Kommentar zum Briefe des Heiligen Paulus an die Römer. Johannes Chrysostomos

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Kommentar zum Briefe des Heiligen Paulus an die Römer - Johannes Chrysostomos


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zu spät nach Hause kommen, erwartet sie harte Züchtigung. Manche von ihnen kommen ganz von ihrem Wege ab, indem sie solchen Gauklern nachlaufen. Wir wollen nun aber nicht so handeln; denn wir haben ja viele und dringende Geschäfte aufbekommen. Wenn wir unbekümmert um diese solche sinnlose Dinge begaffen und damit unsere ganze Zeit unnütz vergeuden, so werden wir dafür auch schwere Strafe erleiden. Nun, und willst du dich wirklich einmal unterhalten, so hast du ja genug andere Dinge, die du bewundern magst und nach denen du jederzeit Verlangen haben darfst, Dinge, die nicht lächerlich sind, sondern Bewunderung und Lob vollauf verdienen. Wer Lächerlichkeiten anstaunt, der ist oft auch darnach und schlimmer als der Possenreißer. Damit dich ein solcher Vorwurf nicht treffe, steh sogleich ab von solchem Gehaben!

      Was stehst du z. B., sag’ mir nur, mit offenem Munde vor dem Reichtum und sehnst dich darnach? Was siehst du daran so Bewundernswertes, das deine Blicke fesseln könnte? Die goldbeschirrten Pferde? die Sklaven, fremdländische und verschnittene? die Prachtgewänder? die verweichlichte Seele, die darin steckt? Den stolzen Blick ? das Umschwärmtsein? den Trubel ? Steht denn das alles dafür, daß man es bewundert? Was haben denn eigentlich solche Leute voraus vor den armen Teufeln, die auf dem Markte tanzen und pfeifen? Hungrige Bettler sind sie auch — an Tugend. Einen Tanz führen sie auf, der noch viel lächerlicher ist, indem sie sich nämlich herumtreiben bald an reichbesetzten Tafeln, bald in den Gemächern liebeslustiger Weiber, bald in einem Schwarm von Schmeichlern und Schmarotzern. Wenn sie dabei goldenen Schmuck an sich tragen, so sind sie um so bemitleidenswerter, weil sie da gar etwas zum Gegenstand ihrer Sorge machen, was nicht sie selbst sind. Schau nicht auf das äußere Gewand, sondern decke ihre Seele auf und schau, ob sie nicht aus tausend Wunden blutet, ob sie nicht in Lumpen gehüllt, ob sie nicht einsam und verlassen ist. Was nützt sie da ihr wahnsinniges Streben nach Dingen, die außerhalb ihres Ich liegen? Es ist viel besser, ein Bettler zu sein und ein tugendhaftes Leben zu führen, als ein König zu sein mit Lastertaten. Denn der Bettler genießt ein volles inneres Glück; seine äußere Not kommt ihm gar nicht zum Bewußtsein wegen seines inneren Reichtums. Ein König dagegen, der sein Glück in Dingen sucht, die nicht mit seinem Ich in Beziehung stehen, empfindet in seinem Innern die größte Pein, in seiner Seele, in seinen Gedanken, in seinem Gewissen, die doch seine steten Begleiter in diesem Leben sind.

      In dieser Überzeugung laßt uns also die goldgewirkten Kleider beiseite legen, laßt uns vielmehr nach Tugend streben und der Seelenwonne, die ihr folgt! So werden wir im Jenseits wie im Diesseits wie bei einem Festmahl schmausen durch die Gnade und Liebe unseres Herrn Jesus Christus, mit welchem dem Vater und dem Hl. Geiste sei Ehre, Ruhm und Herrlichkeit bis in alle Ewigkeit. Amen.

      SECHSTE HOMILIE. * Kap. 1, V. 28—31 und Kap. II, V. 1—16. *

       1.

      * Kap. 1, V. 28—31 und Kap. II, V. 1—16. *

       V. 28: „Und wie sie ihrerseits gar keinen Wert darauf legten, eine rechte Erkenntnis von Gott zu besitzen, so überließ sie Gott seinerseits ihrem verkehrten Sinn, das Ungehörige zu tun.“

      Damit es nicht den Anschein bekomme, als sei die lange Strafrede gegen die Knabenschändung auf die (christlichen) Römer gemünzt gewesen, darum geht der Apostel im folgenden auf andere Arten von Sünden über; er bringt damit zugleich auch die Rede auf andere Leute. Auch sonst führt der Apostel, wenn er zu den Gläubigen von Sünden spricht und sie als zu meidende hinstellen will, immer die Heiden als Beispiel an, so z. B. wenn er sagt: „Nicht in leidenschaftlicher Gier wie die Heiden, die von Gott nichts wissen“ 71, und wieder: „Damit ihr nicht betrübt seid wie die andern, die keine Hoffnung haben“ 72. In derselben Weise bringt er auch hier zum Ausdruck, daß es sich um Sünden der Heiden handle und spricht ihnen jede Entschuldigung ab; denn nicht aus Unwissenheit, sagt er, gehen jene Lastertaten hervor, sondern aus gewollter Absicht. Darum sagt er nicht: „und wie sie Gott nicht erkannten“, sondern: „Und wie sie keinen Wert darauf legten, von Gott eine rechte Erkenntnis zu besitzen.“ Das Wesen der Sünde, will er sagen, liege mehr in einem verkehrten Urteil und in Eigensinn als in einem Hingerissenwerden. Er bringt damit zum Ausdruck, daß die Sünden nicht, wie manche Irrlehrer behaupten, im Fleische ihren Sitz haben, sondern im Geiste, im Verlangen nach dem Bösen; da liege die Quelle aller Übel. Denn ist einmal der Geist irre geleitet, dann kommt auch alles andere aus der Bahn und geht drunter und drüber, wie wenn der Wagenlenker nichts wert ist. * V 29: „Sie waren voll jeglicher Ungerechtigkeit, Bosheit, Habsucht, Schlechtigkeit“ *

      Beachte die Reihenfolge! Sie waren voll, sagt er, „jeglicher“ Ungerechtigkeit. Er nennt zuerst die Schlechtigkeit im allgemeinen und führt dann einzelne Arten derselben an; dabei häuft er die Namen.

       „Voll Neid und Mord“

      Der letztere kommt vom ersteren, wie es sich in der Geschichte von Abel und Joseph zeigt. Dann fährt er fort:

      „Voll Streit, Heimtücke, Gemeinheit“ V. 30: „Ohrenbläser, Verleumder, Gottesverächter, Frevler“

      Der Apostel zählt da unter den Vorwürfen Dinge auf, die manchen belanglos scheinen könnten; dann steigert er wieder die Anklage und steigt zur höchsten Spitze der Sünden empor, wenn er sagt: „Prahlhänse“. Denn schlimmer als das Sündigen selbst ist es, sich noch etwas darauf einzubilden. Darum macht er den Korinthern denselben Vorwurf, indem er sagt: „Und da seid ihr noch eingebildet“ 73. Denn wenn jemand schon alles Verdienst verliert, der auf ein gutes Werk eingebildet ist, welche Strafe wird erst der verdienen, welcher sich gar auf seine Sünden etwas einbildet? Ein solcher kann ja gar nicht in sich gehen. Dann heißt es weiter:

       „Erfinderisch im Bösen“

      — Damit drückt der Apostel aus, daß sie sich nicht genügen ließen an dem, was (an Bösem) bereits da war, sondern daß sie noch Neues dazu erfanden. Das zeigt wieder, daß sie mit Absicht und Vorbedacht sündigten, nicht hingerissen und überwältigt (von der Leidenschaft). Nachdem nun der Apostel das Böse im einzelnen angeführt und auch gezeigt hat, daß sie auch gegen das natürliche Gesetz verstoßen haben — „sie waren ungehorsam gegen die Eltern“ — kommt er im folgenden auf die Wurzel so großen Verderbens, indem er sie „lieblos und treulos“ nennt. Auf dieselbe Ursache des Bösen weist auch Christus hin, wenn er spricht: „Wenn die Sünde überhand nimmt, wird die Liebe gar vieler erkalten“ 74. Dasselbe sagt auch Paulus hier. Er nennt sie:

      V. 31: „Treulos, lieblos, rücksichtslos, erbarmungslos“. und zeigt damit an, daß sie auch das Geschenk der Natur preisgegeben hatten. Wir haben nämlich von Natur aus eine gewisse Zuneigung zueinander, wie eine solche auch die Tiere besitzen. Denn „jedes Wesen“, heißt es, „liebt seinesgleichen und der Mensch seinen Nächsten“ 75. Aber die Menschen waren wilder als die Tiere.

      So hat nun der Apostel die Krankheit aufgezeigt, die als Folge schlechter Glaubenslehren die Welt befallen hat, und klargelegt, daß die ganze Krankheit herkomme von der Sorglosigkeit der Kranken selbst. Im folgenden legt er dar, wie er es bei den Glaubenslehren gemacht hat, daß sie auch darin unentschuldbar sind. Er sagt:

       V. 32: „Sie kennen recht wohl die Forderung der Gerechtigkeit Gottes, daß die, welche so etwas tun, den Tod verdienen, und doch tun sie solches nicht bloß, sondern sie zollen noch denen Beifall, die es tun“

      Zwei Einwände hat hier der Apostel im Sinne und beantwortet sie beide ganz schlagend. Du sagst, meint er, du habest nicht gewußt, was zu tun sei? Nun, hast du das wirklich nicht gewußt, so liegt die Schuld bei dir; du hast Gott, der es dir zu wissen tun wollte, den Rücken gekehrt. Übrigens habe ich dir soeben durch vielerlei Gründe dargetan, daß du (das Gesetz Gottes) ganz wohl kennst und darum mit Wissen und Willen sündigst. Aber du wirst von den Leidenschaften dazu hingerissen? Warum wirkst du aber dann zur Sünde mit und lobst sie? „Sie tun solches nicht bloß“, heißt es, „sondern sie zollen noch denen Beifall, die es tun.“ Diesen zweiten Einwand, der schlimmer ist und unentschuldbar, hebt der Apostel besonders hervor, um ihn abzutun. Wer die Sünde lobt, ist viel schlechter als der, welcher sie begeht. Das


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