Chef, wir müssen reden. Der Traum vom Ausstieg auf Zeit. Alexander Reeh
Читать онлайн книгу.Um eine Weltumsegelung richtig genießen zu können, scheinen uns sechs Jahre notwendig, daher würden wir eine längere Zeitspanne für eine solche Reise einplanen.
Außerdem würden wir versuchen, die Verwaltung unserer Obliegenheiten daheim verstärkt selbst zu organisieren – keinesfalls würden wir sie noch einmal in fremde Hände legen.
Hätten Sie sich nicht kennengelernt, würden Sie auch alleine eine solche Reise über diesen Zeitraum wagen?
Diese Frage ist schwer zu beantworten, grundsätzlich war das Schiff und die damit verbundene Reise stets ein gemeinsames Projekt. Die positiven und negativen Erlebnisse mit dem Partner zu teilen, war wesentlich – wir würden dies nicht missen wollen.
Haben Sie eine nächste größere Reise geplant?
Ein nächstes großes Segelprojekt steht mit Wolfgangs endgültigem Berufsausstieg in Planung – Evi ist neun Jahre jünger. Nach Kauf eines neuen Katamarans könnten wir uns vorstellen, längere Zeit in der westlichen Karibik zu verbringen.
Wenn sich nun auch unter meinen Lesern jemand dazu entschließt, eine berufliche Auszeit zu nehmen – es muss ja nicht gleich eine Weltumsegelung sein – welche Tipps haben Sie für ihn bzw. für sie?
Ratschläge richten sich weitgehend nach den individuellen Voraussetzungen und Vorstellungen, die ja zum Glück unterschiedlicher nicht sein könnten. Daher ist es für uns fraglich, inwieweit es sinnvoll ist, generelle Tipps aufzulisten.
Interview: Burkhard Heidenberger, www.zeitblüten.com
Epilog aus dem Buch »Ruf des Ozeans«:
Wir sind wieder zu Hause in unserer Wohnung im äußersten Westen von Wien und schauen aus den Fenstern auf den nebelverhangenen Wolfersberg. Es nieselt bei 6°C – plus wohlgemerkt -, und die Blätter der Bäume sind längst in die Farben des Herbstes getaucht, sofern sie nicht bereits abgefallen sind. Unsere Gedanken schwenken zurück auf die abgelaufenen drei Jahre, auf die unbeschwerte Fröhlichkeit der Cook-Insulaner auf Aitutaki beispielsweise, mit der einzigartigen türkisgrünen Lagune – aber auch mit dem unbequemen Ankerplatz vor dem Arutunga-Pass.
Die ersten Monate sind vollkommen ausgelastet, unser Leben in Österreich wieder in die Gänge zu bringen. Der Pegelstand der Haushaltskasse ist noch unbefriedigend tief, und wochenlang karren wir Kisten, Taschen und Kartons in die Wohnung, der wir nach den Jahren der Vermietung wieder unseren Stempel aufzudrücken versuchen, und die wir Tag für Tag ein wenig mehr nach unseren Vorstellungen gestalten. (…)
Die vergangenen zehn Jahre waren bestimmt von der Ambivalenz zwischen dem bequemen, abgesicherten Leben von Angestellten der Republik Österreich, dessen Preis die Enge und Unselbstständigkeit eines weisungsgebundenen Dienstnehmers ist, und dem eigenverantwortlichen, selbstbestimmten Reisen auf den Ozeanen, nur dem eigenen Fahrplan sowie dem Wind und Wettergeschehen gehorchend. Klischees natürlich, denn so wenig wie der Wind frei weht, sondern – Naturgesetzen folgend – von der Corioliskraft abgelenkt zwischen den Gradienten bläst, lässt sich auch die Abhängigkeit des Segelreisenden von den verschiedensten Gegebenheiten nicht leugnen – letztlich ist man vermutlich nicht freier, aber beweglicher…
Wir waren Pendler zwischen zwei Welten, wollen keine der beiden Lebensformen missen, könnten die eine ohne die andere nur schwer ertragen. Seit 18 Jahren leben wir zusammen, viereinhalb Jahre davon auf Sleipnir 2, wodurch doch eine gewisse Affinität zum Landleben deutlich wird – trotzdem, nahezu die Hälfte der abgelaufenen zehn Jahre haben wir auf unserem Katamaran verbracht. Um frei für ein Segelabenteuer zu werden, haben wir zweimal das engmaschige soziale Netz, das uns quasi wie ein Kokon umgibt, aufgeknüpft. Versponnen in diesem Kokon fühlen wir Geborgenheit, sind scheinbar eingebettet in jedwede Sicherheit, allerdings unter Aufgabe unserer Bewegungsfreiheit. Als würde gerade der Kopf aus dieser Hülle hervorlugen, sehen wir zwar, was um uns herum passiert – etwa durch den Fernsehapparat – können aber kaum daran teilhaben. Legen wir den schützenden Panzer ab, gehen wir ein kleines Risiko ein, werden aber nur so frei und Herrscher über unsere eigene Zeit.
»Was bleibt von so einer Reise?«, werden wir oft gefragt. Die Antwort ist einfach und doch wieder nicht. Der Philosoph Hermann Graf Keyserling formulierte einst: »Der kürzeste Weg zu sich selbst führt um die Welt herum …«
Ein gewisses Maß an Ruhe und die Fähigkeit, den alltäglichen Dingen des Lebens gelassener entgegenzutreten, ihnen nur die notwendige Bedeutung beizumessen. Natürlich auch sehr viel Selbstbewusstsein, etwas Besonderes gemacht, einen Traum in die Tat umgesetzt und sich gegen die anerzogenen Ängste vor der Zukunft gestellt zu haben. Wir waren Gestalter und nicht Passagiere unseres eigenen Schicksals, haben das Wartezimmer Leben verlassen, um es selbst in die sprichwörtliche Hand zu nehmen.
Trotz aller Eingliederungsprobleme spüren wir eine Zufriedenheit, dem latent gelehrten Bedürfnisaufschub unserer Ankündigungsgesellschaft nicht Folge geleistet zu haben. Schon in jungen Jahren wird uns ja gerne das trügerische Gefühl von Mitentscheidung vermittelt – Ziele werden vorgegeben, die selten die eigenen sind, denen wir unreflektiert, wie der Hase hinter der Karotte, nachhetzen, ohne diese jemals zu erreichen – und eben noch schlimmer, selten hinterfragen, ob sich diese Hetzjagd überhaupt lohnt. Es bleibt aber auch die Sehnsucht nach dem Reisen über die Meere, wodurch wir erfahren durften, dass es auch andere als die scheinbar zwingend vorgegebenen Pfade gibt – quasi der Ruf des Ozeans nach einer anderen Lebensform, die unser Dasein so sehr bereichern kann.
Wir hoffen, dass wir uns vom monotonen Rhythmus des Montag-bis-Freitag-Denkens mit anschließendem Wochenende abschirmen können, und dass wir mehr Träume haben, als uns die Realität nehmen kann – so wie es Seelenverwandte treffend formuliert haben. Eines Tages brechen wir wieder mit einem Katamaran zu einem Leben auf dem Wasser auf – dieses Boot wird dann erneut unser Mikrokosmos sein …
Das spannende Buch zu dieser Weltumsegelung »Ruf des Ozeans« (erschienen im Weishaupt Verlag) gibt es bei Amazon oder unter www.sleipnir2.at
Vom Operationssaal zu den Mönchen
Ein Schweizer Chefarzt berichtet über seine Auszeit in der Mönchsrepublik
Athos/Griechenland
Das Sabbatjahr bezeichnet ein in der Tora beschriebenes göttliches Gebot, ein Gesetz zum Schutz der Schöpfung, auch des Schutzes vor Raffgier und menschlicher Schwäche. Es fordert zur Ruhe und zum Innehalten auf – Ermahnungen, die in der heute stark leistungsorientierten Gesellschaft sehr fremd klingen mögen. Für mich persönlich war ein Aufenthalt in der Mönchsrepublik Athos in Griechenland der Höhepunkt meines mehrmonatigen Sabbaticals, das ich vor wenigen Jahren genießen durfte.
Der heilige Berg Athos ist eine orthodoxe Mönchsrepublik mit autonomem Status unter griechischer Souveränität. Der Zutritt zum Berg Athos ist Frauen grundsätzlich verwehrt. Ein Grund dafür ist wohl der Wunsch der Mönche, von optischen sexuellen Reizen unbeeinflusst zu leben und sich ungestörter Gottesverehrung widmen zu können. Selbst weibliche Tiere sind vom Verbot betroffen, allerdings wiegen gewisse praktische Notwendigkeiten schwerer: Mönche, die Ikonen malen, benötigen für ihre Arbeit frischen Eidotter und dürfen daher als einzige Hühner halten. Außerdem sind Katzen erlaubt, um die mönchischen Siedlungen frei von Mäusen, Ratten und Schlangen zu halten. Männliche, nicht-orthodoxe Besucher benötigen ein Visum, das mehrere Monate im Voraus beantragt werden muss – bewilligt wird in der Regel nur ein Aufenthalt von knapp einer Woche. Ein Aufenthalt in der Mönchsrepublik muss gut geplant und vorbereitet sein.
Zeit zum Nachdenken
Zusammen mit drei Weggefährten habe ich mich auf diese Reise vorbereitet. Das Erlebnis war einmalig – vorwiegend zu Fuß haben wir einige der 20 Großklöster, die Teile des UNESCO-Welterbes sind, besucht. Neben unbeschreiblichen Naturerlebnissen haben wir bruchstückhaft miterlebt, was das Leben im orthodoxen Kloster bedeutet. Als Tourist ist man automatisch Gast des Klosters, gleichzeitig aber auch Pilger. Entsprechend darf man im zugeteilten Schlafsaal übernachten und gemeinsam