Kommentar zum Briefe des Heiligen Paulus an die Römer. Johannes Chrysostomos

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Kommentar zum Briefe des Heiligen Paulus an die Römer - Johannes Chrysostomos


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den Geiz) schuldig macht. Wie werden wir imstande sein, andere von jenem Götzendienste abzubringen, wenn wir selbst nicht davon lassen? Wir sind ja uns selbst mehr unsere Nächsten als jenen. Wenn wir nun uns selbst nicht über- zeugen lassen, wie werden wir andere überzeugen? Denn wenn der, welcher seinem eigenen Hause nicht gut vorzustehen weiß, auch die Kirche nicht verwalten kann, wie wird jemand, der seiner eigenen Seele nicht vorzustehen weiß, imstande sein, andere zurecht zu richten? Sag’ mir nicht, daß du ja kein Götzenbild aus Gold anbetest, sondern zeig’ mir lieber, daß du nicht das tust, was dir das Gold befiehlt. Es gibt nämlich verschiedene Arten von Götzendienst: der eine hält den Mammon für seinen Herrn, ein anderer hält den Bauch für seinen Gott und wieder ein anderer eine andere höchst schmähliche Leidenschaft. Du opferst ihnen nicht Rinder wie die Heiden? Aber du tötest — was noch schlechter ist — ihnen zuliebe deine eigene Seele! Du beugst nicht deine Knie vor ihnen und betest sie nicht an? Aber du tust mit voller Bereitwilligkeit alles, was immer sie dir befehlen mögen, diese deine Herren: der Bauch, das Gold, die Leidenschaft! Die Heiden waren deswegen verabscheuungswert, weil sie die Leidenschaften vergötterten: die sinnliche Gier stellten sie dar als Aphrodite, den Zorn als Ares, die Trunkenheit als Dionysos. Wenn auch du dir nicht Götzenbilder schnitzest wie jene, so unterwirfst du dich doch mit aller Bereitwilligkeit eben diesen Leidenschaften, machst die Glieder Christi zu Gliedern einer Hure und stürzest dich in andere Sünden.

      Darum ermahne ich euch, zu beherzigen, wie übergroße Torheit dies ist, und diesen Götzendienst — denn so nennt Paulus die Habsucht — zu fliehen, nicht bloß die Sucht nach Geld, sondern auch die böse Begierde nach Kleiderpracht, nach Tafelfreuden und nach allem andern. Denn viel schwerer werden wir gestraft werden, wenn wir den Gesetzen des Herrn nicht gehorchen. „Der Knecht“, heißt es ja, „der den Willen seines Herrn kennt und ihn doch nicht tut, wird viele Streiche erhalten“ 93. Damit wir dieser Strafe entrinnen und uns und andern nützlich werden, laßt uns alle Bosheit aus der Seele entfernen und der Tugend nachstreben! Das werde uns allen zuteil durch die Gnade und Liebe unseres Herrn Jesus Christus, mit welchem dem Vater zugleich mit dem Hl. Geiste sei Ruhm, Ehre und Herrlichkeit jetzt und allezeit bis in alle Ewigkeit. Amen.

      ACHTE HOMILIE. * Kap. III, V. 9—31. *

       1.

       Kap. III, V. 9—31.

       V. 9: „Wie nun? Haben wir etwas voraus? Ganz und gar nicht. Wir haben ja schon oben bewiesen, daß alle, Juden und Heiden, unter Sünde stehen“, V. 10: „wie geschrieben steht: Nicht einer ist gerecht“, V. 11: „nicht einer ist verständig, nicht einer sucht Gott.“ V. 12: „Alle sind abgewichen, allesamt taugen nichts, keiner handelt recht, auch nicht einer.“ V. 13: „Ein offenes Grab ist ihr Schlund, mit ihren Zungen reden sie trägerisch, Natterngift birgt sich hinter ihren Lippen“; V. 14: „von Flächen und Gehässigkeiten ist voll ihr Mund“; V. 15: „ihre Füße sind eilig, Blut zu vergießen“; V. 16: „Leid und Elend ist auf ihren Wegen“; V. 17: „den Weg des Friedens kennen sie nicht.“ V. 18: „Gottesfurcht ist nicht vor ihren Augen.“

      Angeklagt hat der Apostel die Juden, angeklagt die Heiden. Es erübrigt nun zu sprechen von der Gerechtigkeit durch den Glauben. Denn wenn das Naturgesetz nichts nütze war noch auch das geschriebene mehr leistete, sondern wenn beide die, welche danach lebten, nur mehr belasteten und nur umso strafwürdiger erscheinen ließen, dann blieb notwendig nichts übrig als das Heil aus Gnade. Sprich uns also davon, Paulus, und zeig’ es uns! Aber noch traut er sich nicht, weil er die Frechheit der Juden kennt. Er bringt darum die Rede wieder auf die Anklagen gegen sie. Er führt zunächst David als Ankläger vor, der weitläufig dasselbe sagt, was Isaias alles in Kürze vorbringt. Damit legt er ihnen einen gewaltigen Zaum an, damit sie nicht aus können und damit keiner seiner Zuhörer, wenn die Rede auf den Glauben kommen wird, sich ihr entschlagen könne, weil im vorhinein festgenommen durch die Anklagen der Propheten. Drei Vorwürfe sind es, die ihnen der Prophet macht: daß sie alle Böses getan hätten; daß sie nicht einmal ab und zu etwas Gutes getan, sondern nur reine Bosheit verübt hätten, und daß sie dies alles mit aller Absicht getan hätten. Ferner, damit sie nicht sagen könnten: „Wie, wenn etwa das auf andere gemeint ist?“ fährt er fort:

       V. 19: „Wir wissen aber, daß alles, was das Gesetz sagt, zu denen gesprochen ist, die unter dem Gesetze stehen.“

      Darum führt er nach Isaias, der nach ihrem eigenen Zugeständnis gegen sie aufgetreten war, David an, um zu zeigen, daß dessen Worte dieselbe Folgerung zulassen. Was lag denn für eine Notwendigkeit vor, will er sagen, daß der Prophet, der zu eurer Besserung gesandt war, andern Vorwürfe mache? Und auch das Gesetz war nicht anderen gegeben, sondern euch. Warum sagt er aber nicht: „Wir wissen, daß alles, was der Prophet sagt, sondern; „was das Gesetz sagt“? Weil Paulus das ganze Alte Testament „Gesetz“ zu nennen pflegt. So sagt er an einer andern Stelle: „Hört ihr nicht das Gesetz, daß Abraham zwei Söhne hatte?“ 94 Hier nennt er die Psalmen Gesetz, indem er spricht: „Wir wissen, daß alles, was das Gesetz sagt, zu denen gesprochen ist, die unter dem Gesetze stehen.“ — Dann zeigt er, daß das nicht bloß der Anklage wegen gesagt sei, sondern wieder zu dem Zwecke, damit das Gesetz dem Glauben den Weg bahne. Darin stimmen Altes und Neues Testament zusammen, daß die Anklagen und Vorwürfe überhaupt dazu erhoben werden, damit dadurch bei den Hörern dem Glauben eine herrliche Pforte eröffnet werde. Da nämlich den Juden gerade ihre hohe Meinung von sich selbst zum Verderben war — dasselbe sagt er weiter unten: „Da sie die Gerechtigkeit Gottes nicht erkennen, und bloß ihre eigene aufrecht erhalten wollen, so unterstellen sie sich nicht der Gerechtigkeit Gottes 95 —, so haben Gesetz und Propheten im voraus ihren Stolz gefällt und ihre Einbildung niedergehalten, damit sie zur Einsicht ihrer eigenen Sünden kämen, ihre ganze Anmaßung ablegten und, sich der äußersten Gefahr bewußt, mit aller Bereitwilligkeit dem entgegeneilten, der ihnen Hinwegnahme ihrer Sünden brachte, und Gnade erlangten durch den Glauben. Das deutet Paulus auch hier an, wenn er spricht: „Wir wissen, daß alles, was das Gesetz sagt, zu denen gesprochen ist, die unter dem Gesetze stehen,

       damit jeglicher Mund zum Schweigen gebracht werde und die ganze Welt Gott (auf Gnade und Ungnade) anheimgegeben werde.“

      — Hier zeigt er nämlich, daß die Juden gar nicht Ursache haben, sich auf ihre (guten) Werke zu verlassen, und daß sie nur mit Worten unverschämt prahlen. Darum gebraucht er auch passend die Redewendung: „damit jeder Mund zum Schweigen gebracht werde“; er drückt damit aus ihre unverschämte, grenzenlose Prahlerei und das geflissentliche Zügeln ihrer Zunge; denn wie ein nicht eingedämmter Strom ließ sie sich gehen; aber der Prophet brachte sie zum Schweigen. Wenn Paulus sagt: „Damit jeder Mund zum Schweigen gebracht werde“, sagt er nicht, daß sie darum gesündigt hätten, damit ihr Mund zum Schweigen gebracht werde, sondern sie seien darum gescholten worden, damit sie nicht vergessen sollten, daß sie eben damit gesündigt hatten.

      „Und damit die ganze Welt Gott (auf Gnade und Ungnade) anheimgegeben werde.“ Der Apostel sagt nicht: „der Jude“, sondern: „die ganze Welt“; denn der Satz: „damit jeglicher Mund zum Schweigen gebracht werde“ ist auf jene (die Juden) gemünzt, wenn es auch nicht offen ausgesprochen wird, damit die Rede nicht zu herb ausfalle. Das andere aber: „Damit die ganze Welt sich vor Gott schuldig gebe“, ist sowohl von den Juden wie auch von den Heiden gesagt. Es trägt dies nicht wenig dazu bei, dem Hochmut jener (der Juden) einen Dämpfer aufzusetzen, wenn sie auch hier keinen Vorzug bekommen vor den Heiden, sondern in gleicher Weise als verloren erklärt werden gemäß der Heilslehre (des Neuen Bundes). „Auf Gnade und Ungnade anheimgegeben“ (ὑπόδικος) wird eigentlich nur jener genannt, der außerstande ist, sich selbst zu verteidigen, sondern der Hilfe eines andern bedarf. Das war ja der Zustand von uns allen: Wir waren verloren in bezug auf unser Seelenheil.

      V. 20: „Denn durch das Gesetz kommt Erkenntnis der Sünde“ 96.

      Wieder versetzt der Apostel dem Gesetz einen Hieb, freilich mit Schonung. Denn das Gesagte ist keine Anklage gegen das Gesetz, sondern gegen die leichtfertige Auffassung desselben durch die Juden. Gleichwohl


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