Katzmann und die Dämonen des Krieges. Uwe Schimunek

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Katzmann und die Dämonen des Krieges - Uwe Schimunek


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Chef gewesen: immer für sie zu sprechen, stets einen guten Hinweis parat. Aber das würde ihr Vater niemals gelten lassen - für ihn war er schlicht ein Ausbeuter, ein rechter Hund …

      Und Mama? Die kochte schon fast über vor Ärger. Liesbeth Weymann musste das Thema wechseln …

      «Ich gehe morgen übrigens ins Lichtspielhaus.»

      Mama schaute sie an, Liesbeth kam sich vor, als habe sie eine exotische Fremdsprache benutzt, Chinesisch vielleicht. Aber immerhin, es schien zu wirken: Mama schüttelte nur den Kopf und aß weiter. Dabei bewegten sich ihre Wangenknochen, als müssten sie Kieselsteine zermahlen. «Das ist doch nichts für Mädchen.» Und mit einem Blick zum Vater: «Sag doch auch mal was, Ludwig!»

      «Ach Käthchen, das Kind ist doch erwachsen.» Der Vater brummte die Worte, ohne aufzuschauen.

      «Aber man hört so schreckliche Sachen über diese Filme … «

      «Du musst nicht immer alles glauben, was so getratscht wird. Unsere Tochter weiß schon, wo sie hingeht.»

      «Wir sind immer noch ihre Eltern!»

      Am liebsten hätte Liesbeth Weymann laut protestiert. Konnten ihre Eltern nicht mit ihr reden? Sie saß doch hier am Tisch. Der Vater musste ihren Ärger bemerkt haben - er schaute sie an, als hätte er zu ihrem Geburtstag die Blumen vergessen. Dann blickte er zu seiner Frau. Die schüttelte immer noch den Kopf.

      «Lieschen, mit wem gehst du denn?»

      «Mit Frieda. Wir treffen uns auf dem Markt, und dann spazieren wir zum Colosseum auf dem Roßplatz.»

      «Das klingt nach einem schönen Sonntag. Das sollten wir auch mal machen, Käthe.»

      «Ach Ludwig.» Käthe Weymann kicherte wieder. «Das überlass mal den jungen Leuten.»

      «24.» Helmut Cramer lächelte in sich hinein, versteckte sein Grinsen ganz tief im Rachen. Nur keine Regung nach außen zeigen!

      Der Rauch seiner Zigarette stieg zur Decke, schimmerte wie ein dünner Streifen Seide, der die Fallrichtung verwechselt hatte. Das Kneipengemurmel gab ihm ein gutes Gefühl: Heimat, Sicherheit.

      Er hatte das Blatt gegeben, ein bisschen getrickst, wusste nun, dass der Eichel-Bube im Skat lag. Ede konnte nicht mitreizen. Und wenn sein Gegenüber, Hans oder Franz oder so, zu lange im Rennen blieb, würde er sich überreizen und verlieren. Stieg Hans/Franz aus, gingen die Trümpfe an ihn, den Schönen, den Gewinner. Der Alte würde gut zum grünen Buben auf seiner Hand passen. Genau wie das Grün-Ass, das auch im Skat wartete. Hier konnte nichts schiefgehen.

      Hans/Franz nickte, und dann ging alles ganz schnell.

      «30.»

      Nicken.

      «33.»

      Nicken.

      Das Grün ließ sich auch mit den beiden höchsten Buben nicht mehr spielen. Hans/Franz würde gleich den Skat aufnehmen, den Eichel-Buben finden und merken, dass er sich überreizt hatte. Jetzt nur die Ruhe! Helmut Cramer hob sein Blatt vor die Augen, drehte es leicht hin und her, so, als müsse er die einzelnen Karten auf ihr Gewicht hin prüfen. Er schloss kurz die Augen, neigte den Kopf ein wenig nach hinten, so, wie er sich vorstellte, dass ein Denker seiner Tätigkeit nachgeht. Die Bewegungen blieben spärlich, das hatte er zu Hause vor dem Spiegel geübt. Große Gesten wirkten immer unecht, es musste aussehen, als sei jede seiner Regungen eine unwillkürliche Reaktion auf den Spielverlauf.

      «Dein Spiel.» Helmut Cramer hörte seine Worte, das vermeintliche Bedauern in ihnen - er war stolz auf sich.

      «Eichel-Hand.»

      Verflixt! Eichel-Hand war 36 wert, Hans/Franz hatte ihn gefoppt! Spielte der auch falsch?

      Hans/Franz trank einen Schluck Bier, guckte arglos wie ein pflanzenfressender Waldbewohner, ein Reh vielleicht.

      Jetzt ging es um Schadensbegrenzung. Mit Edes Skatkünsten rechnete er lieber nicht, der spielte an diesem Tisch das Opfer. Aber auch wenn er das Spiel abschrieb, lag er noch gut im Plus.

      Alles lief schief. Hans/Franz spielte seine Trümpfe gekonnt aus. Kleine Stiche nutzte er, um lästige Karten abzuwerfen und Ede nach vorn kommen zu lassen.

      Erst ganz zum Schluss reichten die Trümpfe nicht mehr. Mit den letzten beiden Stichen rettete Helmut Cramer sich und Ede aus dem Schneider.

      «Da haben wir aber Glück gehabt.» Ede zählte ihre gewonnenen Stiche.

      Der zählte während des Spiels nicht mal mit.

      Helmut Cramer trank einen winzigen Schluck Bier. Hier in der Kanalschenke musste er natürlich Alkohol trinken, sonst würde er auffallen. Aber Geld mit Skat ließ sich nun mal nur in nüchternem Zustand machen. Nur mit voller Konzentration.

      Ede mischte die Karten neu, legte den Stapel vor Helmut Cramer zum Abheben hin und trank einen großen Schluck von seinem Bier.

      Helmut Cramer nahm die Karten in die Hand und schaute Ede an. Er ließ die Ecken der Karten schnippen und teilte den Stapel. Aus dem Augenwinkel konnte er erkennen, wie zwei Buben und das Rot-Ass in seinen Händen kurz vors untere Ende des neuen Blattes wanderten. Ohne den Blick von ihm zu lassen, schob er die Karten wieder zu Ede.

      Erst als der gab, trank Helmut Cramer einen weiteren Schluck und sah beiläufig zu Hans/Franz hinüber. Nur kurz. Dann drehte er seinen Kopf, als würde er sich vor lauter Langeweile umgucken. Hans/Franz wirkte arglos. Die Kneipensitzer interessierten ihn nicht, auch nicht der Kollege seines Bruders aus dem Großhandel, der in der Ecke mit großer Geste Reden schwang. Aber dieser feine Pinkel dort - wieso starrte der ihn so an?

      «He, Schöner, du sagst an! Hannes hört.» Ede riss ihn aus den Gedanken. Und Hans/Franz hieß also Hannes.

      «Immer mit der Ruhe.» Helmut Cramer nahm sein Blatt auf. Eichel-Bube, Schell-Bube, Rot-Ass lagen ganz unten. Den grünen Buben fand er auch und die Rot-Zehn, das Eichel-Ass. Ja, er half dem Glück ein bisschen auf die Sprünge, aber es ließ sich auch gerne helfen.

      «18.»

      «Nach einem guten Spiel soll man passen.» Hannes sprach die Worte selbstsicher wie ein Richter sein Urteil, verzog keine Miene, als er Ede zunickte.

      «20.» Ede spuckte die Zahl aus, als hätten sich die Ziffern beim Warten im Rachen angesammelt.

      «Ja.» Helmut Cramer wunderte sich kurz über Edes Elan. Aber sein Grand mit Zweien würde der nicht überbieten können. Keine Gefahr.

      «Zwei.»

      «Ja.»

      «Drei.»

      «Ja.»

      Ede zögerte. Wollte der Null spielen? Das bedeutete, dass Ede nur kleine Karten hatte und Hannes ein schlechtes Blatt. Helmut Cramer versuchte, sich nicht anmerken zu lassen, wie er sich fühlte. Wie ein Primaner, der durch Abschreiben eine Eins in Mathe kassiert hatte. Er lehnte sich zurück, schaute ins Kneipenrund, der Lackaffe war ins Gespräch mit seinem Tischgesellen vertieft. Was für ein Pärchen! Der Pinkel redete auf einen Lockenkopf ein - der steckte in einem zerknitterten Jackett, das vielleicht zur Konfirmation mal gepasst hatte.

      «Sieben.» Ede schnaufte beim Sprechen wie ein Pferd.

      «Ja.»

      «30?»

      «Ja.»

      «33?»

      «Ja.»

      «Und … äh … 35?»

      «Ja.»

      «Ach Mann, dann spiel den Scheiß!» Ede sah aus, als hätte der Wirt ihm gesagt, dass er heute Abend nicht anschreiben dürfe.

      Helmut Cramer nahm den Skat auf: Schell-Bube und Rot-Ass. Unglaublich! Heute schienen alle Götter aus Himmel und Hölle freigenommen zu haben, um sich um sein Skatspiel zu kümmern.

      «Grand. Schneider angesagt!» Er ließ den Worten das Rot-Ass folgen.


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