Antonius und Cleopatra. William Shakespeare
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Daß ich die große Kluft der Zeit durchschlafe,
Wo mein Antonius fort ist!
Charmion.
Allzuviel
Denkt Ihr an ihn.
Cleopatra.
Du sprichst Verrat.
Charmion.
O nein!
Cleopatra.
Du Hämling, Mardian!
Mardian.
Was gefällt Eur Hoheit?
Cleopatra.
Nicht jetzt dich singen hören: nichts gefällt mir
An einem Hämling. Es ist gut für dich,
Daß, ohne Saft und Mark, dein freier Sinn
Nicht fliehn mag aus Ägypten. – Kannst du lieben?
Mardian.
Ja, gnädge Fürstin.
Cleopatra.
In der Tat?
Mardian.
Nicht in der Tat; Ihr wißt, ich kann nichts tun,
Was in der Tat nicht ehrsam wird getan.
Doch fühl ich heftge Trieb' und denke mir,
Was Venus tat mit Mars.
Cleopatra.
O liebe Charmion,
Wo denkst du dir ihn jetzt? Sag, steht er? Sitzt er?
Wie, geht er wohl zu Fuß, sitzt hoch zu Pferd?
O glücklich Pferd, Antonius' Last zu tragen!
Sei stolz, mein Pferd! Weißt du wohl, wen du trägst?
Den halben Atlas dieser Erde, Arm
Und Helm der Zeit! – jetzt spricht er oder murmelt:
«Wo weilst du, meine Schlang am alten Nil?»
Denn also nennt er mich. Jetzt weid ich mich
Am allzu süßen Gift! Du mein gedenken,
Die ich von Phöbus' Liebesstichen braun
Und durch die Zeit gerunzelt? Als du hier
Die Erde tratst, breitstirnger Cäsar, war ich
Wert eines Königs: Held Pompejus stand
Und ließ sein Aug auf meinen Brauen wurzeln,
Da warf sein Blick den Anker ein, er starb
In Anschaun seines Lebens.
Alexas kommt.
Alexas.
Herrin Ägyptens, Heil!
Cleopatra.
Wie ganz unähnlich bist du, Mark Anton!
Doch sahst du ihn: die köstliche Tinktur
Vergoldet dich mit ihrem Glanz.
Wie geht es meinem tapferen Mark Anton?
Alexas.
Sein Letztes, Fürstin, war:
Er küßte – vieler Doppelküsse letzter –
Die Perle hier: sein Wort ruht mir im Herzen.
Cleopatra.
Von dort muß es mein Ohr sich pflücken.
Alexas.
«Freund»,
So sagt' er mit, «sprich also:
Der treue Römer schickt der großen Königin
Dies Kleinod einer Muschel: ihr zu Füßen,
Dies Nichts zu bessern, streu ich Königreiche
Vor ihren üppgen Thron: der ganze Ost,
Sprich, soll sie Herrin nennen»; – nickt mir zu
Und steigt gelassen auf sein hohes Streitroß,
Des helles Wiehern, was ich gern erwidert,
Tierisch zum Schweigen brachte.
Cleopatra.
War er munter oder ernst?
Alexas.
Der Jahrszeit ähnlich zwischen den Extremen
Von heiß und kalt: er war nicht ernst noch munter.
Cleopatra.
O wohlgeteilte Stimmung! o bemerk ihn,
Bemerk ihn, Charmion, welch ein Mann! O merk ihn!
Er war nicht ernst, er wollte denen leuchten,
Die aussehn stets wie er: er war nicht munter:
Dies schien zu sagen, sein Erinnern weile
Mit seiner Lust hier, sondern zwischen beiden.
O himmlische Vermischung! Ernst und munter,
Das Äußerste von beiden steht dir so,
Wie keinem Manne sonst. – Trafst du die Boten?
Alexas.
Ja, Fürstin, zwanzig auf demselben Wege;
Warum so dicht?
Cleopatra.
Wer an dem Tag geboren,
Wo ich vergaß an Mark Anton zu schreiben,
Der sterb als Bettler. – Papier und Tinte, Charmion! –
Willkommen mein Alexas. – Sag mir, Charmion,
Liebt ich je Cäsarn so?
Charmion.
Du edler Cäsar!
Cleopatra.
Erstick, wenn du den Ausruf wiederholst!
Sprich: Edler Mark Anton!
Charmion.
Der tapfre Cäsar! –
Cleopatra.
Bei Isis, deine Zähne werden bluten,
Wenn du mit Cäsarn irgend noch vergleichst
Mir meinen Mann der Männer!
Charmion.
Mit Vergunst,
Ich sing in Euerm Tone.
Cleopatra.
Meine Milchzeit,
Als mein Verstand noch grün! – Du kaltes Herz,
Zu sprechen wie ich damals! Doch, nun fort;
Bring mir Papier und Tinte!
Besondern Gruß soll täglich er empfangen,
Und müßte ich Ägypten darum entvölkern.
(Alle ab.)