Das Erbe der Burgherrin. Sabine Müller

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Das Erbe der Burgherrin - Sabine Müller


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traute sich keinen Atemzug zu machen und hoffte, dass Arnold ebenfalls stillhielt. Doch der Junge duckte sich nur und kniff die Augen ganz fest zu, als würde er denken, wenn er nichts sähe, würden die Räuber auch nichts sehen. Die Schritte und Verfluchungen der Räuber entfernten sich und es wurde ganz still.

      „Komm Arnold, sie haben uns nicht gesehen. Wir müssen schnell den Hang hoch, damit wir uns im Wald verstecken können.“

      Müde schleppten sie sich weiter, bis Mechthild endlich davon überzeugt war, dass sie weit genug von den Räubern entfernt waren. Zwischen ein paar Sträuchern legten sie sich erschöpft nieder.

      Kapitel 4

      Die Sonne schien hell und klar, als Mechthild erwachte. Zuerst wusste sie nicht, wo sie sich befand, doch dann fiel es ihr wie Schuppen von den Augen. Sie waren den Räubern entkommen! Das Gefühl der Erleichterung war so groß, dass es ihre Übelkeit verdrängte. Sie spürte Arnold neben sich, der sie im Schlaf fest umklammert hielt. Sanft weckte sie ihn.

      „Wir müssen weiter. Noch haben sie uns nicht gefunden, aber es kann sein, dass sie die Gegend durchsuchen. Wir müssen vorsichtig sein.“

      Der Junge rieb sich die Augen und bewegte vorsichtig seinen Fuß. Er verzog das Gesicht.

      „Mein Fuß tut weh. Hoffentlich kann ich schnell genug laufen! Ich bin so froh, dass wir die Räuber abgeschüttelt haben! Ich will wieder nach Hause zu Ben und Vater!“

      „Zeig mal deinen Fuß her.“

      Mechthild begutachtete den Fuß des Jungen. Er war geschwollen, doch er konnte ihn bewegen.

      „Er ist nicht gebrochen, nur verstaucht. Wir müssen uns einen Unterschlupf suchen, wo wir ein paar Tage bleiben können, bis du wieder normal laufen kannst.“

      Mechthild half Arnold auf die Beine und stütze ihn ab. Sie gingen durch den Wald in Richtung Tal und blieben von Zeit zu Zeit stehen, um zu verschnaufen und um zu lauschen, ob von den Räubern etwas zu hören war. Doch sie hatten Glück und begegneten keiner Menschenseele, bis sie in der Nähe eines kleinen Flusses einen alten Holzunterstand fanden, der verlassen aussah. Die Tür fehlte und auf dem Boden lag altes Stroh. Es roch muffig.

      „Ich glaube hier können wir bleiben“, stellte Mechthild erleichtert fest.

      „Ich habe Durst.“

      „Dann lass uns zum Fluss gehen. Zu trinken gibt es da genug.“

      Mechthild führte ihren Sohn an das Ufer des kleinen Baches, wo sie sogleich ihre Hände mit Wasser füllten und reichlich tranken. Sie wuschen sich Gesicht und Arme.

      „Zeig noch einmal deinen Fuß“, bat die Gräfin. Sie wusch ihn mit kaltem Wasser und riss von ihrem Kleid einen Streifen Stoff ab. Diesen tauchte sie ins kühle Nass und band ihn um das geschwollene Fußgelenk.

      „Dein Vater wüsste, aus welchen Kräutern wir einen Umschlag bereiten könnten, damit es schneller heilt. Jetzt muss es auch ohne Medizin gehen.“ Als sie zurück im Unterstand waren, merkte Mechthild, dass sie Hunger hatte. Wo sollten sie nur etwas zu essen herbekommen? In dem Fluss schwammen bestimmt Fische, doch sie hatten nichts dabei, um Feuer zu machen. Das Stroh in dem Unterstand war zu feucht, als dass sie es hätte zum Brennen bringen können. Beeren gab es noch keine, dazu war es zu früh. Ihr blieb nichts anderes übrig, als Kräuter zu sammeln.

      „Ich gehe mal nachsehen, ob ich etwas zu essen für uns finde.“

      „Das ist eine gute Idee. Mir knurrt auch schon der Magen.“

      „Ich bleibe immer in deiner Nähe, falls die Räuber doch noch den Weg hierher finden.“

      Mechthild zog los und hielt mit dem Unterstand Blickkontakt. Sie fand tatsächlich Löwenzahn auf der grünen Wiese und auf den schattigen Plätzen im Unterholz des Waldes wuchs Bärlauch. Aufgeregtes Vogelgezwitscher ließ sie aufhorchen. Zwei Vögel versuchten verzweifelt ihre Aufmerksamkeit von einer hohen Hecke abzulenken. Das machte Mechthild neugierig und sie suchte so lange, bis sie das Nest gefunden hatte. Die Vögel schimpften und schimpften. Doch sie ließ sich nicht beirren und nahm sich vier der frisch gelegten, kleinen Eier. Die Vögel taten ihr leid, doch sie wusste nicht, ob sie in den nächsten Tagen etwas anderes zu essen bekommen würden. Mit ihrer Beute kehrte sie zu Arnold zurück.

      „Sieh, was ich gefunden habe!“

      „Oh, das sind ja Vogeleier.“

      Die beiden teilten sich alles, doch ihr Hunger wurde nur ein wenig gestillt.

      „Ich muss unbedingt sehen, ob ich noch mehr zu essen bekomme. Wenn wir wenigstens Feuer machen könnten.“

      „Mutter, wenn du mir ein paar kleine trockene Zweige, ein Stück Rinde und einen Stock suchst, bekomme ich vielleicht ein Feuer in Gang. Ich habe den Rittern schon oft zugesehen, wie sie unterwegs ein Feuer entfachten. Da wir sonst nichts tun können, ist es nicht schlimm, wenn wir den halben Tag dazu brauchen ein Feuer zu machen.“

      „Da hast du recht. Nur ein Tier zum Braten brauchen wir trotzdem. Ich könnte aus meinem Kleid einen langen Faden trennen und versuchen, ob ich mit einem Wurm einen Fisch fangen kann.“

      „Das ist eine gute Idee! Dann werde ich Feuer machen und du kannst angeln.“

      Mechthild suchte Arnold alles zusammen, was er für das Feuer benötigte und baute sich selbst eine Angel. Sie setzte sich an den kleinen Fluss und winkte Arnold zu. Hoffentlich wurde sein Fuß bald besser, damit sie aufbrechen konnten. Sie blickte gedankenversunken auf das Wasser und sah den Fischen zu, die immer nur in die Nähe des Wurmes kamen und dann gleich wieder abdrehten. Auf einmal hörte sie, wie sich Arnold mit jemandem unterhielt. Erschrocken drehte sie sich um. Ein Junge von etwa fünfzehn Jahren stand vor dem Unterstand und redete auf Arnold ein. Er hatte braune, glatte Haare und ein rundes Gesicht. Über seinen beigen Beinlingen trug er einen braunen Kittel, den das eine oder andere Loch zierte.

      „Mutter, das ist Rainer. Er kann uns helfen“, rief Arnold und winkte sie herbei.

      „Sei gegrüßt, Rainer.“

      Mechthild war an die beiden Jungen herangetreten.

      „Seid gegrüßt, werte Dame. Arnold hat mir schon alles erzählt. Ich habe die Kerle gesehen, die euch suchen. Sie fragen überall nach euch und bieten fünf Schilling für eure Ergreifung. Sie sagen, ihr seid eurem Gatten weggelaufen und sie wollen euch wieder nach Hause bringen. Ich kann verstehen, wenn man von zu Hause wegläuft. Mein Vater lässt mich von morgens bis abends schuften, und wenn er getrunken hat, schlägt er mich und meine kleineren Geschwister. Er hat schon Pläne geschmiedet, was er mit dem Geld macht, wenn er euch findet. Ihr müsst aber keine Angst haben. Ich verrate euch nicht.“

      „Das ist sehr lieb von dir.“

      Mechthild tat der Junge leid. Gleichzeitig überkam sie ein ungutes Gefühl. Wenn die Räuber eine Belohnung auf sie ausgesetzt hatten, mussten sie besonders vorsichtig sein. Sie müssten so schnell wie möglich von hier weg und durften keinem Menschen begegnen. Wie sollten sie das nur schaffen? Sie spürte, dass sie dem Jungen vertrauen konnte.

      „Rainer, falls uns diese Männer doch schnappen, musst du unbedingt in den Westrich wandern. Frage nach der Homburg und nach Graf Konrad. Dies ist mein Gemahl und er wird dir eine große Belohnung zahlen und dich in seine Dienste aufnehmen. Das verspreche ich dir. Sag ihm, dass die Räuber uns ans Schwarze Meer nach Warna bringen wollen, um uns als Sklaven zu verkaufen. Hier in dem Unterstand verstecke ich meine Kette. Die kannst du dir nehmen, falls wir erwischt werden. Verkaufe sie, dann hast du genug Geld für die Reise, aber behalte den Anhänger und gebe ihn Konrad, dann weiß er, dass deine Botschaft wahr ist.“

      „Aber Herrin, ihr müsst keine Angst haben, ich werde jeden von hier weglocken.“

      „Kannst du uns Zunder besorgen, Rainer? Und meiner Mutter helfen, einen Fisch zu fangen?“, schaltete sich Arnold ein.

      „Ja, selbstverständlich. Ich gehe gleich los und bringe auch ein Netz mit.

      Mit dem geht es einfacher.


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