Homilien über die Bildsäulen. Johannes Chrysostomus

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Homilien über die Bildsäulen - Johannes Chrysostomus


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Nahrung, haben denselben Herrn, haben dieselben Gesetze empfangen, sind mit uns zu denselben Gütern berufen. Laßt uns also nicht sprechen, als hätten wir Nichts mit ihnen gemein! Denn das ist des Satans Stimme, ist teuflische Unmenschlichkeit! Darum lasset uns nicht so sprechen, sondern die geziemende Sorgfalt für die Brüder an den Tag legen. Ich verspreche mit voller Sicherheit und bin euch Allen Bürge, daß wenn nur ihr Alle, die ihr hier zugegen seid, die Sorge für das Heil der Einwohner dieser Stadt unter euch theilen wollt, sie uns bald vollständig gebessert sein soll. Und doch ist nur der kleinste Theil der Stadt zur Stelle — der kleinste an Zahl, der hauptsächlichste in Rücksicht der Frömmigkeit! Laßt uns also bemüht sein um das Heil unserer Brüder! Ein von Eifer entflammter Mensch reicht hin, ein ganzes Volk aufzurichten! Da es nun nicht Einer, noch zwei oder drei, sondern eine so große Menge ist, die sich mit der Sorge für die Verwahrlosten abgeben kann, so geht aus keinem andern Grunde, sondern allein durch unsern Leichtsinn, und nicht ob unserer Schwäche, die Masse verloren und fällt in’s Verderben. Denn ist es nicht ungereimt? wenn wir einen Streit auf dem Markte sehen, treten wir hinzu und bringen die Streitenden auseinander — was sage ich einen Streit? wenn wir einen Esel niederstürzen sehen, eilen wir Alle, die Hände zu bieten und ihm aufzuhelfen — und die Brüder, die in’s Verderben eilen, vernachläßigen wir? Der Lästerer ist ein Esel, der die Last des Zornes nicht zu tragen vermochte und niederfiel. Geh hinzu und hilf ihm auf durch Wort und That, mit Sanftmuth und Strenge. Die Heilmittel seien mannigfaltig! Und wenn wir so über uns haushalten und so uns des Seelenheils unserer Nächsten annehmen, so werden sehr bald auch diese, wenn sie die Früchte der Besserung verkosten, uns in Liebe aufsuchen; und, was höher als Alles ist, wir gelangen dereinst zum Genusse der Güter, die im Himmel aufgehoben sind, deren wir Alle theilhaftig werden mögen durch die Gnade und Barmherzigkeit unsers Herrn Jesu Christi, durch welchen und mit welchem dem Vater sammt dem heiligen Geiste sei Preis, Kraft, Ehre, jetzt und immerdar und von Ewigkeit zu Ewigkeit. Amen.

      Zweite Homilie.

      Inhalt.

      Zweite Homilie, gehalten zu Antiochia, als er noch Priester war, in der alten Kirche — über das Unglück, welches der Stadt zustieß durch den Umsturz der Bildsäulen des Kaisers Theodosius des Frommen, und über den Ausspruch des Apostels: „Den Reichen dieser Welt gebiete, nicht hochmüthig zu sein,” — und gegen den Geiz.

      Klage über den stattgefundenen Aufruhr und über die nächsten schon eingetretenen und noch zu erwartenden Folgen desselben. Aufforderung zur christlichen Ergebenheit und zur ruhigen Andacht. Erinnerung an die Schlußermahnung in der vorigen Homilie; deren Bedeutsamkeit in Betreff der vorgefallenen Ereignisse und Bitte, derselben wenigstens jetzt nachzukommen. Unterschied zwischen den leiblich und geistlich Reichen. Von dem Hochmuth, als der Quelle der Habsucht, und von der Demuth, als dem Mittel wider sie. Wie man dahin gelange, auf den Reichthum nicht stolz zu sein, nämlich, durch Betrachtung seiner Unsicherheit, Ohnmacht und Gefahr. Aufforderung zur Mildthätigkeit und zur Ansammlung eines Schatzes im Himmel. Der Reiche hat vor dem Armen Nichts voraus, ja steht ihm in vielen Stücken nach, wie in der Lust des Essens, Trinkens, Schlafens, Nutz und Frommen der Arbeit. Sicherheit des Armen vor Neid und Nachstellung; über etwaige Kränkungen vermag ihn Weisheit zu erheben. Das Beispiel des Elias und Elisäus. Des Christen Vortheil über Beide.

      1.

      Was soll ich sagen und was predigen? Thränen fordert die Gegenwart, nicht Worte; Klagen, nicht Reden; Gebet, nicht Erörterungen vor allem Volke! So ungeheuer ist die Frevelthat, so heillos das Geschwür, die Wunde so groß und über alle Heilkunst hinaus und der Hilfe von oben bedürftig! So saß Job,45nachdem er Alles verloren, auf dem Miste, und als seine Freunde es hörten, kamen sie herbei und da sie ihn von Ferne sahen, zerrissen sie die Kleider, bestreuten sich mit Asche und wehklagten laut. Jetzt sollten Dieß alle Städte in der Runde thun und zu unserer Stadt kommen und das Geschehene voll tiefen Mitleids beweinen. Der dort saß auf dem Miste, diese hier sitzt in großem Stricke gefangen. Denn wie dort der Teufel einstürmte auf die Schafund Rinderheerden und alle Habe des Gerechten; so hat er hier seine Wuth an der ganzen Stadt ausgelassen. Allein dort wie hier gestattete es Gott: dort, um den Gerechten durch die Größe der Versuchungen zu verherrlichen; hier, um uns durch diese übergroße Trübsal nüchtern zu machen.

      Laßt mich klagen ob der Gegenwart! Sieben Tage haben wir geschwiegen, wie die Freunde des Job. 46 Laßt mich heute den Mund aufthun und das gemeinsame Unglück bejammern. Wer hat es uns angethan, Geliebte? Wer hat uns beneidet? Woher dieser gewaltige Wechsel? Nichts Ehrwürdigeres gab es, als unsere Stadt; Nichts ist jetzt bedauernswerther, als sie! Ein Volk, sonst so gehorsam und sanft und den Händen seiner Fürsten immer Unterthan, wie ein zügelrechtes und gebändigtes Roß, ist uns jetzt plötzlich so unbändig geworden und hat so viel Böses angerichtet, daß es nicht einmal auszusprechen erlaubt ist. Ich klage und weine jetzt, nicht wegen der Größe des zu befürchtenden Unglücks, sondern ob des Übermaßes des zum Ausbruch gekommenen Wahnsinns. Denn wenn auch der Kaiser nicht in Zorn entbrennt, straft und sich rächt; sage mir, wie werden wir die Schmach des Geschehenen zu ertragen vermögen?

      Das Wort der Belehrung wird mir von Thränen erstickt; kaum vermag ich den Mund aufzuthun und die Lippen zu öffnen und die Zunge zu bewegen und Worte hervorzubringen. So bindet, gleich einer Fessel, die Last der Betrübniß meine Zunge und raubt mir die Sprache. Nichts war vordem glückseliger als unsere Stadt; Nichts Unerfreulicheres gibt es jetzt, als sie. Wie die Bienen ihren Stock umsummen, so umschwärmten täglich die Einwohner den Markt, und Alle priesen ehemals uns glücklich ob dieser Fülle. Aber siehe, dieser Bienenstock ist nun leer geworden; denn wie jene Bienen der Rauch, so hat diese Bienen die Furcht verjagt. Ja, was der Prophet in seiner Klage über Jerusalem sagte, das können auch wir bei dieser Gelegenheit sprechen: „Die Stadt ist uns einer Terebinthe gleich geworden, von der die Blätter abgefallen sind, und einem Garten, der kein Wasser hat.” 47Denn wie ein Garten, dem es an Bewässerung fehlt, blattlose und fruchtleere Bäume zeigt, so ist es jetzt auch unserer Stadt ergangen. Denn da sie die Hilfe von oben verlassen, steht sie verödet und ist fast von allen Bewohnern entblößt. Nichts ist süßer als die Heimath, aber jetzt ist sie das Allerbitterste geworden: Alle fliehen den Geburtsort wie eine Schlinge; wie einen Abgrund verlassen sie ihn; wie von einem Brande eilen sie von ihm hinweg. Und gleichwie, wenn ein Haus (vom Feuer) ergriffen wird, nicht bloß des Hauses Bewohner, sondern auch alle Nachbarn mit großer Hast sich entfernen, um nur den nackten Leib zu retten: so drängt, da jeden Augenblick des Kaifers Zorn wie ein Brand von oben herabkommen kann, auch jetzt Jeder, bevor die Flamme auf ihrem Weg ihn erreicht, hinauszukommen und das nackte Leben zu retten. Wie ein Räthsel ist dieses Unglück hereingebrochen: eine Flucht ohne Feinde, eine Auswanderung ohne Schlacht, eine Gefangenschaft ohne Eroberung! Wir haben kein Feuer der Barbaren gesehen; wir haben nicht der Feinde Antlitz geschaut und doch erleiden wir das Schicksal von Gefangenen. Alle erfahren jetzt unsere Unfälle; von unsern Flüchtigen, die sie aufnehmen, lernen sie den Schlag kennen, der die Stadt getroffen hat.

      2.

      Aber nicht darüber erröthe ich und schäme ich mich. Möge Allen das Mißgeschick unserer Stadt kund werden, auf daß sie mittrauernd mit ihrer Mutter im ganzen Lande Alle insgemein die Stimme zu Gott erheben und einmüthig die gemeinschaftliche Mutter und Ernährerin48 Aller vom Könige des Himmels erflehen. Neulich erbebte die Stadt 49, aber jetzt zittern selbst die Seelen ihrer Bewohner; damals erbebten die Grundfesten der Gebäude; jetzt wankt der Grund eines jeglichen Herzens und Alle sehen wir jedweden Tag den Tod vor Augen und beben beständig vor Furcht und leiden die Strafe des Kain; wir sind in einer beklagenswerthern Lage als Alle, die je den Kerker bewohnten und erleiden eine Belagerung besonderer und neuer Art, die viel schrecklicher ist als eine gewöhnliche; denn die, welche dieß von den Feinden erleiden, sind doch nur innerhalb der Mauern verschlossen; uns aber ist auch der Markt unzugänglich geworden und Jeder ist in die Wände seines Hauses gebannt. Und wie es für die Belagerten nicht sicher ist, die Ringmauer zu überschreiten, weil draußen die Feinde sie rundum besetzt halten: so ist es auch für viele Bewohner unserer Stadt nicht gerathen, auszugehen und sich öffentlich sehen zu lassen, wegen Derjenigen, die von allen Seiten auf Unschuldige


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