Briefe über den Yoga. Sri Aurobindo

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Briefe über den Yoga - Sri Aurobindo


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anbelangt, so reden die Menschen darüber ohne zu unterscheiden, doch ist diese Unterscheidung notwendig. Das Göttliche spricht auf vielerlei Weise zu uns und nicht immer in Form eines befehlenden adesa. Und wenn, dann ist er eindeutig, ein Widerstand ist nicht möglich, das Mental hat zu gehorchen; die Frage, ob dieser Befehl den vorgefassten Ideen des mentalen Verstandes widerspricht, erhebt sich gar nicht. Einen solchen adesa erhielt ich als ich nach Pondicherry ging. Doch häufiger besteht er in einer Andeutung oder sogar in noch weniger, in einem bloßen Zeichen, dem das Mental unter Umständen nicht folgt, da es von seiner fordernden Unumgänglichkeit nicht beeindruckt ist. Es ist etwas, das angeboten, jedoch nicht auferlegt wird, vielleicht nicht einmal angeboten, sondern lediglich von der Wahrheit darüber vorgeschlagen.

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      Wenn Shankaras Auffassung des unterschiedslosen, reinen Bewusstseins als Brahman deiner Vorstellung entspricht, dann solltest du diesen Yoga hier nicht wählen; denn hier ist die Verwirklichung des reinen Bewusstseins und Seins nur ein erster Schritt und nicht das Ziel. In einem unterschiedslosen Bewusstsein kann es ein inneres, schöpferisches Streben nicht geben, da alle Tätigkeit und Schöpfung ihm notwendigerweise fremd sein müssen. Ich gründe meinen Yoga nicht auf der unzureichenden Grundlage, dass das Selbst (nicht die Seele) ewig frei ist. Diese Behauptung führt zu nichts oder könnte, benutzt man sie als Ausgangspunkt, ebenso gut zu der Schlussfolgerung führen, dass Tat und Schöpfung weder Bedeutung noch Wert haben. Es erhebt sich jedoch die Frage nach der Bedeutung der Schöpfung, ob es einen Höchsten gibt, der nicht nur ein unterschiedsloses Bewusstsein und Sein ist“ sondern auch die Quelle und Stütze der dynamischen Energie in der Schöpfung, und ob das kosmische Dasein für Ihn Sinn und Wert hat. Diese Frage kann durch metaphysische Logik, die sich in Worten und Ideen ausdrückt, nicht gelöst werden, sondern allein durch spirituelle Erfahrung, die das Mental überschreitet und in spirituelle Wirklichkeiten eindringt. Jedes Mental findet in seinen eigenen Schlussfolgerungen Genüge, doch für spirituelle Zwecke haben diese keine Gültigkeit, es sei denn als Anzeichen dafür, wie weit und in welcher Richtung im Bereich spiritueller Erfahrung jeder zu gehen bereit ist. Wenn deine Schlussfolgerungen dich zu Shankaras Vorstellung des Höchsten führen, kann dies als Anzeichen dafür gelten, dass der Advaita Vedanta (Mayavada) dein Weg des Vorankommens ist.

      Dieser Yoga anerkennt den Wert des kosmischen Daseins und betrachtet dieses als Realität; sein Ziel ist es, in ein höheres Wahrheits-Bewusstsein oder in ein Göttliches supramentales Bewusstsein einzutreten, in welchem Tat und Schöpfung nicht Ausdruck der Unwissenheit und Unvollkommenheit sind, sondern der Wahrheit, des Lichtes, des Göttlichen Ananda. Hierfür ist jedoch die Hingabe des vergänglichen Mentals, Lebens und Körpers an jenes Höhere Bewusstsein unerlässlich, da es für das sterbliche menschliche Wesen zu schwierig ist, durch die eigene Kraft zu einem supramentalen Bewusstsein jenseits des Mentals zu gelangen, in welchem die Dynamik nicht länger vom Mental geprägt wird, sondern von einer ganz anderen Macht herrührt. Nur jene, die dem Ruf zu solcher Veränderung Folge leisten können, sollten diesen Yoga annehmen.

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      Ich weiß nicht, ob es dir viel nützt, wenn ich die Fragen deines Freundes beantworte. Ich kann lediglich meinen eigenen Standpunkt hinsichtlich dieser Dinge darlegen.

      1. Shankaras Erklärung des Universums

      Es ist heutzutage schwer zu sagen, welcher Art Shankaras Philosophie tatsächlich war, denn es gibt zahllose Exponenten und keiner stimmt mit dem anderen überein. Ich habe von vielen seiner Anhänger Berichte gelesen, und jeder folgte seiner eigenen Auffassung. Einige behaupten sogar, dass er, obwohl er immer als bedeutender Repräsentant der Maya-Theorie galt, gar kein Mayavadin gewesen ist, sondern vielmehr der größte Realist in der philosophischen Geschichte. Ein berühmter Anhänger Shankaras erklärte sogar, dass meine Philosophie und die von Shankara identisch seien, eine Behauptung, die mir beinahe den Atem nahm. Man ist gewöhnt, Shankaras Philosophie so zu verstehen, dass die Höchste Wirklichkeit ein raum- und zeitloses Absolutes ist (Parabrahman), jenseits von jedem Merkmal, jeder Eigenschaft, und dass die Welt eine Schöpfung der Maya ist, nicht absolut unwirklich, doch wirklich nur in der Zeit und solange man in der Zeit lebt; sind wir einmal zu einer Erkenntnis der Wirklichkeit gelangt, dann sehen wir, dass Maya und die Welt und alles in ihr ohne bleibendes oder wahres Dasein sind. Sie ist, wenn auch nicht unwirklich, so doch falsch, jaganmithya; sie ist ein Irrtum des Bewusstseins, sie ist und ist nicht; sie ist in ihrem Ursprung ein irrationales und unerklärliches Mysterium, obgleich wir ihr Geschehen wahrnehmen können oder zumindest die Art, wie dieses sich unserem Bewusstsein darbietet. Brahman wird in der Maya als Ishvara erkannt, der die Werke der Maya aufrechterhält, und die scheinbar individuelle Seele ist tatsächlich Brahman selbst. Letzten Endes jedoch scheint all dies hier eine Erfindung der Maya zu sein, mithya, und nichts ist wirklich wahr. Sollte dies Shankaras Philosophie sein, dann ist sie für mich unannehmbar und unglaubhaft, wie glanzvoll und sinnreich sie auch sein mag und wie kühn und nachdrücklich begründet; sie befriedigt weder meinen Verstand, noch stimmt sie mit meiner Erfahrung überein.

      Ich weiß nicht genau, was mit diesem yuktivada (logische Argumentation) gemeint ist. Wenn diese lediglich den Zweck hat, die Gegenpartei mit Argumenten zu besiegen, dann hat dieser Teil der Philosophie keine grundlegende Bedeutung; Shankaras Theorie macht sich selbst zunichte. Entweder er kann damit das Universum ausreichend erklären oder nicht; und wenn er dies kann, gibt es keinen Grund, sie als yuktivada zu verwerfen. Ich verstehe jene tiefschürfende Behauptung des Mayavadin, die ganze Frage bestünde nicht eigentlich zu Recht, da Maya und die Welt nicht wirklich seien; tatsächlich ist die Frage, wie die Welt entstand, lediglich ein Teil der Maya, sie ist wie die Maya, unwirklich und erhebt sich im Grunde nicht; doch wenn eine Erklärung abgegeben werden soll, muss es eine wirkliche, gültige und befriedigende Erklärung sein. Wenn es zwei Ebenen gibt und wir diese beiden Ebenen in der Fragestellung vermengen, kann ein Argument nur von Wert sein, wenn beide Ebenen eine Art Realität besitzen und Begründung und Erläuterung auf der niederen Ebene zutreffen, doch für ein Bewusstsein, das dieser nicht mehr angehört, keine Bedeutung mehr haben.

      2. Advaita [Ein-Sein]

      Die Menschen neigen zu der Annahme, der Advaita sei mit dem Mayavada Monismus identisch, was sie auch vom Vedanta annehmen; das ist nicht der Fall. Es gibt verschiedene Richtungen in der indischen Philosophie, die sich auf der Einen Wirklichkeit gründen, doch diese anerkennen ebenfalls die Wirklichkeit der Welt, die Wirklichkeit der Vielen, die Wirklichkeit der Verschiedenheit der Vielen sowie die Gleichheit des Einen (bheda-bheda). Doch die Vielen bestehen in dem Einen und durch den Einen und die Verschiedenheiten in der Manifestation sind nichts als Veränderungen dessen, das grundsätzlich immer gleich ist. Und dies sehe ich tatsächlich als das Universale Gesetz des Daseins an, nämlich das Einssein als Grundlage einer endlosen Vielheit und Verschiedenheit im Einssein; so gibt es zum Beispiel eine Menschheit, doch viele Arten von Menschen, es gibt etwas, das Blatt oder Blume genannt wird, doch viele Formen, Muster, Farben des Blattes oder der Blume. Und hierin können wir eines der grundlegenden Geheimnisse des Daseins erblicken, jenes Geheimnis, das in der einen Wirklichkeit selbst enthalten ist. Das Einssein des Unendlichen ist nicht etwas Begrenztes, an seine Einheit Gebundenes; es ist vielmehr einer unendlichen Vielfalt fähig. Die Höchste Wirklichkeit ist eine Absolutheit, weder durch das Einssein noch durch die Vielfalt begrenzt, sondern gleichzeitig beider fähig; denn beides sind ihre Aspekte, wobei das Einsseins grundlegend ist und die Vielfalt auf dem Einssein beruht.

      Sowohl ein realistischer als auch ein illusionistischer Advaita ist möglich. Die Philosophie des „The Life Divine“ ist solch ein realistischer Advaita. Die Welt ist eine Manifestation des Wirklichen und ist daher selbst wirklich. Die Wirklichkeit ist das unendliche und ewige Göttliche, das unendliche und ewige Sein, die Bewusstseins-Kraft und Seligkeit. Dieses Göttliche hat durch seine Macht die Welt erschaffen oder besser gesagt sie in seinem eigenen, unendlichen Sein manifestiert. Doch hier in dieser stofflichen Welt oder an ihrem Grunde hat es sich in dem, was sein Gegenteil zu sein scheint, verborgen, im Nicht-Sein, in Unbewusstheit und Fühllosigkeit. Dies wird heutigentags das Unbewusste genannt, das durch seine unbewusste Energie das stoffliche Universum erschaffen zu haben scheint; doch dies scheint nur so, denn letzten Endes erkennen wir, dass alle Ordnung dieser Welt allein durch das Wirken einer höchsten geheimen Vernunft entstanden sein kann.


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