Gegendiagnose. Группа авторов

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Gegendiagnose - Группа авторов


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Matthias 2000: Was hat die Psychiatriereform der letzten 25 Jahre gebracht? URL: http://www.bpe-online.de/infopool/recht/pb/seibt_koeln.htm (Zugriff am 10.04.2015).

      Sozialpsychiatrischer Dienst Tempelhof-Schöneberg von Berlin o.J.: Unser Angebot. URL: http://www.berlin.de/ba-tempelhof-schoeneberg/organisationseinheit/ges_fb3/ (Zugriff am 10.04.2015).

      Tramitz, Christiane 2013: Unter Ausschluss. In: Der Tagesspiegel. URL: http://www.tagesspiegel.de/berlin/psychisch-kranke-in-berlin-unter-ausschluss/7900466.html (Zugriff am 10.04.2015).

      Vock, Rubina/Zaumseil, Manfred/Zimmermann, Ralf-B./Manderla, Sebastian 2007: Mit der Diagnose ›Chronisch psychisch krank‹ ins Pflegeheim? Eine Untersuchung der Situation in Berlin. Frankfurt a.M.

      Voß, G. Günter/Pongratz, Hans J. 1998: Der Arbeitskraftunternehmer. Eine neue Grundform der ›Ware Arbeitskraft‹? In: Kölner Zeitschrift für Soziologie und Sozialpsychologie 1, S. 131-158.

      Völpel, Eva 2012: Weniger Freiheit im Westen. In: taz. URL: http://www.taz.de/!101975/ (Zugriff am 10.04.2015).

      Wagner, Franz-Josef 2013: Bedeutung von Recovery und Inklusion in der Gemeindepsychiatrie. URL: http://lvpe-rlp.de/bedeutung-von-recovery-und-inklusion-der-gemeindepsychiatrie-0 (Zugriff am 10.04.2015).

      Wagner-Nagy, Thomas 2012: Hilfreicher Stromschlag ins Gehirn. In: Süddeutsche Zeitung. URL: http://www.sueddeutsche.de/gesundheit/depressionen-hilfreicher-stromschlag-ins-gehirn-1.1450889 (Zugriff am 10.04.2015).

      Zurek, Adam 1991: Gemeindepsychologie. In: Hörmann, Georg/Körner, Wilhelm (Hg.): Klinische Psychologie. Ein kritisches Handbuch. Hamburg. S. 235-258.

       Diagnose: Gesellschaftlich unbrauchbar mit Aussicht auf Heilung. Analyse und Kritik der heutigen Psychiatrie in ihrer Parteilichkeit für die herrschenden bürgerlichkapitalistischen Verhältnisse

      Sohvi Nurinkurinen/Lukaš Lulu

      Dass die steigende Anzahl von Depressionen und anderen diagnostizierten Störungen für die vorgestellte nationale Gemeinschaft ein Problem darstellt, darüber hat sich – gut informiert durch die verschiedenen Medien – mittlerweile jede_r eine Meinung gebildet. Je nach politischer Couleur und professioneller Perspektive fallen die Urteile über das Problem verschieden aus: Wo die einen an das psychologische Selbstmanagement der Staatsbürger_innen appellieren, vermuten die anderen, ein bisschen zu viel (oder nicht so ganz der richtige) Kapitalismus führe zum kollektiven »Burnout«, und wünschen sich darum eine starke öffentliche Hand, welche die vom rechten Wege Abgefallenen einsammelt und wieder aufpäppelt. In einem sind sich jedoch fast alle einig: Das an einer Störung leidende Individuum stellt nicht nur für sich ein Problem dar, sondern geht alle an, die am Wohlergehen der Gemeinschaft interessiert sind. Von diesem Standpunkt aus blickt die interessierte Öffentlichkeit im Allgemeinen und das psychologisch-psychiatrische System im Speziellen auf die, die nicht (mehr) recht mitmachen wollen oder können. Im Vergleich zwischen denjenigen, die tagtäglich munter mitmachen, ihre kapitalistische Verwertung als Bewährungsprobe betrachten und auf die nicht ausbleibenden Misserfolge mit einer Anpassung ihrer Erwartungen und Intensivierung ihrer Anstrengungen reagieren, und denjenigen, die dies nicht (mehr) können oder wollen, kommen Psychologie und Psychiatrie zum tautologischen Schluss: Nicht-Normale sind nicht normal, da sie nicht sind, wie es sich gehört. Was nun genau mit dem gestörten1 Individuum nicht in Ordnung ist und warum, sowie, wie ihm am besten zu helfen, d.h. seinem Nicht-Funktionieren beizukommen ist, darüber wird gestritten, was das Zeug hält.

      Der folgende Text beginnt an dem Punkt, an dem der psychologisch-psychiatrische Blick das erste Mal auf das Individuum trifft: der Diagnostik. Anhand des Störungsbildes »Depression« und dessen Symptomen werden die allgemeinen Denkfehler erläutert, welche zu Grunde liegen, wenn von psychischen Störungen die Rede ist und selbige fremd- und selbstdiagnostiziert werden. Hierzu wird das Augenmerk auf die psychiatrische Standardprozedur gelenkt, welche die Störung als Abweichung von einer inhaltlich zu bestimmenden Norm betrachtet. Der Überführung der Diagnostizierten in die Abteilung der Wiederherstellung psychischer Gesundheit widmet sich der zweite Teil. Aufbauend auf der tautologischen Vorstellung – die Depression verursacht die gefundenen depressiven Symptome – wird der Fortgang dieser falschen Erklärungsweise in der psychiatrisch-psychologischen Behandlung der diagnostizierten Störung nachgezeichnet. Hierzu werden zwei Behandlungsansätze – der pharmakologische Ansatz und die kognitive Verhaltenstherapie – auf ihre jeweiligen Ursachenvorstellungen hin untersucht. Inwieweit die an dieser Stelle entwickelten allgemeinen Kritikpunkte auch auf andere Behandlungsformen übertragbar sind, bleibt in diesem Text unbeantwortet, wird aber unter Berücksichtigung der jeweiligen Besonderheiten von den Autor_innen angenommen. Letztendlich wird im dritten Teil der Analyse der Frage nachgegangen, in welchem Verhältnis das psychiatrisch-psychologische System mit seinem Menschen- und Weltbild, Diagnose- und Behandlungsmethoden zur modernen staatlich-kapitalistischen Herrschaft steht. Mit der Ausformulierung der gesellschaftlichen Bedingungen, an denen sich die einzelnen Konkurrenzsubjekte bis zum möglichen physischen und psychischen Kollaps abzuarbeiten haben, werden einige der anfangs im Störungsbild der Depression aufgelisteten Symptome auf die real-existierende Welt inhaltlich bezogen. Damit wird zugleich die Möglichkeit einer anderen gedanklichen Stellung zu den herrschenden Verhältnissen aufgezeigt sowie die Notwendigkeit ihrer Überwindung unterstrichen. Viele Menschen nehmen das Angebot der psychiatrisch-psychologischen Behandlung als Hilfe für ihre psychischen Probleme wahr. Ihr psychisches Leiden in seinen individuellen Formen soll nicht geleugnet werden. Nicht zuletzt hoffen die Autor_innen, mit dem vorliegenden Text auch dazu beitragen zu können, dass Hilfe Suchenden ein Stück weitergeholfen ist, wenn sie wissen, mit welchen theoretischen Ansätzen sie praktisch konfrontiert werden.

      1. Diagnose: Gesellschaftlich unbrauchbar …

      Klassifikation und Diagnostik

      In der Lehre von den psychischen Krankheiten, der Psychopathologie, und deren Teilgebiet, der psychologisch-psychiatrischen Diagnostik, ist seit einigen Jahrzehnten ein Paradigmenwechsel in Bezug auf die Frage festzustellen, wie psychische Störungen zu klassifizieren seien. Wurden psychische Störungen zuvor vor allem entlang ihrer postulierten Ursachen definiert und klassifiziert, geschieht dies heutzutage anhand von Symptom-/Syndrombeschreibungen auf Erscheinungsebene. Die (operationalisierten)2 Symptom-/Syndrombeschreibungen3 auf Erscheinungsebene finden sich in dem Manual »International Statistical Classification of Diseases and Related Health Problems« (ICD) der World Health Organization (WHO) und dem Manual »Diagnostic and Statistical Manual of Mental Disorders« (DSM) der American Psychiatric Association (APA). Diese Verschiebung ist insbesondere gekennzeichnet durch eine Ineinssetzung von Klassifikation und Diagnostik. Psychische Störungen werden nun nicht mehr auf Grundlage ihrer mutmaßlichen Ursachen, sondern anhand umschriebener Symptome klassifiziert, welche gleichzeitig auch die Grundlage der Diagnosestellung bilden. ICD und DSM bieten hiernach zu jedem etablierten Störungsbild einfach zu handhabende Symptom-Checklisten, anhand derer eine Diagnose getroffen werden soll. Vertreter_innen der Psychopathologie loben an dieser neuen Orientierung die erhöhte Standardisierung, Vergleichbarkeit und Effizienz in der Diagnostik, die theoretisch auch von Lai_innen durchgeführt werden könnte. Auch wird die Entwicklung mit dem Scheitern des ätiopathologischen4 Ansatzes begründet:

      Angesichts bisher noch unzulänglicher Kenntnisse der Entstehungsmodalitäten psychischer Störungen hat dieses Einteilungsprinzip, das im Extremfall ein Syndrom der Krankheit selbst gleichsetzt, in der Psychiatrie und Psychotherapie ein besonderes Gewicht erhalten. (Payk 2007: 47, Hervorh. S.N./L.L.)

      Die


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