Das Mal der Burgherrin. Sabine Müller
Читать онлайн книгу.„Im Frühjahr wird es das Licht der Welt erblicken.“
„Das sind gute Nachrichten, Sophie! Ich freue mich für Euch. Philipp und ich wir hätten auch gerne noch ein Kind gehabt, aber es hat nicht sollen sein.“
„Ihr habt einen großen und prächtigen Jungen. Ihr könnt stolz darauf sein, einen Sohn wie Simon zu haben. Schon so manche Burg ist gewaltigen Erbstreitigkeiten zum Opfer gefallen, weil es keine männlichen Nachkommen gab.“
„Oder zu viele.“
„Das stimmt auch wieder. Bei Eurem Bruder ist es andersherum. Es gibt einen Erben, aber kein Erbe mehr“, sagte Graf Egbert und sah mitleidig zu Walther hinüber.
„Ja, das ist wirklich eine traurige Sache. Im Frühjahr wird Walther ins Kloster Wörschweiler gehen, dort wird er hoffentlich seinen Seelenfrieden finden.“
„Da wird es bei Euch richtig ruhig, wenn dann auch Simon nach Zweibrücken geht“, warf Mathilde ein.
„Oh ja, ich werde meinen Sohn sehr vermissen. Ich werde schon ganz wehmütig, wenn ich an den Abschied denke!“
Philipp fiel seiner Frau ins Wort: „Nicht jede Mutter hat das Glück ihr Kind so lange behalten zu dürfen, die meisten Pagen verlassen ihr Elternhaus schon mit sieben oder acht Jahren.“
„Du hast recht, aber es fällt mir trotzdem schwer.“
Als das Essen sich dem Ende zu neigte, steckte sich Jakob heimlich Brot und ein paar Bratenstücke unter seinen Kittel. Während noch alle feierten, schlich er sich unbemerkt hinaus. Auf dem Burghof sah er sich vorsichtig um, ein Knecht torkelte aus dem Rittersaal, er ging die Treppen hinunter und entleerte seine Blase. Dann schwankte er wieder zurück. Er hatte Jakob, der im Schatten des Bergfrieds stand, nicht bemerkt. Nachdem die Luft rein war, begab er sich zum Palas und stieg die Treppen hinauf bis zum Dachgeschoss. Er suchte nach der Bettstatt der Ritter des Grafen Egbert. Diese waren dafür berüchtigt sehr schnell zu reiten und immer bei den ersten und besten Jägern zu sein. An dem Wappen des Schildes, welches am Bettpfosten hing, erkannte er schließlich, dass er richtig war. Dann suchte er nach der Jagdausrüstung. Als er sie gefunden hatte, nahm er sich drei der Pfeile, die mit einem schwarzen Ring gekennzeichnet waren, und schlich sich wieder hinaus. Er begab sich ins Gesindehaus, richtete seine Sachen, füllte ein Trinkhorn mit Wasser und legte sich nieder. Morgen musste er als Erster aufbrechen, damit ihn niemand sah.
Jakob war nicht der Einzige, der das Mahl vorzeitig verließ. Auch Simon verabschiedete sich, kaum dass er mit dem Essen fertig war. Er gab vor, müde zu sein.
Simon schlich sich die Treppen von der Oberburg zur Unterburg hinunter und ging um das bebaute Felsplateau herum zum südlichen Hof, wo er zur Tür der Waffenkammer gelangte. Walther hatte ihm heimlich den Schlüssel besorgt. Er sperrte die Tür auf und trat ein. Im Innern zündete er eine Kerze an und sah sich um. An den Wänden hingen Langbögen, Armbrüste, Köcher mit Pfeilen, Schwerter, Lanzen, Speere, Streitäxte, Rüstungen, Helme und Kettenhemde. Simons Blick blieb an einem langen Speer hängen, der aus einem Holzstiel und einem etwa eine Elle langen, spitz zulaufenden Teil aus Eisen bestand, welches innen hohl war. Er nahm es von der Wand, holte ein Tuch unter seinem Umhang hervor und wickelte den Sauzahn darin ein. Dann löschte er die Kerze und machte sich mit vor Vorfreude leuchtenden Augen auf den Weg in seine Kammer, wo er die Waffe unter dem Bett versteckte und sich zur Ruhe legte, aber vor Aufregung kaum schlafen konnte.
Kapitel 5
Auch Jakob konnte kaum Schlaf finden. Aus Angst, dass er verschlafen könnte, sah er dauernd aus dem Fenster, um am Stand des Mondes abzuschätzen, wie spät es war. Schließlich stand er leise auf. Er zog einen Mantel über und wickelte sein Bündel, welches aus den Essensresten, dem Trinkhorn und den Pfeilen bestand, in zwei warme Decken und schnürte sich das Ganze auf den Rücken. Dann holte er seine Armbrust, die er neben seiner Lagerstatt versteckt hielt, und hängte sie sich an einem Band über die Schulter.
Jakob verließ auf Zehenspitzen das Gesindehaus. Er konnte die Burg nicht durch das Haupttor verlassen, weil ihn die Wachen sonst bemerkt hätten. Deshalb schlich er hinter den Ställen, wo zum Glück noch alles ruhig war, zu einer kleinen Pforte zwischen den Palisaden, die im Belagerungsfall als Fluchtweg dienen konnte. Es ging von dort aus steil bergab und er schlitterte fast hinunter. Um auf den Weg zum Wald zu gelangen, musste er sich in östliche Richtung seitlich an der Bergnase entlang hoch bewegen, bis er nach dem Burggraben wieder auf den Bergrücken klettern konnte.
Er blieb im Schatten eines Busches stehen und blickte vorsichtig hoch. Der Weg lag in Blickrichtung der Wachen. Diese liefen von Zeit zu Zeit über den gewaltigen Wehrgang, um sicherzustellen, dass sich keine ungebetenen Gäste näherten. Als er gerade los wollte, entdeckte er einen der Männer und musste in seiner Position verharren. Der Wachposten ging langsam bis zum äußersten Ende der Anlage und spähte über den Übungsplatz in Richtung Wald. Er blieb eine Weile stehen, bis er seinen Gang fortsetzte.
Als Jakob sich gerade erheben wollte, drehte sich der Wachmann noch einmal um. Jakob hielt die Luft an und blieb wie erstarrt stehen, doch der Wachmann sah ihn nicht und wandte sich wieder um. Jakob wartete einen Moment, dann rannte er schnell los.
Nach kurzer Zeit erreichte er den Wald. Er kletterte durchs Unterholz, wo er nur langsam vorankam. Dornen stachen ihm durch die Kleidung ins Fleisch. Er riss sich seine Hosen leicht auf. Die Strecke bis zu den Felsen kam ihm in der Dunkelheit sehr lange vor. Hoffentlich hatte er sich nicht verlaufen. Er musste sich näher am Weg halten. Zum Glück schien der Mond, sodass er die Wege daran erkennen konnte, dass er ein dumpfes Licht sah, wenn er zum Himmel aufblickte.
Als er den Weg gefunden hatte, beschloss er auf diesem zu bleiben. Es dauerte nicht mehr lange, bis er den großen Felsen erreichte. Vorsichtig, damit er nicht abrutschte, kletterte er hinauf. Oben angekommen legte er eine Decke auf den Boden und machte es sich darauf bequem. Mit der zweiten Decke, die er mit Blättern tarnte, deckte er sich selbst zu. Pfeil und Bogen legte er in Position. So musste er nun warten, bis die Jagdgesellschaft eintraf. Falls er einschlafen würde, würde er sicher von dem Bellen der Hunde und den Rufen der Jäger rechtzeitig geweckt werden.
Zur gleichen Zeit, als Jakob noch durch den Wald irrte, wurde Simon von Walther geweckt.
„Wach auf Simon! Guten Morgen!“
Er rüttelte Simon an den Schultern. Dieser kam nur langsam zu sich.
„Was ist denn los Walther, müssen wir wirklich schon aufstehen?“
„Komm schon, du weißt doch, warum wir so früh raus müssen und mach nicht einen solchen Lärm. Es muss keiner mitkriegen, was wir vorhaben!“
Simon schlüpfte aus dem Bett und zog schnell seine Jagdkleidung über. Er packte den Sauzahn, den er, wie Walther ihm geraten hatte, unter seiner Schlafstatt versteckt hatte. Die beiden gingen über den Hof zu den Pferdeställen und sattelten zwei Pferde. Simon nahm sich seinen schwarzen Hengst und Walther nahm mit einer älteren gemächlichen Stute vorlieb, die er öfters zum Ausreiten benutzte. Die Stute würde ihn gewiss nicht abwerfen und ließ sich bei der Jagd sicher gut im Wald verstecken.
Sie warteten, bis die Wache sich auf den Weg zum Bergfried machte, um die ganze Gegend zu überblicken. Dann führten sie die Pferde zum Burgtor, öffneten es vorsichtig und brachten die Tiere zu dem großen Busch auf dem Übungsplatz, banden sie an und befestigten ihre Waffen an den Satteltaschen.
„Lasst uns zum Morgenmahl gehen, damit niemand etwas merkt.“
„Ich bin gespannt, ob ich es wirklich schaffen kann, ein Tier mit dem Sauzahn zu erledigen! Das war wirklich ein guter Plan, Walther. Ich hätte dir so etwas gar nicht zu getraut. Danke, dass du mich mitnimmst, obwohl ich in letzter Zeit nicht gerade nett zu dir war.“
„Ist schon gut, Simon! Außer dir wäre wohl niemand so verrückt, mir zu folgen!“
Walther lachte innerlich schallend, wenn Simon nur wüsste, wie das Ganze enden würde!
Er stützte sich auf seinen Gehstock und so gingen die