Chef, wir müssen reden. Der Traum vom Ausstieg auf Zeit. Alexander Reeh
Читать онлайн книгу.voll gearbeitet, aber nur 66% verdient, dafür haben wir im ersten Jahr unserer Weltumsegelung ebenfalls 66% Gehalt bekommen und waren auch krankenversichert.
Unsere Arbeitsplätze an den jeweiligen Schulen waren Gott sei Dank gesichert, mit unseren Direktoren gab es vor Reiseantritt ausführliche Gespräche.
Und in dieser Zeit den Kontakt aufrecht zu erhalten mit den Menschen und der Familie zu Hause, war sicher auch nicht ganz einfach? Wie haben Sie das geschafft?
Wir hatten an Bord eine Kurzwellenanlage mit Pactor, eine Art Modem, wodurch wir Emails empfangen und verschicken konnten, außerdem haben wir damit auch Wetterinformationen bekommen. Die Amateurfunklizenz hat uns diesbezüglich ein breites Spektrum an Möglichkeiten geboten. Internet hatten wir an Bord allerdings nicht.
An manchen Ankerplätzen gibt es mittlerweile Internetzugang über WLAN, was sehr praktisch ist, da man im Cockpit sitzend surfen kann, ohne sein Schiff verlassen zu müssen. An solchen Orten konnten wir unserer Familie und unseren Freunden ausgiebig mailen und manchmal – wenn der Empfang gut war – sogar skypen. Wir haben uns dafür eine sehr starke externe Antenne zugelegt. Hier war es uns auch möglich, unserem Webmaster Fotos etc. zu schicken, um unsere Website upzudaten. Durch die Website haben wir die Reise ausführlich dokumentiert und hatten zeitweise mehr als 200 Besucher täglich. Außerdem haben wir des Öfteren auch Internetcafés besucht und in manchen Ländern, in denen wir uns länger aufhielten, SIM-Karten für unsere Handys gekauft.
Gab es vor Reiseantritt Ängste, Befürchtungen, die sich als berechtigt herausgestellt haben – sei es jetzt die Reise selbst betreffend, als auch die Ereignisse zu Hause während Ihrer Abwesenheit?
Nach den Erfahrungen unserer Atlantikrunde hatten wir seine sehr realistische Einschätzung hinsichtlich dieses Abenteuers und haben unseren 3-jährigen Ausstieg akribisch vorbereitet. Leider gab es während unserer Abwesenheit unerwartete Todesfälle innerhalb der Familie und des engsten Bekanntenkreises. Vereinzelt haben uns auch Menschen, die wir als absolut verlässlich und loyal eingeschätzt hatten, völlig überraschend enttäuscht und unsere Abwesenheit genutzt, um uns zu hintergehen.
Eine Weltreise über einen solchen Zeitraum ist ja auch mit erheblichen Kosten verbunden. Wie finanziert man sich so eine Weltreise? Konnten Sie von Ihrem Vorhaben auch Sponsoren überzeugen?
Nachdem wir kinderlos und frei von Schulden sind, konnten wir die notwendigen Beträge ansparen. Wir haben viele Jahre eisern gespart, haben uns keine Urlaube gegönnt, sind nicht essen gegangen, haben keine neue Kleidung etc. gekauft. Wenn man ein solches Ziel vor Augen hat, fällt das Sparen darauf eigentlich nicht so schwer.
Um Sponsoren haben wir uns nie bemüht, weil wir nicht die notwendige Zeit und Energie dafür aufbringen konnten. Dafür bemühen wir uns seit Sommer 2011, für unsere zweiteilige Multivisionsshow »Ruf des Ozeans«, die ein paar Jahre laufen soll, Unterstützung zu finden.
Lässt sich für so ein Vorhaben eine realistische Kosteneinschätzung machen?
Eine solide Kosteneinschätzung plus 50% Aufschlag gibt in der Regel die richtige Größenordnung.
Welche Erfahrungen und Erlebnisse während dieser Weltumsegelung zählen zu Ihren schönsten und wertvollsten?
Dazu zählen grundsätzlich die Begegnungen mit so vielen unterschiedlichen, interessanten Menschen, die San Blas Inseln mit den einzigartigen Kuna-Indianern, die Unterwasserwelt der Los Roques (Venezuela) und der Tuamotos (Franz.Polynesien), die endemische Flora und Fauna der Galapagos Inseln (Equador), unsere Hochzeit barfuß am Strand von Malolo Lailai/Fiji Inseln, die »Land Divers« in Pentecost/Vanuatu, nahezu jungsteinzeitliche Kulturen in den Banks Inseln und später in Papua Neuguinea, das Kulturfestival in Mount Hagen/Highlands von PNG mit 160 verschiedenen Stämmen, die Flussfahrt durch den Regenwald von Borneo (Indonesien) mit freilebenden Orang Utans, Nasenaffen und Gibbons.
Und zu den weniger schönen?
Die Zitterfahrt mit dem nach einer Baumstammkollision leckgeschlagenen Katamaran: 1100 Seemeilen von den Galapagos auf die Marquesas Inseln (nach Fatu Hiva), Evis schwere Verletzung an der rechten Hand durch eine runterfallende Kiste zwei Tagesreisen vor den Komodo Inseln, Wolfgangs fast-über-Bord-Gehen in der Straße von Malakka, den Konvoi durch das Piraten Gebiet im Golf von Aden.
Viele gewohnte Annehmlichkeiten, aber auch die medizinische Versorgung, sind bei so einer Weltreise wohl nicht immer gegeben. Hatten Sie in dieser Hinsicht Probleme?
Wenn man eine Weltumsegelung antritt, verzichtet man bewusst auf die zur Selbstverständlichkeit gewordenen Annehmlichkeiten des Alltags. Gerade darum geht es vielleicht auch, sich zu vergegenwärtigen, in welchem Luxus wir – unter Aufgabe unserer Freiheit – leben.
Unsere medizinische Versorgung war dank der Unterstützung vieler befreundeter Ärzte, die Medikamente für uns sammelten, exzellent. Darüber hinaus hat Evi einen »Medizin an Bord«-Kurs noch in Wien besucht, und wir wurden von Freunden in die verschiedenen Techniken der Wundversorgung eingeführt.
Wir hatten während der Reise immer wieder Verletzungen und Erkrankungen, die wir zum größten Teil selbst behandeln konnten/mussten. Im schwersten Fall eine Handverletzung Evis, deren Auswirkungen leider bis heute sichtbar sind.
Glücklicherweise konnten wir in Papua und Vanuatu in einigen entlegenen Dörfern grundlegende medizinische Versorgung gewährleisten.
Welche Auswirkungen hat Ihr Abenteuer auf Ihre heutige Arbeit, auf Ihr heutiges Leben?
Zunächst sind wir ruhiger und abgeklärter geworden, haben enorm viel Selbstvertrauen in uns und unsere Fähigkeiten bekommen und müssen uns daher weniger selbst beweisen. Der Zeitfaktor wird nicht mehr zum Stressfaktor, wir gehen an die meisten Dinge des Lebens deutlich entspannter heran – dies betrifft natürlich auch unsere eigentliche Arbeit als Lehrer.
Können Sie auch Ihren Schülern davon etwas weitergeben?
Wir konzentrieren uns in unserer Unterrichtsarbeit weitgehend auf unsere jeweiligen Fächer und trennen grundsätzlich Privates von Beruflichem. Mit unseren Schülern sprechen wir daher über unsere außerschulischen Aktivitäten wenig. Dennoch wissen die meisten Schüler über die Reise Bescheid.
Die Rückkehr von einsamen oder dünn besiedelten Inseln, von der Zweisamkeit auf Ihrem Katamaran in eine größere Stadt wie Wien mit all ihren Infrastrukturen – wie war das für Sie? Eine Art »Schock« oder verbunden mit großer Freude und Zufriedenheit?
Dazu ein Zitat aus unserem Buch:
»Waschmaschine, Geschirrspüler, Mikrowellenherd, fließendes (warmes) Wasser oder Toilettenspülung auf Knopfdruck erleben wir angenehm, fast als dekadenten Luxus, aber das Leben auf dem Wasser im Einklang mit der Natur lässt die »Enge« der Stadt deutlicher spüren, und so ist die Wahrnehmung unseres Umfeldes nicht mehr die gleiche.
Versicherungen und Banken scheinen verstärkt mit subtiler Indoktrination von Furchtszenarien das Leben vieler Menschen zu steuern und weitgehend auf die Pension ausrichten zu wollen – das Hier und Jetzt gerät allzu leicht in den Hintergrund. Wir hoffen, uns davon möglichst abschirmen zu können und, dass wir mehr Träume haben, als uns die Realität nehmen kann.«
Der Wiedereinstieg ins Berufsleben stellt manche Aussteiger vor eine große Herausforderung, u.a. weil sie das straffe Zeitkorsett eines Arbeitsalltags nicht mehr gewohnt sind. Wie war für Sie der Wiedereinstieg?
Beim Wiedereinstieg in die Arbeitswelt des Schulalltages haben wir die gewohnte Routine vermisst, wir haben umständlich, ineffizient gearbeitet, und die für den Beruf so wichtige Eloquenz und Schlagfertigkeit war ein wenig eingerostet.
Wir waren aber offen gestanden sehr froh, in die Sicherheit unserer alten Berufe zurückkehren zu können. Das treffend formulierte enge Zeitkorsett und der frühmorgendliche Wecker sind für uns eine enorme Umstellung, ebenso wie das Fremd bestimmt sein nach drei Jahren auf See.
Wenn Sie mit Ihrem heutigen