Hexengruft – Abenteuer in Moorland. Ralph Müller-Wagner

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Hexengruft – Abenteuer in Moorland - Ralph Müller-Wagner


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als vorher erhellt. Auf einmal bemerkt Felix einen dunklen Schatten an der Außenseite des Fensters. Ein eiskalter Schauer läuft ihm über den Rücken. Was ist das? Einer dieser Vampire, die ihm in seinem Traum so zusetzten? Schnell verschwindet Felix unter seiner Bettdecke, mit all seinen verwirrten Gedanken. Und wenn es Sebastian ist? Vielleicht will der ihm einen Streich spielen, wegen der Gespenster, die es für ihn nicht gibt. Wäre eine logische Erklärung. Er muss nochmal nachschauen. Koste es, was es wolle. Vorsichtig schiebt er jetzt den Kopf unter der Bettdecke hervor. Flüchtiger Blick zum Schrank, wo alles still ist. Danach nimmt er das Fenster ins Visier. Auch dort ist nichts zu sehen, bis es erneut lange blitzt. Felix beginnt zu zählen. Er kommt gerade bis zwei. Dann setzt heftiger Donner ein, als würde das ganze Haus über ihm einstürzen. Er muss sich die Ohren zu halten, so laut ist es. Plötzlich wird das Fenster aufgestoßen. Ein großer dunkler Schatten dringt in das Zimmer ein. Im fahlen Blitzlicht wirkt er wie der blanke Horror. Felix hält entsetzt seine Hände vor das Gesicht. Das Herz schlägt ihm bis zum Hals. Jemand lacht böse. Jetzt hat Felix sein Abenteuer, welches viel bizarrer als das letzte ist.

      Kein Mensch wird ihm glauben, was er da wiederholt erlebt. Aber vielleicht gibt es ja noch mehr Kinder oder Erwachsene, denen ähnliches zugestoßen ist, dies jedoch lieber für sich behalten haben, weil sie nicht als Vollidioten gelten wollen. Warum soll nur ihm das Unfassbare widerfahren? Die Welt ist viel größer als sein Kinderzimmer!

      Felix nimmt nun die Hände vom Gesicht, er will der Gefahr ins Auge blicken. Da wird das Fenster von unbekannter Hand zugeschlagen. Fast gehen die Scheiben zu Bruch, so heftig scheppert es. Ist die Gestalt wieder verschwunden? Vielleicht ist sie ja noch irgendwo da draußen im Garten?

      Wie unheimlich das alles ist. Trotzdem fasst sich Felix ein Herz, mutig steigt er aus dem Bett, schleicht sich zum Fenster und drückt sein Gesicht an die Fensterscheibe. Aber er kann niemanden sehen, auch wenn er sich noch so sehr bemüht. In diesem Augenblick klopft es genau so wie gestern Nacht ganz zaghaft im Zimmer. Felix ist wie verhext. Auf dieses Zeichen hat er die ganze Zeit gewartet.

      Felix will etwas sagen, doch plötzlich bekommt er seinen Mund nicht mehr auf. Immer und immer wieder probiert er es. Vergeblich! Zu allem Überfluss klebt er auf einmal mit dem Gesicht an der Scheibe fest. ‚Auch das noch!’, denkt Felix verzweifelt. Was hält ihn da bloß gefangen? Bald spürt er, dass es ein stinkender klebriger Brei ist. Aber wer in Gottes Namen hat den wohl an die Fensterscheibe geschmiert?

      Draußen wütet das Unwetter stärker. Blitz und Donner geben sich weiterhin ein Stelldichein. Regen fällt in Strömen auf die Erde nieder. Der Wind bläst dämonisch, wirbelt die Wipfel der Bäume heftig durcheinander. Auf einmal spürt Felix, wie sein Gesicht auf der Scheibe hin und her geschoben wird, als ob er diese putzen müsste. Eine schreckliche Erfahrung und nichts kann er dagegen unternehmen. Wütend stemmt er die Hände an die Fensterbalken, versucht sich loszureißen. Vergeblich, es nutzt alles nichts. Er bleibt Gefangener einer unheimlichen Kraft, bis diese es sich wieder anders überlegt hat und ihn frei gibt. Wie ein Geschoss fliegt Felix ein paar Meter durch sein Zimmer. Vor dem Palisanderschrank fällt er dann rücklings auf den Fußboden. Oh, wie schmerzhaft das ist. Er schreit leise auf, kann sich für einen Moment nicht bewegen. Doch zum Glück hält ihn niemand mehr gefangen. Er blickt, zwar noch ein bisschen befangen, zum Fenster und staunt mächtig, als er entdeckt, dass die Gardinen zugezogen sind. Erst dann fällt ihm auf, dass jenes grüne matte Licht von gestern wieder flackert und das Zimmer auf geheimnisvolle Weise erhellt. Aber nach einigen Sekunden ändert das Licht seine Farbe. Jetzt schimmert es beige, alle Gegenstände im Zimmer sind klar zu erkennen.

      Wieder klopft jemand heftig gegen die Schranktür, dreimal kurz hintereinander. Es klingt aufdringlich und makaber. Felix rutscht das Herz in die Hose. Seinen Rücken vor Schmerzen festhaltend, steht er geschwind auf und flüchtet unter großen Anstrengungen in sein Bett. Hui, so schnell ist Felix noch nie unter der Bettdecke verschwunden. Natürlich will er wissen, was weiter passiert. Er ist kein Weichei, trotzdem ist ihm übel in der Magengegend. Er traut sich jedoch nicht aus dem Zimmer heraus, denn er will auf keinen Fall etwas verpassen.

      »Hallo!«, erklingt plötzlich deutlich vernehmbar eine dumpfe Stimme. »Hallo! Darf ich vielleicht raus kommen? Hier aus dem wunderschönen Schrank? Es ist so stickig darin.«

      Felix spitzt fassungslos die Ohren. Da hat doch in der Tat jemand gesprochen. Soll er antworten oder besser nicht? Gespannt beobachtet der Junge, wie durch die Schrankritzen wie gestern der grüne Nebel dringt. Er formt kleine Gebilde in der Luft. Bäume, Fabelwesen, sogar ein Drachen ist dabei und ganz viele ineinander verhakte Ringe. Sie steigen schnell zur Zimmerdecke empor und verwandeln sich bald in schwere Wolkenformationen, aus denen es zu schütten anfängt. Felix kriegt den Mund gar nicht mehr zu, als er das unglaubliche Schauspiel verfolgt.

      »Ist denn hier niemand?«, spricht wieder die Stimme aus dem Schrank. »Bin so aufgeladen mit Energie, dass ich fast platze. Muss hier raus, dringend!«

      Felix will schon gerne antworten, aber ihm ist so, als würde ein Kloß in seiner Kehle stecken. Nicht einen Ton bekommt er über die Lippen, was ihm gar nicht gefällt. Schließlich ist es das erste Mal in seinem Leben, dass ein Gespenst mit ihm Kontakt aufnimmt. Es kann doch nur ein Gespenst sein. Was denn sonst?

      Bum ba bum bum bum bum, klopft es nun rhythmisch von innen gegen die Schrankwand. »Hört mich denn hier keiner?«, jammert die geheimnisvolle Stimme weiter. »Schon bald ist die Stunde vergangen und ich muss in die Zwischenwelt zurück. Hallo! Hallo!«

      ‚Zwischenwelt? Das klingt wirklich gespenstisch’, überlegt Felix. Und plötzlich ist seine Stimme wieder da, auch wenn sie noch ganz dünn klingt. »Ja, hier ist jemand. Wer gibt sich denn die Ehre? Ich bin mehr als hoch erfreut. Ich mag Gespenster und habe schon eine Menge über euch gelesen.«

      »Das ist aber fein. Ist doch jemand da, ich darf also wirklich eintreten, Euer Ehren?«, antwortet die Stimme erleichtert.

      »Ja, du darfst. Ich habe auch keine Angst.« Schwupp. Felix verschwindet unter seiner Bettdecke, dort harrt er der Dinge, die da auf ihn zukommen. Euer Ehren hat das Gespenst zu ihm gesagt, das bringt ihn irgendwie zum Schmunzeln.

      Die Schranktür knarrt und will gar nicht mehr aufhören damit. Dann wird es gleich mucksmäuschenstill, bis ein mysteriöses Brummen einsetzt.

      »Wo seid Ihr denn?«, sagt die Stimme verhalten.

      »Na hier, unter der Bettdecke«, antwortet Felix klein laut.

      »Wenn Ihr wollt, kann ich ja auch mit hinein huschen, damit wir uns vorstellen können.«

      »Nein, lieber nicht!«, ruft Felix entsetzt.

      »Warum zeigt Ihr Euch nicht, seid wohl ein Aussätziger?«

      »Nein, keineswegs. Ich sehe nicht schlimm aus, bin bestimmt kein Freak. Mir taten nur die Augen so weh, verstehst du?«, schwindelt Felix wie gedruckt. »Aber jetzt geht es mir schon wesentlich besser. Bin gleich draußen, warte mal.« Kaum hat er das hellgrün leuchtende Gespenst mit seiner menschlichen Gestalt gesehen, schreit Felix erschrocken auf und verkriecht sich abermals unter seiner Bettdecke. Selbst das faltenlose Gesicht des Wesens und seine Elfenohren, die zwischen halb langen Haaren hervor schauen, leuchten grün.

      »Sehr eigenartig«, wundert sich das fremde Wesen. »Habt Ihr vielleicht Zahnschmerzen? Da wüsste ich Abhilfe. Mit einem Stück Draht ziehe ich Euch den kranken Zahn gerne heraus.«

      »Nein, keine Zahnschmerzen!«, antwortet Felix entsetzt. »Die Augen stechen mir so«, schwindelt er dann weiter. Der Typ will ihm doch glattweg mit einem Draht die Zähne ziehen. Hat der noch alle Latten am Zaun? Aber dann besinnt sich Felix. Das Wesen will ihm ja bloß helfen, es muss demnach ein gutes Gespenst sein. So entschließt sich Felix, ihm erneut entgegen zu treten. Mutig kriecht er unter der Bettdecke hervor, obwohl er am ganzen Körper zittert. Na ja, schließlich kriegt man nicht jeden Tag ein Gespenst zu sehen.

      Richtig kalt ist es im Zimmer geworden, eiskalt. Felix sieht seinen Atem. Es fröstelt ihn. Oder ist es die Angst, die sein Blut in den Adern gefrieren lässt? Bibbernd steht er vor dem Bett, reibt sich die Augen. Nein, alles ist echt. Er träumt nicht. Und es ist immer noch Geisterstunde.

      Die


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