Schule aus, Neuseeland ruft. Philip Raillon

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Schule aus, Neuseeland ruft - Philip Raillon


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der iSite, in Cromwell bekommen, und auch Alistairs Freunde von Farmen, Weinbergen und Plantagen beziehen darüber ihr Personal. Obwohl die Agentur vor zwei Tagen auf ihrer Facebook-Seite veröffentlicht hatte, dass momentan keine Jobs zur Verfügung stehen, sind wir optimistisch – die Hoffnung stirbt bekanntlich zuletzt. In Alexandra angekommen, schauen wir uns zunächst das kleine Museum in der iSite an. Hier wird auch die große Kaninchenplage weiter thematisiert: Da es für die eingeschleppten Tiere keine natürlichen Fressfeinde gibt, vermehren sie sich ins Unendliche. Daher jagt auch Alistair die Kaninchen, denn sie fressen nicht nur sein Gras, sondern durchlöchern auch alles. Es gibt Wettkämpfe und die Farmer bezahlen Jäger – quasi Kopfgeldjäger für Kaninchen. Ein Team von Männern hat einmal in drei Nächten mehr als 10.000 Kaninchen geschossen. Die Gruppen arbeiten dabei mit Motorrädern und Helikoptern.

      Anschließend gehen wir direkt zur Agentur und stellen uns vor. Sobald wir unsere Daten vollständig abgegeben haben, spricht die Frau von zwei Jobs auf einem Weinberg – in Bannockburn! Und das für zwei Monate Vollzeit. Yes!! Was für eine Überraschung! Am nächsten Tag treffen wir uns mit dem Manager des Weinbergs Terra Sancta. Wir kriegen die Jobs und haben noch drei Wochen Zeit, bis es losgeht. Eventuell können wir auch schon eine Woche eher anfangen. Klasse! Bis zum Jobbeginn reicht auch noch das Geld von zu Hause und dann haben wir 40 Stunden die Woche garantiert. Zwei Monate sind uns zwar eigentlich zu lang, aber wir wollen jetzt nicht wählerisch sein. Der Weinberg liegt nur etwa zehn Minuten mit dem Auto entfernt von unserer Wwoofing-Farm – wir kennen die Gegend also schon. Wo nun der Grundstein für unsere weitere Zeit in Cromwell gelegt ist, müssen wir uns Gedanken über die Unterkunft machen. Eine Wohnung mieten kommt eigentlich nicht in Frage und ein Hostel ist zu teuer. Außerdem haben wir ja Eddie zum Schlafen und wollen uns daher nach Campingplätzen umschauen. Der, für den wir uns dann schließlich entscheiden, liegt nahe an unserer Farm und hat eine gute Entfernung zum Weinberg. Der Campingplatz-Besitzer bietet uns einen guten Preis an – eindeutig sind die Saisonarbeiter hier ein gutes Geschäft. Wir dürfen zusammen für 140 Dollar die Woche auf dem Campingplatz bleiben. Doch dazu sollte es nicht kommen.

      Blake mit Hund Hiedi

      Beim Abendessen bieten Alistair und Jackie uns an, ein Zimmer, unser Zimmer, bei ihnen im Haus zu mieten. Was für ein Glück! Wir geben vor, darüber nachzudenken. Doch eigentlich steht die Entscheidung längst fest. Unglaublich. Wir dürfen zwei Monate lang mit Alistair, Jackie und den Kindern Blake und Georgia auf der Farm leben, mit ihnen zusammen essen und kochen und die Nachmittage und Abende verbringen. Dieses nette und für uns auch noch vergleichsweise günstige Angebot läutet zwei der besten Monate meines Lebens ein. Sehr glücklich und euphorisch berichten wir unseren Eltern via Skype von den Neuigkeiten. Auch sie sind total überrascht und freuen sich für uns mit. Mit der Gewissheit, dass wir wiederkommen, brechen wir aus Cromwell auf, um die kommenden drei Wochen bis zum Jobbeginn noch zu reisen. Vorher ist zuerst mal ein Haarschnitt bei mir fällig: Da uns ein Friseurbesuch zu teuer ist, legt Maria Hand an – letztlich werden sie aber einfach mit dem Rasierer gestutzt. Der Abschied von der Familie ist herzlich aber kurz – wir sind ja bald schon wieder da. Bevor es richtig zurück auf die Straße geht, werfen wir die ersten Postkarten ein. Sie übermitteln die frohe Botschaft, einen Job gefunden zu haben. Ich werfe meine Karten natürlich in den falschen Kasten, den für die nationale Post …

      Alistair sortiert seine Merinos

      Wanderwege gibt es hier viele

      Sonne im Regenwald: Fiordland mal anders

      Kawarau Gorge

      Das erste Reiseziel ist Fiordland im Südwesten der Insel. Wir fahren durch die Kawarau Gorge mit den vielen Weinbergen und Obstplantagen des Gibbston Valley. Die felsigen Hügel oder Berge sind nur in Ansätzen zu erkennen, da es so neblig und wolkig ist. Dazu regnet es noch in Strömen. Dennoch halten wir kurz an der Kawarau Bridge – der ersten kommerziellen Bungee-Anlage Neuseelands. Wir bewundern kopfschüttelnd die Verrückten, die sich für 180 Dollar 43 Meter in die Tiefe stürzen. Zwei Sekunden freier Fall, ein lauter Schrei und das war‘s. Natürlich sind sie nicht aufgeschlagen, sondern der Sprung ist schlicht so schnell schon wieder vorbei. Auch wenn es nur 43 Meter sind, uns ist es definitiv zu hoch – und zu teuer. Also geht es weiter: Wir sparen uns den Abstecher nach Queenstown und Arrowtown, da wir hierfür noch genug Zeit haben werden, wenn wir in Cromwell leben. In Frankton müssen wir über eine einspurige Brücke, die eine Ampelreglung hat – es ist für uns die erste Ampel seit Christchurch und dementsprechend überrascht sind wir. Es geht die kurvenreiche Straße zwischen den felsigen Remarkables, einer Gebirgskette samt Skigebiet auf der linken Seite und dem Lake Wakatipu auf unserer rechten Seite, entlang. Auf dem nassen Weg, vorbei an Schafen, Kühen und vielem Rotwild, nach Te Anau, dem Hauptanlaufspunkt in Fiordland, ist uns beiden flau im Magen. Während es bei mir dabei bleibt, müssen wir für Maria zweimal mit Warnblinklicht am Straßenrand stoppen. Jetzt einen Magen-Darm-Virus? Wir können uns Schöneres vorstellen. Glücklicherweise bleibt es aber bei den beiden Notpausen. Trotzdem beenden wir diese Reiseetappe eher als ursprünglich geplant. Der günstige DOC-Campground wäre noch weitere anderthalb Autostunden entfernt gewesen. Stattdessen verbringen wir die Nacht in der Possum Lodge, einem kleinen Campingplatz am Lake Manapouri.

      Nebel über Lake Manapouri

      Fiordland – das ist eine große Region mit hohen, teils schneebedeckten, Bergen und unzähligen Fjorden, von denen aber nur zwei über den Landweg zugänglich sind: Doubtful Sound und der Klassiker Milford Sound. Doch auch ohne diese beiden Fjorde bietet die Region vieles: Mehrtageswanderungen – darunter mit dem Milford Track, dem Routeburn Track und dem Kepler Track drei der neun Great Walks Neuseelands – Bootstouren, zig Tages- oder Kurzwanderungen, Glühwürmchenhöhlen oder einfach nur relativ einsame DOC-Campingplätze. Diese und noch viele weitere Touristenangebote gibt es nicht grundlos. Daher wundert es nicht, dass es von Touristen nur so wimmelt. Wer Fiordland allerdings etwas ruhiger erleben will, der fährt nicht nur von Te Anau nach Norden bis zum Milford Sound, sondern auch nach Süden bis nach Invercargill. Wir starten also vom Lake Manapouri aus, der sich uns in mystischem Sonne-und-Wolken-Mix zeigt. Bei den vielen Touristenangeboten ist es gar nicht leicht, sich zu entscheiden. Ohnehin haben Maria und ich Schwierigkeiten, Entscheidungen zu fällen: Der viertägige Kepler Track klingt zwar interessant und ist wohl auch sehr lohnenswert – ärgerlicherweise hatte ich nur meine Regenjacke bei der Familie in Christchurch vergessen, wie mir erst jetzt auffällt. Und den Kepler Track ohne Regenjacke zu laufen ist keine gute Idee. Eine achtstündige Tagestour zum abgelegenen Doubtful Sound, inklusive des Besuchs eines der größten Kraftwerke Neuseelands, des „West Arm“, erscheint uns ebenfalls reizvoll. Schließlich ist der Doubtful Sound der größte Fjord Neuseelands und um einiges länger und breiter als der bekanntere Milford Sound. Allerdings ist uns die Tour mit über 200 Dollar pro Person zu teuer. Also wollen wir eine Bootsfahrt durch besagten Milford Sound machen, der kleiner, aber durch die steil abfallenden Klippen genauso beeindruckend oder sogar noch beeindruckender sein soll. Nur erkunden wir den Fjord mit dem Kajak oder einer Bootsfahrt? Maria würde gerne kajaken, allerdings habe ich noch nie in einem solchen Paddelboot gesessen. Wir entscheiden uns für die Bootstour und wollen auf dem Weg einige der kürzeren Wanderungen machen. Wer nicht eine der Touren mit dem Bus von Queenstown oder Te Anau bucht, ist gut beraten, vorher die Straßenverhältnisse zu überprüfen: Die Straße zum Sound ist des Öfteren wegen Schnee- oder Schlammlawinen gesperrt. Zwar sieht man am Rand immer wieder Stellen, wo der Asphalt von Bäumen und Felsbrocken begraben wurde, aber die Straße ist frei. Für die knapp 100 Kilometer soll man zwei Stunden einplanen – wir brauchen mit


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