Hexengruft – Abenteuer in Moorland. Ralph Müller-Wagner

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Hexengruft – Abenteuer in Moorland - Ralph Müller-Wagner


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hast doch bloß Gespensterbücher«, winkt der Freund ab.

      »Und wenn ich eine Detektivgeschichte für dich hätte?«, lockt Felix sein Gegenüber heraus.

      »Glaube ich nicht«, weiß es Sebastian besser.

      Felix schaut Sebastian verschlagen an. »Vielleicht solltest du mal mein Bücherregal genauer untersuchen.

      Der Freund lacht. »Ja, ja, mit Speck fängt man Mäuse...«

      »… aber keinen Sebastian«, setzt Felix die Gedanken fort. »Natürlich besitze ich keine Detektivgeschichten«, gibt er nun ehrlicher weise zu. »Ich stehe eben mehr auf Gespenster und das Unfassbare, das manchmal passiert und wir nicht ganz erklären können.« Nun hat Felix ausgesprochen, was er auf dem Herzen hat, kann ausspionieren, wie der Freund über diese Dinge denkt.

      »Du mit deinen Dämonen«, kichert Sebastian. »Ich glaube eher an die wahre Geschichte und die spielt eben immer in einem Detektivroman. Auch wenn es da nie Gespenster gibt, ist es doch jedes Mal spannend. Diese Geschichten könnten auch im realen Leben spielen, während deine Geisterstorys bloß fantastische Hirngespinste sind!« Die letzten Worte sagt Sebastian sehr ironisch, weil er mehr der nüchtern denkende Mensch ist. Immerhin versteht er es zu kombinieren, wie seine Helden in den Krimis.

      Felix ärgert sich maßlos über dessen Meinung. ‚Wenn der wüsste, was mir in der Nacht alles widerfahren ist’, denkt er beleidigt. »Hirngespinste? Nicht alles ist frei erfunden, was in den Gespensterbüchern geschrieben steht«, verteidigt er sich dann.

      »Was? Du glaubst wohl an diesen Quatsch!«, setzt Sebastian noch einen drauf.

      »Wie würdest du denn reagieren, als Zeuge eines Spukes? Genau um Mitternacht, wenn die Geisterstunde beginnt. Ich sage es dir: Deine Hosen wären voll, bis oben hin!« Felix kocht, ist mächtig sauer.

      »Dass ich nicht lache!«, sagt Sebastian amüsiert und setzt sich neben den Freund auf die Bank. »Dazu würde es erst gar nicht kommen, du Pinsel!«

      »Und warum nicht, wenn ich mal fragen darf?«, erwidert Felix entrüstet, der aufsteht und sich breitbeinig vor Sebastian stellt.

      »Ganz einfach: Weil es keine Gespenster gibt! Sie existieren doch nur in den Vorstellungen der Menschen, weil sie daran glauben wollen.« Sebastian gestikuliert wild mit den Händen, fabriziert Grimassen. Dann fragt er noch einmal kritisch: »Du glaubst doch nicht etwa an diesen Unsinn?«

      »Lass es gut sein, Sebastian!«, erklärt Felix enttäuscht, ohne die Frage zu beantworten. »Ich dachte, du wärst mein Freund und verstehst mich.«

      »Was soll ich verstehen?«, erwidert der ratlos und blickt Felix nachsichtig an. »Du redest rätselhaft, Felix.«

      »Vergiss es!«, spricht er ärgerlich, wendet sich von ihm ab.

      »Freunde sollen sich doch immer die Wahrheit sagen. Deine eigenen Worte und jetzt bist du eingeschnappt deswegen. Ich habe dich was gefragt, jedoch keine Antwort erhalten. Was ist daran so falsch?« Sebastian versteht die Welt nicht mehr. Er glaubt nun einmal nicht an Geister und diesen ganzen Käse.

      Nervös kaut Felix auf seinem Kaugummi herum, dann macht er eine große Blase, bis der Kaugummi zerplatzt. Peng! Kater Schnuffel flitzt erschrocken davon, verschwindet bald in einem Loch in der Bretterwand des alten Fahrradschuppens. »Aber ich habe die Wahrheit gesagt!«, dringt es jetzt klar aus Felix heraus. »Wenn du streiten willst, bleib lieber in deiner Bude und verkrieche dich dort.«

      »Werde mal nicht komisch!«, antwortet Sebastian giftig. »Du willst mir doch nicht einreden, dass du Gespenster gesehen hast? Auf den Arm nehmen lasse ich mich schon lange nicht. Kannst du dem Weihnachtsmann erzählen.«

      Felix weiß nun, dass er Sebastian nichts von dem grünen Nebel und den bizarren Ereignissen des Nachts in seinem Zimmer erzählen wird. Der kann ihn mal kreuzweise! Ohne ein Wort zu sagen, lässt er seinen Freund einfach stehen. Es hätte jetzt überhaupt keinen Sinn, den Sebastian aufzuklären. Gegen Voreingenommenheit kann man wenig unternehmen. Der so herrlich begonnene Tag ist absolut im Eimer, die gute Laune will sich Felix aber nicht verderben lassen. Er geht auf sein Zimmer. Aus mit der Freundschaft. Aus und vorbei!

      Kopfschüttelnd schwingt sich Sebastian auf sein Fahrrad. Er kennt Felix. Mit dem ist heute nichts mehr anzufangen. Felix lebt eben in seiner eigenen fantastischen Welt, die er um sich herum aufgebaut hat. Wie einen geheimnisvollen Garten, der von einer undurchdringlichen Dornenhecke umsäumt ist. Er wirft noch einen flehenden Blick auf Felix, bis der im Haus verschwindet. Dann tritt er langsam in die Pedalen. Nichts wie weg hier! Betrübt schaut Sebastian in den Himmel, wo die freundliche Sonne gerade hinter einer dicken, schneeweißen Wolke verschwindet. Als ob sie etwas Ruhe genießen will, im unendlichen Spiel der Gezeiten.

      Für Felix will dieser misslungene Tag heute nicht enden. Er ist wie angestemmt, seit dem er Sebastian im Regen stehen gelassen hat. Wie leid ihm das tut. Doch Felix kann seine Natur nicht ändern. Er will es auch gar nicht. Man muss den Menschen so nehmen, wie er wirklich ist. Hat ihm einmal seine Mutter gesagt. Felix versucht das immer zu beherzigen, mit dieser Lebensweisheit ist er bisher gut ausgekommen. Sebastian wohl eher nicht, aber der kennt auch die Sprüche seiner Mutter nicht. Felix hat keinen schwerwiegenden Fehler gemacht, sondern die Wahrheit gesagt. Es ist wirklich etwas Unheimliches in seinem Zimmer geschehen, auch wenn er das nur angedeutet hat. Außerdem lacht er Sebastian auch nicht aus, nur weil der an Gott glaubt. Sogar Erwachsene glauben an Gott, obwohl ihn noch keiner gesehen hat.

      Der Abend ist wieder angebrochen, es dämmert bereits, als Felix müde sein Buch aus der Hand legt und leise gähnt. Den ganzen Tag hat er darin gelesen, um sich abzulenken. Von Andrea weit und breit keine Spur. Vielleicht ist sie ja zu Oma in die Stadt gefahren, um sich Lorbeeren für ihr gutes Zeugnis abzuholen. Einschmeicheln kann sich Andrea wirklich prima. Den Schrank näher zu untersuchen, war Felix für diesen Tag die Lust mehr vergangen. Der hat ihm bloß Unglück gebracht, was seinen Freund betrifft. Auch wenn ihn das Geheimnis reizt, er würdigt den Schrank keines Blickes mehr. Bald wird alles vergessen sein. Das heftige Gewitter der letzten Nacht. Der grüne Nebel. Das seltsame Klopfen. Der Streit mit seinem Freund. Ohne ihn sind die Stunden schon ziemlich langweilig.

      Felix schließt müde die Augen. Doch bald peinigt ihn ein schrecklicher Alptraum: Riesige Vampire halten Felix in einer Burgruine gefangen. Sie wollen ihm eben das Blut aussaugen. Da erscheint plötzlich ein tollkühner Rittersmann und befreit Felix aus den messerscharfen Klauen der abartigen Monster. Es ist Sebastian, der in der schweren Ritterrüstung steckt. Auf Freunde ist eben immer Verlass, sogar in den Träumen!

      Schweißgebadet wacht Felix auf. »Sebastian! Du hier?«, ruft er verwundert, so intensiv hat er geträumt. Verschlafen reibt er sich die Augen, blickt zur Uhr. Mitternacht. Geisterstunde und dann dieser seltsame Traum. Was hat das zu bedeuten? Plötzlich blitzt es draußen. Die Gardine bewegt sich wie von allein, obwohl kein Windstoß zu vernehmen ist. Felix steht auf, torkelt wie ein Angetrunkener zum Fenster und schließt es. Alles wie letzte Nacht! Nun ist er hellwach.

      ‚Der Palisanderschrank!’, kommt es Felix in den Sinn. Mit ihm hat alles angefangen. Den will er jetzt unbedingt im Auge behalten. Er greift nach dem Lichtschalter, aber er funktioniert wieder nicht. Kein Licht also. Schon greift Felix nach seiner Taschenlampe, doch auch diese erfüllt ihre Aufgabe nicht. Es ist dunkel im Zimmer. Nur die zuckenden Blitze erhellen es immer wieder für den Bruchteil einer Sekunde. Schnell springt Felix zurück in sein Bett. Von hier aus kann er die Situation genau beobachten. Die Spannung steigt. Sein Puls schlägt schnell, es gruselt ihn, er ist aufgeregt. Trotzdem weicht sein Blick nicht vom Schrank. Bäuchlings liegt der mutige Junge unter der Bettdecke, bloß sein Kopf guckt hervor und so vergehen die Minuten. Sie kommen Felix viel zu lange vor. Nichts passiert, nur der Donner grollt hin und wieder.

      Da, plötzlich ein leises Geräusch. Fast unhörbar. Als würden Blätter sanft die Fensterscheibe streicheln. Felix dreht sich erschrocken um. Die Gardine zieht sich wie von selbst auf, es ist niemand zu sehen. Träumt er, oder passiert das wirklich alles! Felix findet darauf keine Antwort. Dafür ist die Situation viel zu spannend.


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