Das Lebenselixier. Эдвард Бульвер-Литтон

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Das Lebenselixier - Эдвард Бульвер-Литтон


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geht; täte sie es nicht....“

      Hier hielt sie einen Moment inne und ballte ihre feste weiße Hand; dann schwenkte sie dieselbe geringschätzig, ließ den Satz unvollendet und begann einen anderen.

      „Wenn man mit der Welt geht, muss man natürlich diejenigen niedertreten, die sich ihr in den Weg stellen. Aber wenn ein einzelner Mann sich nur mit seiner eigenen Kraft diesem Gang entgegen stemmt, verachten wir ihn nicht; es genügt, ihn zu vernichten. Ich bin sehr froh, dass ich Louis Grayle nicht kennen lernte, als ich ein sechzehnjähriges Mädchen war.“

      Wieder trat eine kurze Pause ein. Dann fuhr sie fort:

      „Louis Grayle war der einzige Sohn eines Wucherers, der sich durch die Gier, mit der er sich einen ungeheuren Reichtum zusammengerafft hatte, allgemein verhasst gemacht hatte. Der alte Grayle wünschte seinen Erben zu einem Gentleman zu erziehen und schickte ihn nach Eton. Knaben sind immer aristokratisch; man rieb ihm bald seine Herkunft unter die Nase. Er war wild und raufte sich mit Knaben, die größer waren als er, bis sie ihn halb tot geschlagen hatten. Mein Vater befand sich mit ihm auf der Schule und schilderte ihn als einen jungen Tiger. Eines Tages – er war noch ein Neuling – schlug er einen Knaben aus der sechsten Klasse. Die Knaben der sechsten Klasse balgten sich nicht mit Neulingen, sondern züchtigten sie. Man befahl Louis Grayle die Hand zur Bestrafung mit dem Rohr auszustrecken; er erhielt den Schlag, zog dann aber sein Taschenmesser und versetzte dem Züchtiger einen Stich. Daraufhin verließ er Eton. Ich glaube nicht, dass er öffentlich ausgestoßen wurde, da er für diese Ehre noch zu jung war – kurz, man entfernte ihn eben oder schickte ihn fort. Zu Hause erhielt er durch die besten Lehrer eine sorgfältige Erziehung, und als er das Alter zum Besuch der Universität erreichte, starb der alte Grayle. Louis wurde von seinen Vormunden nach Cambridge geschickt; er besaß Kenntnisse, durch die er sich gegenüber den meisten seiner Altersgenossen auszeichnete und dabei Geld, so viel er nur haben wollte. Mein Vater besuchte mit ihm das gleiche College und schilderte ihn wieder als hochmütig, streitsüchtig, unbekümmert, gutaussehend, ehrgeizig und tapfer. (Zu den anwesenden Ladies gewandt:) Würden Sie für einen solchen jungen Mann wohl Interesse zeigen, meine Lieben?“

      „Pah!“ versetzte Miss Brabazon; „den Sohn eines abscheulichen Wucherers!“

      „Ah, richtig. Das Sprichwort sagt, es sei gut, mit einem silbernen Löffel im Mund geboren zu werden; und so ist es auch, wenn dieser Löffel sein Familienwappen trägt. Wenn es sich aber um einen Löffel handelt, auf dem die Leute ihr eigenes Familienwappen erkennen, rufen sie aus: „Aus unserer Silbertruhe gestohlen“, er ist ein Erbstück, das schon das Kind in der Wiege ächtet. Aber junge Leute, die die Universität besuchen und Geld brauchen, nehmen es mit der Herkunft etwas weniger genau, als die Knaben von Eton. Louis Grayle fand in Cambridge eine Menge Bekannte von hoher Geburt, die sich bereitwillig dazu hergaben, einiges von dem Raub, den sein Vater den Ihren abgepresst hatte, wieder an sich zu bringen. Er war ein zu wilder Mensch, um nach der Auszeichnung akademischer Ehren zu ringen; doch sagte mein Vater, die Tutoren des College hätten erklärt, es gäbe an der Universität keine sechs angehenden Absolventen, die so viel von der harten und trockenen Wissenschaft verständen, wie der wilde Louis Grayle. Ohne Zweifel war er in die Welt hinaus gegangen, in der Hoffnung, jemand zu werden; aber der Name des Vaters hatte einen zu üblen Ruf, um dem Sohn Zutritt in die Gesellschaft zu gestatten. Die feine Welt untersucht allerdings nicht mit dem scharfen Auge eines Herolds und betrachtet den Reichtum nicht mit der erhabenen Verachtung eines Stoikers; aber dennoch hat sie ihren Familienstolz und ihr moralisches Gefühl. Sie liebt es nicht, betrogen zu werden – ich meine, in Geldangelegenheiten –; und wenn der Sohn des Mannes, der ihr den Beutel geleert und ihren Grund und Boden versteigert hat, mit in die Hüfte gestemmter Hand und hoch erhobenem Kopf vor den Fenstern ihres Clubhauses vorbei reitet, so kann kein Löwe finsterer blicken und keine Hyäne schrecklicher lachen, als eben diese ruhige, gelassene, tolerante und gebildete feine Welt, die als Bekannte so angenehm, als Freundin matt, als Feindin aber erbarmungslos ist.

      Kurz, Louis Grayle glaubte ein Recht darauf zu haben, dass man ihm den Hof mache und wurde gemieden; er wollte bewundert sein und wurde verabscheut. Selbst seine alten Universitätsbekannten schämten sich, ihn zu kennen. Vielleicht hätte er alles dies vermeiden können, wenn er versucht hätte, in aller Stille in eine Stellung hineinzuschlüpfen; aber es fehlte ihm der Takt der feinen Herkunft und er wollte sich nicht verstohlen einschleichen, sondern sich im Sturm Bahn brechen. Da er sich in Bezug auf seine Gefährten auf dürftige Parasiten angewiesen sah, so bot er den Begriffen von Anstand verletzenden Trotz durch jene Schaustellung von Übertreibung, mit der ein Richelieu oder Lauzun die öffentliche Meinung verhöhnte. Aber Richelieu und Lauzun waren Herzöge! Natürlich hasste er nun die feine Welt und erwiderte Verachtung mit Verachtung. Er wollte sich mit der Demokratie verbinden; sein Reichtum konnte ihm zwar keinen Zutritt zu einem Club verschaffen, konnte ihn aber ins Parlament einkaufen; und wenn es zu einem Lauzun oder vielleicht zu einem Mirabeau nicht reichte, schaffte er es immerhin die Rolle eines Danton zu spielen. An Kenntnissen und an Verwegenheit fehlte es ihm nicht und mit solchen Eigenschaften mangelt es dem Hass auch nicht an Beredsamkeit. So wäre vielleicht dieser arme Louis Grayle berufen gewesen, eine bedeutende Figur zu werden, seinem Zeitalter einen neuen Impuls zu geben und seinen Namen in das Buch der Geschichte einzuschreiben; aber in dem Wahlkampf des Bezirks, den er für sich gewonnen glaubte, stand ihm als Mitbewerber ein wirklich feiner Gentleman gegenüber, den sein Vater ruiniert hatte, ein hochgebildeter ruhiger Mann mit einer Zunge wie ein Schwert und dem höhnischen Blick einer Natter. Natürlich kam es zu einem persönlichen Streit und Louis Grayle schickte ihm eine Forderung zum Duell. Der feine Gentleman, der keine Memme war (wahre Gentlemen sind dies nie), hatte anfangs Lust, das Ansinnen mit Verachtung abzulehnen. Aber Grayle war das Idol des Pöbels geworden und auf ein Wort von ihm wäre der feine Gentleman unter ein Brunnenrohr getaucht oder auf die Prelldecke gebracht worden. Dies hätte ihn lächerlich gemacht. Auf sich schießen lassen ist eine Kleinigkeit, aber der Gegenstand des Gespötts zu werden eine ernste Sache. Er ließ sich deshalb herab, die Forderung anzunehmen und mein Vater war sein Sekundant.

      Nach englischem Brauch wurde natürlich die Abmachung getroffen, dass beide Duellanten auf ein gegebenes Zeichen zu gleicher Zeit das Feuer eröffnen sollten. Der Widersacher schoss im richtigen Moment und seine Kugel streifte Louis Grayle´s Schläfe. Grayle hatte nicht gefeuert. Den Sekundanten kam es vor, als ziele er jetzt erst recht langsam und bedächtig. Sie riefen ihm zu, nicht zu schießen und eilten zwischen die Kämpfer, um ihn daran zu hindern; aber schon war der Abzug durchgezogen und sein Feind lag tot auf der Erde. Das Duell wurde sofort für unfair erklärt und Grayle ein Prozess auf Tod und Leben gemacht; er stellte sich aber nicht, sondern flüchtete auf den Kontinent, machte Reisen durch ferne, unzivilisierte Länder, wohin man ihn nicht verfolgen konnte und ließ sich in England nicht wieder blicken. Der Anwalt führte seine Verteidigung mit großem Geschick. Er behauptete, die Verzögerung des Schusses sei nicht absichtlich, daher auch nicht verbrecherisch gewesen, sondern nur eine Auswirkung der Betäubung, in welche ihn die Schläfenwunde versetzte. Der Richter war ein Gentleman und fasste die Angaben in einer Weise zusammen, die den Geschworenen zu einem Urteilsspruch gegen den Kerl, der einen Gentleman ermordet hatte, bewegen sollten. Die Geschworenen aber waren keine Gentlemen und Grayle´s Anwalt hatte natürlich nicht versäumt, ihre Sympathien für einen Sohn des Volks zu wecken, der von einem Gentleman mutwillig beleidigt worden war. Das Urteil lautete auf einfachen Totschlag; aber das Gericht setzte erschwerende Umstände voraus und erkannte auf dreijähriges Gefängnis. Dieser Strafe wich Grayle aus; aber von nun an war er ein geächteter und verbannter Mann – seine Ambitionen zerschlagen, seine Karriere die eines Gesetzlosen und er war noch keine dreiundzwanzig Jahre alt. Mein Vater vermutete, er habe seinen Namen geändert; niemand wusste, was aus ihm geworden war. Und so musste dieser kühne, prächtige Mensch, vor dem, wenn seiner Geburt günstigere Sterne geleuchtet hätten, wir vielleicht gekrochen wären, nachdem er – niemand weiß wie – ein hohes Alter erreicht hatte, durch Mörderhand in Aleppo sterben, ohne dass, wie Sie sagen, der Täter bekannt wurde.“

      „Ich las vor ungefähr drei Jahren in den Zeitungen einen Bericht über seinen Tod,“ sagte jemand aus der Gesellschaft; „aber der Name war falsch geschrieben und ich hatte keine Vorstellung davon, dass es sich bei dem Ermordeten um denselben Mann handelte, dessen Duell Mrs. Colonel Poyntz uns so anschaulich beschrieben hat. Ich kann mich an die Gerichtsverhandlung


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