tisch. Im Vergleich zu der Aufgabe, die noch vor ihr lag, war dies allerdings ohne Frage nur ein leichtfüßiger Spaziergang gewesen.

      ›Vielleicht sollte ich Solaras und den anderen ermöglichen, den unangenehmen Gedanken erst einmal zu verdauen, bevor wir allzu sehr ins Detail gehen!‹, überlegte Alanna angespannt. Die Vorderste straffte ihren Rücken, erhob


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