Das Lebenselixier. Эдвард Бульвер-Литтон

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Das Lebenselixier - Эдвард Бульвер-Литтон


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lag während dieser Zeit keine Spur des Leids oder der Qual, sondern vielmehr eine wunderbare Heiterkeit, die ihre Schönheit und ihre Jugend noch stärker erscheinen ließ. Nach dem Anfall erholte sie sich rasch ohne jede Anstrengung und Erinnerung an ihre Ohnmacht, fühlte sich erfrischt, wie etwa nach dem Erwachen aus einem erfrischenden Schlaf. Insgesamt war sie wesentlich fröhlicher und heiterer, als ich nach der Beschreibung ihrer Mutter vermuten konnte. Sie ließ sich in bester Laune auf die Scherze ihrer jungen Gesellschafter ein, wusste offensichtlich die schönen Zeiten des Lebens schnell zu erfassen, zeigte eine kindliche Dankbarkeit für alles, was man ihr an Freundlichkeit erwies und zeigte eine ebenso kindliche Freude an allen Kleinigkeiten, an denen sich nur jene erfreuen können, die einen Sinn für das Reine und Einfache entwickeln. Sobald sich aber das Gespräch ernsthafteren und nachdenklicheren Themen zuwandte, wurde ihre Aufmerksamkeit ganz von dem Gehörten in Anspruch genommen; manchmal entströmte ihren Lippen ein Reichtum an Eloquenz, den ich zuvor noch nie über so junge Lippen kommen hörte und der mich zunächst in staunendes Schweigen, bald aber missbilligende Beunruhigung versetzte. Die Gedanken, denen sie dann Ausdruck verlieh, schienen mir zu phantastisch, zu visionär und Ausschreitungen einer wilden und doch wundervollen Einbildungskraft zu sein. Meist versuchte ich solchen Phantastereien, für die ich keinerlei Sympathien aufbringen und aufgrund ihrer Gefahren für die normale Funktionsfähigkeit eines gesunden Gehirns nicht mit Nachsicht behandeln konnte, zu zerstreuen, Einhalt zu gebieten und zu ernüchtern.

      Wenn ich aber versuchte, diese Ergüsse, welche so frei und melodiös hervorsprudelten wie das Lied eines Waldvogels, durch einen frostigen Satz oder ein halb sarkastisches Lachen einzudämmen, pflegte sie mich mit einer Art schmerzlicher Anklage anzusehen; oft wandte sie sich auch mit einem Seufzer oder dem Anflug eines Schauderns von mir ab. Dies war die einzige Weise, in der sie ihr Missfallen kund tat; sonst zeigte sie sich immer freundlich und fügsam und jedes Mal, wenn ich sie - sobald ich wahrgenommen hatte, sie verletzt zu haben - um Verzeihung bat, entschuldigte sie sich ihrerseits demütig bei mir und verherrlichte unsere Versöhnung durch ihr engelgleiches Lächeln. Ich hatte noch nicht gewagt, ihr gegenüber von Liebe zu sprechen und blickte sie auf die Weise an, in der ein Gefangener auf die Blumen und Sterne außerhalb seines Kerkers blicken mag, während er vor sich hinmurmelt: „Wann werden sich die Türen für mich öffnen?“

      Kapitel XVI

      Nur der Anwesenheit des weiblichen Parlamentärs war es zuzuschreiben, dass Mr. Vigors den Ausbruch der Wut unterdrückte, die in ihm aufstieg, als er erfahren musste, dass ich Dr. Jones ebenso schnell wieder im Abbots´ House abgelöst hatte, wie er mich kurz zuvor. Da Mrs. Poyntz die volle Verantwortung für diesen Wechsel übernahm, wagte er es nicht, ihr seine Meinung ins Gesicht zu schleudern, denn selbst der Vollstrecker des Gesetzes hatte großen Respekt vor der Herrscherin über die öffentliche Meinung, so launenhaft diese auch sein mochte.

      Ganz anders manifestierte sich der Unwille des Magistrats gegenüber der sanften Mrs. Ashleigh. Er stellte augenblicklich seine Besuche ein und auf einen langen, beschwichtigenden Brief, in dem sie versuchte, die Wogen etwas zu glätten und ihn für ihr Haus zurückzugewinnen, antwortete er in einem ausgefeilten, zwischen Satire und Predigt wechselnden Schreiben. Es begann mit seiner Entschuldigung, ihre Einladungen angenommen zu haben, da er zwar seine wertvolle Zeit und seine Bequemlichkeit einer guten Sache gerne opfere, es jedoch als seine Pflicht gegenüber sich selbst und der Menschheit erachte, dies zu unterlassen, wenn seine Ratschläge auf taube Ohren stießen und seine Ansicht missachtet werde. Kurz, aber nicht ohne Deutlichkeit wies er auf die Achtung, die seinem Urteil von ihrem verstorbenen Gatten entgegengebracht worden war und auf die Vorteile, die diesem daraus erwachsen wären, hin. Diesem von ihrem Gatten erwiesenen Respekt stelle er die Schmach gegenüber, die er von dessen Witwe hatte erleiden müssen. Er maße sich nicht an, Frauen vorzuschreiben, welche Pflichten sie dem Andenken ihrer verstorbenen Gatten entgegenzubringen hätten, sei jedoch der Meinung, dass diese in der Regel wenigsten die Ansprüche ihrer lebenden Nachkommen achteten und sich nicht leichtsinnig über deren Interessen, geschweige denn deren Gesundheit hinweg setzen würden. Was Dr. Jones betreffe, so setze er, Mr. Vigors, vollstes Vertrauen auf dessen Fähigkeiten. Mrs. Ashleigh müsse selbst beurteilen, ob Mrs. Poyntz in medizinischen Fragen eine ebenso große Autorität darstelle, die er ihr ohne Zweifel in Bezug auf Schals und Bänder einräumen müsse. Dr. Jones sei ein bescheidener und vorsichtiger Mann, der nichts mit den hohlen Phrasen, mit welchen die Scharlatane leichtgläubiges Volk ködern würden, im Sinn habe; aber Dr. Jones habe ihm im Vertrauen versichert, dass dieser, obwohl Lilians Fall keine übereilten Experimente zulasse, bei Beibehaltung seines bewährten Verfahrens durchaus auf ein gutes Resultat hoffe. Über die Konsequenzen eines anderen Heilverfahrens wolle sich Dr. Jones nicht auslassen, da es nicht seine Art wäre, sein Misstrauen gegenüber einem Rivalen auszudrücken, der sich noch dazu äußerst fragwürdiger Methoden bedient hätte, um ihn aus seinem Amt zu verdrängen. Aber Mr. Vigors sei überzeugt, dass – wie ihm auch andere zuverlässige Quellen versichert hätten (ich vermute, es handelte sich dabei um Weissagungen seiner Hellseherinnen) – die Zeit kommen werde, in der die arme junge Frau selbst auf der Entlassung Dr. Fenwick´s bestehen würde und „diese Person“ vielen anderen, die sie jetzt bewundern und das ehrerbietigste Vertrauen schenken würden, in einem völlig anderen Licht erscheinen werde. Wenn dieser Zeitpunkt gekommen sei, werde er, Mr. Vigors, wieder von Nutzen sein. Bis dahin werde, wenn er es auch ablehnen müsse, sein vertrauliches Verhältnis gegenüber dem Abbots´ House wieder aufzunehmen oder dort unnütze zeremonielle Besuche zu machen, seine Anteilnahme der Tochter eines alten Freundes gegenüber ungeschmälert anhalten, nein, ihr aus Mitleid sogar in erhöhtem Maße zukommen lassen.

      Er würde in aller Stille über ihr Wohlergehen wachen und wann immer ihm etwas einfalle, das ihrem Wohl dienen könne, werde er sich sogar durch die Geringschätzung, die ihm durch Mrs. Ashleigh zuteil geworden wäre, nicht davon abhalten lassen, seine Vorschläge zu unterbreiten und dieser, wie er es auch jetzt täte, die volle Verantwortung für die Missachtung seiner Ratschläge übertragen, die, wie er ohne Eitelkeit behaupten könne, einiges Gewicht bei Personen besäßen, die zwischen wahrem Wert und prahlerischer Anmaßung wohl zu unterscheiden wüssten.

      Mrs. Ashleigh gehörte zu den überaus weiblichen Naturen, die sich instinktiv auf andere stützen. Sie war schüchtern, vertrauensselig, sanft und liebenswert. Die Schilderung von Mrs. Poyntz, Mrs. Ashleigh sei „auf alltägliche Weise schwach“, wurde ihr nicht ganz gerecht, denn obwohl sie man sie schwach nennen konnte, besaß sie Herzensgüte und einen empfindsamen Charakter, die dieser herabwürdigenden Definition nicht entsprachen. Wurde ihr eine Richtschnur vorgegeben, folgte sie dieser Vorgabe ohne Abweichung. Die Pflichten einer Hausfrau erfüllte sie hervorragend. Kein Haushalt, nicht einmal der von Mrs. Poyntz, war perfekter organisiert. Das alte Abbots´ House hatte seinen düsteren, altertümlichen Charakter gegen den einer angenehmen gastlichen Stätte vertauscht. Alle Dienstboten vergötterten Mrs. Ashleigh und es machte ihnen großen Spaß, ihr dienlich zu sein. Alles lief mit der Harmonie eines Uhrwerks, und sie verbreitete Behaglichkeit wie das Sonnenlicht, das sich über einen geschützten Platz ergießt. Ihr in das liebe Gesicht zu blicken und dem einfachen Geplauder zuzuhören, das in gleichförmigem, langsamen und einlullenden Tonfall über ihre Lippen strömte, bedeutete schon eine Rast vor den „zehrenden Sorgen“ des Alltags. Sie bedeutete für das Gemüt, was die grüne Farbe für das Auge ausmacht. In allen Dingen, die sich auf den normalen Tagesablauf bezogen, erwies sie sich als äußerst verständig, und der Klügste hätte in diesem Bereich von ihr lernen können. Aber sobald irgendetwas, so unbedeutend es auch sein mochte, sie zwang, von dem ausgetretenen Pfad des Hausfrauenlebens abzuweichen, verließ sie ihre Zuversicht und sie bedurfte eines Vertrauten, eines Ratgebers, dem sie arglos und unterwürfig Folge leistete und unbedingtes Vertrauen schenkte. Aus diesem Grunde wandte sie sich, nachdem sie Mr. Vigors, dessen Führung sie sich bisher anvertraut hatte, verloren hatte, zunächst an Mrs. Poyntz und kurz darauf noch flehentlicher an mich, da eine Dame dieses Charakters, ohne den Ratschlag eines Mannes einzuholen, nie ganz zufrieden sein konnte. Zudem nimmt dort, wo einmal einem Arzt gegenüber eine über die Förmlichkeit eines normalen Krankenbesuch hinausgehende Vertrautheit hergestellt ist, das Zutrauen zu ihm rasch und bedenkenlos als natürliches Resultat der Sympathie zu, die sich auf ein Objekt der Sorge konzentriert und seinem forschenden, aber teilnahmsvollen Blick auch die verborgensten


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