Hexengruft – Abenteuer in Moorland. Ralph Müller-Wagner
Читать онлайн книгу.ihm verziehen, per SMS. Aber wie wird ihre Begegnung ausgehen, wenn Felix von seinem Geheimnis erneut erzählt?
Der Waldsee ist ein ruhiger idyllischer Fleck, den nicht viele Leute kennen. Er liegt unweit von Kienholz. Die Freunde sind hoch erfreut vom Anblick des Sees, denn er strahlt mit seinen unzähligen Seerosen eine märchenhafte Stimmung aus. Unter einer Weide, unmittelbar am Seeufer, setzen sie sich ins hohe Rispengras.
»Es war richtig, nicht mit dem Fahrrad herzufahren«, murmelt Sebastian leise, während er die kleinen zarten Fallschirme einer Pusteblume zum Schweben bringt. »Laufen tut auch mal gut, oder? Schau doch, wie der Wind in die kleinen Schirme bläst und sie auf den See treibt.«
»Wetten, dass meine Schirme viel weiter als deine fliegen?«, antwortet Felix verwegen und pustet diese vom Stängel ab. »Ja, Laufen ist genauso gesund«, stimmt er dem Freund zu, die federleichten Schirmchen dabei interessiert beobachtend.
»He«, ruft Sebastian, »das ist unfair. Ein Wettkampf war nicht vorgesehen. Da hätte ich stärker geblasen.« Freundschaftlich kneift er Felix in die Seite.
»Ist ja auch egal und egal ist achtundachtzig«, gibt sich der zufrieden. »Hast du dein Taschenmesser dabei? Wir könnten was schnitzen, ein kleines Boot vielleicht.«
»Warum fragst du? Richtige Kerle wie wir, haben doch immer ein Taschenmesser einstecken«, prahlt Sebastian und zaubert sein Messer aus der Gürteltasche hervor.
Felix strahlt über das ganze Gesicht. Er springt auf, beginnt unter den großen Tannen nach geeigneter Rinde für kleine Boote zu suchen. Bald wird er auch fündig und die Freunde beginnen zu schnitzen. Geschickt sind sie alle beide dabei. Gleich wirbeln die Späne nur so durch die warme Luft. Wenig später sind die kleinen Kunstwerke fertig.
»Wir könnten noch einen Mast einbauen und Segel setzen. Ich habe Tempos dabei«, zwinkert Sebastian seinem Freund zu. Schon sucht er nach geeignetem Material.
»Deine Ideen sind wirklich gut. Dass wir uns immer wieder ergänzen, finde ich echt klasse!« Felix lacht, reicht Sebastian seine Hand.
Der schlägt kräftig ein und erklärt: »So soll es wohl sein unter Freunden, oder? Was wolltest du mir eigentlich erzählen?«
»Ein Geheimnis«, antwortet Felix kurz, während er die Augen zusammen kneift. »Gehen wir schwimmen?«
»Okay, dann lassen wir unsere Schiffchen fahren. Schauen wir mal, wer gewinnt. Du hast also ein Geheimnis und willst es mir anvertrauen. Ich bin gespannt.«
»Lass dich überraschen, doch gerate ja nicht wieder in Zorn, du Knalltüte«, scherzt Felix dann. »Aber nun springen wir erst ins Wasser. Eine Abkühlung würde mir wirklich gut tun.«
Augenblicke später tummeln sich die Freunde im Wasser. Sebastian geht im Bootsrennen als Sieger hervor. Danach lassen sie ihre Schiffchen vom warmen Wind treiben. Felix taucht nach Perlmuscheln, wird auch fündig. Im letzten Jahr hatten sie ganz viele gefunden. Beim herum tollen merken die Freunde gar nicht, wie schnell die Zeit vergeht. Der Himmel ist noch immer wolkenlos. Die Sonne brennt weiter und der Wald ist erfüllt von ihren ausgelassenen Stimmen und dem ewigen monotonen Gesang der Grillen.
Die beiden bleiben im Wasser, bis ihre Lippen blau sind. Dann liegen sie in der Sonne, beobachten ihren Schiffchen, welche es tatsächlich bis an das gegenüberliegende Ufer des Teiches geschafft haben. Keine sechzig Meter ist der breit, Dieser herrliche Ort der totalen Stille, die sie jetzt ebenfalls schweigend genießen.
»Letzte Nacht hat mich ein schreckliches fliegendes Monster bedroht«, bricht Felix schließlich das Schweigen. Seine bizarre Gesprächseröffnung schlägt bei Sebastian wie eine Bombe ein. Fassungslos starrt er seinen Freund an, doch unterbricht er ihn nicht, als Felix ihm sein Geheimnis offenbart. Er lässt dabei keine Einzelheit aus. Auch seine Befürchtungen, die Sebastian betreffen, verheimlicht er nicht. Er soll das alles wissen, die ganze unheimliche Wahrheit! Felix erzählt seine Geschichte derart packend und ergreifend, dass dem Freund die Haare zu Berge stehen. Als Felix damit fertig ist, herrscht abermals großes Schweigen, bis er Sebastian unsicher fragt: »Glaubst du mir?«
Der Freund ist so bewegt von der Geschichte, dass er kein Wort über die Lippen bringt. Immer wieder schaut er Felix mit großen Augen an. Aber es liegen keine Zweifel in seinem Blick, sondern nur Bewunderung für das Erlebte und wie Felix alles verarbeitet hat. Nachdenklich steht Sebastian auf, nimmt drei Steine in die Hand und wirft sie nacheinander Richtung See. Fast bis zur Mitte kommt er mit dem letzten Stein. Dann dreht er sich um und sagt überzeugt: »Echt cool, das Ganze, ich glaube dir!«
»Oh, danke«, erwidert Felix erleichtert. »Ich habe schon das Schlimmste befürchtet, weil ich doch … na ja, du bist immer so ungläubig, wenn es um Spukgeschichten geht. Wenn du willst, bleibe heute über Nacht bei mir. Dann wirst du Zeuge jener Bekanntschaft, kriegst dich bestimmt nicht wieder ein. Das verspreche ich dir sogar!«
»Echt? Aber klaro, ich bin dabei. Ehrenwort! Und wenn du gelogen hast, spreche ich nie mehr mit dir, verstehst du? Nie mehr! Aber ich glaube dir wirklich, versprochen!«
Felix ist glücklich. Da ist es wieder, jenes lodernde Feuer in ihrer Freundschaft, welches man braucht, um alles für den Anderen zu tun. Er strahlt über das ganze Gesicht, vollführt sogar einen Freudentanz, wie die Indianer. Schnatternd erheben sich zwei Enten in die Lüfte. Die erhoffte Ruhe und Einsamkeit müssen sie woanders suchen.
»Du wirst staunen über Palis. Ein toller Typ, jedoch nicht zum Anfassen«, sagt Felix fröhlich. »In seiner unmittelbaren Nähe ist es so kalt wie auf dem Nordpol!«
»Habe mal gehört, immer wo Geister sind, ist es frostig kalt«, erinnert sich Sebastian dunkel. »Es scheint also zu stimmen. Echt cool, eh. Bewundere dich! Ich wäre bestimmt gerannt …«
»Wirst du ja heute Abend selbst erleben«, kichert Felix und beißt dann genüsslich in einen Apfel. »Magst du auch einen?«
»Freilich, danke. Na, da bin ich aber gespannt!«
»Mir war es auch nicht egal, als dieses Gespenst so vor mir stand, kannst du mir voll glauben«, beichtet Felix dem Freund. »Dachte, ich träume oder bin nicht ganz richtig in der Waffel. Auf jeden Fall ist Palis ein gutes Gespenst. Er bezeichnet sich ja eher als Geistkörper, weil sein richtiger Körper gefangen ist. Wer weiß, auf was ich mich da einlasse. Zeitreise schön und gut. Die Probleme beginnen jedoch erst, wenn man der Hexe begegnet. Sie ist eine böse schwarze Zauberin. Wie soll ich Fliegengewicht dagegen bloß ankämpfen? Du könntest mich nach Moorland begleiten. Was hältst du davon?« Er kneift die Augen zusammen. Blickt Sebastian in die blauen Augen. Dem stockt fast der Atem.
»Begleiten, Zeitreise, Hexe, Zauberei und viel mehr? Ach du lieber Strohsack! Das ist heftig, Felix. Äh, weißt du, morgen wollte ich zu meiner Großmutter fahren. Die hat glatt eine Überraschung für mich«, versucht er sich geschickt aus der Situation zu retten.
»Dann sagst du eben ab. Punkt!«
»Ab… absagen? Wie stellst du dir das vor? Großmutter wird beleidigt sein. Sie … ihr … ihr geht es auch nicht gut«, ringt er nach Worten. »Ja, sie ist nämlich krank geworden. Ich muss die alte Frau unbedingt besuchen. Gleich morgen früh fahre ich mit meiner Mutter zu ihr.«
»Na prima! Soll ich dir was sagen? Ich glaube dir kein Wort!«, riecht Felix den Braten. »Du brauchst keine Angst haben. Das Gespenst wird dir sicher gefallen und wenn wir in Moorland sind, wird uns bestimmt jemand helfen. Vielleicht die Waldfee, von der Palis sprach.«
Sebastian, der nun auch kraftvoll in den zuckersüßen Apfel beißt und dabei schmatzt, muss so langsam Farbe bekennen. Er kann Felix nicht im Regen stehen lassen. Freunde halten doch zusammen! Darum sagt er fest entschlossen: »Ich bin dabei, du kannst auf mich zählen, alter Kamerad!«
»Wahnsinn!«, ruft Felix in den tiefblauen Himmel und springt wie ein aufgescheuchter Affe über die Wiese. Dabei trommelt Felix mit beiden Fäusten fest gegen seine Brust.
»He, kriege dich mal wieder. Wenn das einer sieht, denkt er bestimmt, du hast sie nicht alle!« Dann schüttet Sebastian sich jedoch vor Lachen aus. Und weil ihm dieser Quatsch immer besser gefällt,